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WM 2022: Marciniak: Eine Rote Karte, die alles veränderte

Pole leitet das Endspiel am Sonntag

Final-Schiedsrichter Marciniak: Eine Rote Karte, die alles veränderte

Szymon Marciniak wird das WM-Finale am Sonntag leiten.

Szymon Marciniak wird das WM-Finale am Sonntag leiten. Szymon MarciniakIMAGO/NurPhoto

Die für seine Karriere wohl wichtigste Rote Karte hat Szymon Marciniak nicht selbst gezeigt. Den Platzverweis, der alles veränderte, hat der heute 41-Jährige selbst bekommen. Anfang der 2000er Jahre war das, als der spätere FIFA-Referee noch selbst als Spieler auf dem Rasen stand und seine Schuhe für seinen Heimatklub Wisla Plock schnürte. Marciniak wurde vom Platz gestellt, konnte sich mit dieser Entscheidung des Schiedsrichters aber so gar nicht anfreunden.

Im Nachgang führte er eine längere Diskussion, ließ sich sein Vergehen ganz genau erklären - und es fiel jener Satz, der für seine weitere Karriere entscheidend war. "Wenn du denkst, dass es einfach ist, dann versuch dein Glück. Du wirst sehen", hatte der Schiedsrichter ihm damals erwidert. Und Marciniak dachte sich: "Warum nicht? So habe ich den Schiedsrichterkurs belegt. Ich bin ihm sehr dankbar, denn ohne die Rote Karte wäre ich vielleicht nie Referee geworden."

Marciniak also schlug jenen Weg ein, der ihn am Sonntag bis ins WM-Endspiel führen wird. "Das ist unglaublich, dass ich das Finale leiten darf. Um ehrlich zu sein, ich bin sehr stolz auf mich und mein Team natürlich auch", sagte der Unparteiische. Mit seinen Assistenten Pawel Sokolnick und Tomasz Listkiewicz verstehe er sich "wie eine Familie": "Wir gewinnen zusammen, wir verlieren gemeinsam - manchmal."

Eine Coronavirus-Infektion hätte ihn fast die Karriere gekostet

Szymon Marciniak

Szymon Marciniak (M.) mit seinem Gespann beim Spiel zwischen Argentinien und Australien. Szymon MarciniakIMAGO/PA Images

"Gewonnen" hat Marciniak in den vergangenen 20 Jahren oft, seine Laufbahn verlief zielstrebig - fast immer. 2002 begann er aktiv als Schiedsrichter, bemerkte sein Talent und gab die Spielerkarriere zugunsten der Pfeife auf. Ab 2008 leitete er Spiele in der polnischen ersten Liga, schnell wurde er für heikle oder besondere Partien - zum Beispiel für nationale Pokalfinals - ausgewählt. Anfang der 2010er Jahre kam er bei internationalen Junioren-Turnieren zum Einsatz, 2015 gehörte er erstmals zur Gruppe der Champions-League-Schiedsrichter. Weitere Meilensteine: die U-21-EM 2015, die Aufnahme in die Elite-Kategorie der UEFA, die EM 2016, die WM 2018 und das Supercup-Endspiel zwischen Real und Atletico im selben Jahr.

Ein steiler Aufstieg - der jedoch 2020 einen heftigen Knick bekam. Vor zwei Jahren erlitt Marciniak eine Covid-19-Infektion. "Ich bin vor dem Virus davongerannt, aber ich war zu langsam", sagte er ein Jahr später mit einem Augenzwinkern. Tatsächlich aber war es bitterernst, die Krankheit hätte ihn fast die Karriere gekostet. Heftige Hustenattacken hatten seinen Körper "ein bisschen verwüstet", wie er sagte. Weitaus folgenreicher war die Tachykardie, eine Beschleunigung der Herzfrequenz, die ihn zu einer langen Pause zwang. Marciniak verpasste sogar die Europameisterschaft 2021, an Leistungssport war nicht zu denken. Nur langsam kämpfte er sich zurück: "Es war in den letzten anderthalb Jahren eine schwierige Zeit für mich."

In Katar und Saudi-Arabien ist Marciniak nicht unbekannt

Zwar hatte er sich schließlich zurückgekämpft, kam auch auf europäischem Top-Level zum Einsatz. Doch ob der Pole eben auch von der FIFA für die WM berufen werden sollte, war unklar. Die Erlösung folgte im Mai 2022. Sein Name stand auf der Liste jener 36 Referees, die der Weltverband nach Katar schickte.

Dort, und überhaupt im Mittleren Osten, ist er sowieso kein Unbekannter. Regelmäßig kam und kommt Marciniak in Spielen der "Qatar Stars League" und der ersten Liga Saudi-Arabiens zum Einsatz.

Beim Weltturnier 2022 hat er bislang zwei Spiele bestritten - und dabei beide Finalisten schon kennengelernt: Frankreichs 2:1-Sieg gegen Dänemark und Argentiniens 2:1-Erfolg gegen Australien standen unter seiner Leitung. Nun folgt die Krönung - eine Bestätigung und Genugtuung. "Jetzt habe ich das Lachen wiedergefunden", betont Marciniak. "Es ist ein großartiges Gefühl."

pau, sid

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