Amateure

Petersen und Stach pfeifen in der Bezirksliga

Bundesliga-Profis mit großem Respekt vor dem Jahr der Schiedsrichter

"Fehlerlose Leistung": Petersen und Stach pfeifen in der Bezirksliga

Ungewohnter Job an der Pfeife: Nils Petersen (links) und Anton Stach (Dritter von rechts) leiteten am Samstag als Schiedsrichter ein Bezirksliga-Spiel.

Ungewohnter Job an der Pfeife: Nils Petersen (links) und Anton Stach (Dritter von rechts) leiteten am Samstag als Schiedsrichter ein Bezirksliga-Spiel. picture alliance/dpa

Bezirksliga Rheinhessen

Im rheinhessischen Nierstein herrschte Volksfeststimmung. Die Bässe wummerten aus der stattlichen Musikanlage zwischen Rhein und Weinbergen, 1100 Zuschauer bevölkerten das Riesling-Stadion des gastgebenden VfR. Trotz des Derbys gegen den TSV Mommenheim eine ungewohnt große Bezirksliga-Kulisse, die ausnahmsweise mal mit den Unparteiischen zu tun hatte.

Die standen im Fokus und sorgten für den Promi-Faktor rund um dieses Amateurfußballspiel. Zum Auftakt des jüngst vom DFB ausgerufenen Jahr der Schiris traten Nils Petersen und Anton Stach im schwarzen DFB-Dress als Spielleiter auf. Per Headset wurden sie vom deutschen Top-Referee Deniz Aytekin sowie Assistentin Sophie Burkhart (22) und Assistent Jo Blattner (25) an den Seitenlinien unterstützt.

Ein großes Highlight für die beiden Unparteiischen, die vom Südwestdeutschen Fußball-Verband in Zusammenarbeit mit der Schiedsrichtervereinigung Mainz/Bingen für diese besondere Aktion ausgewählt wurden. "Bei den Laufwegen hat man gesehen, dass es für sie eine große Umstellung war, aber insgesamt haben sie es für ihr erstes Spiel super gemacht. Nils und Anton sind coole und lockere Typen, die die Sache sehr ernst genommen haben und engagiert angegangen sind", lobte Burkhart die beiden Fußballer, die beide zwei A-Länderspiele absolviert haben.

Aytekin hilft mit Funk-Kommandos

Burkart leitet als Schiedsrichterin bereits Spiele in der Männer-Landesliga sowie der U-17-Juniorinnen-Bundesliga und freute sich besonders, dass sie das Schiedsrichter-Idol Aytekin kennenlernen durfte. Der 44 Jahre alte Bundesliga-Referee, der Stach und Petersen wie Burkhart und Blattner per Funk-Kommandos unterstützte, schwärmte nach der Partie von "einer fehlerlosen Leistung", wie sie ihm in über 25 Jahren als Schiri noch nie gelungen sei.

Das war natürlich ein wenig übertrieben. Gerade bei den ersten Niersteiner Treffern gab es Proteste der Mommenheimer, die erst ein Foulspiel und dann eine Abseitsstellung monierten. Doch Stachs Pfeife, der die erste Halbzeit übernahm, blieb stumm. Tatsachenentscheidungen - die sich ohne VAR und TV-Zeitlupen auch im Nachhinein nicht eindeutig bewerten lassen. Insgesamt fuhren Stach und Petersen eine großzügige Linie ohne Karten und Strafstöße - wobei es im zweiten Durchgang durchaus gelbwürdige Szenen gab, die durch den deutlichen Spielstand aber keine Probleme bereiteten. 

Mommenheims Kapitän Sascha Stüber hatte sich unmittelbar nach den ersten Gegentoren beim Schiri-Team beschwert. Nachdem es aber so gar nichts mit dem erhofften engen Derby geworden war, präsentierte er sich als fairer Verlierer und sagte enttäuscht: "Wenn man 0:6 verliert, braucht man nicht über den Schiedsrichter zu sprechen. Vielleicht lag bei uns der Fokus zu sehr auf dem Event."

Das zumindest ist gelungen, nicht nur aus Niersteiner Sicht. Das Hauptanliegen des DFB ist es, mit dem Aktionsjahr, das weitere kleinere und größere Maßnahmen auf den unterschiedlichsten Ebenen vorsieht, auf die Probleme im Schiedsrichterwesen hinzuweisen. Vor allem an der Basis. Während die Zahl der Spielabbrüche (911) wegen Diskriminierungs-, Bedrohungs- und Gewaltvorfällen deutschlandweit auf dem Höchststand angekommen ist, hat die Gesamtzahl der Schiedsrichter deutlich abgenommen.

Innerhalb von zehn Jahren sank sie von rund 70.000 auf 50.500. Fehlender Respekt, fehlende Wertschätzung, verbale und körperliche Gewalt zählen zu den Gründen, warum Unparteiische aufhören sowie fußballbegeisterte Mädchen und Jungen gar nicht erst mit den Lehrgängen beginnen.

Wenn es so weitergeht, können Amateurspiele irgendwann nicht mehr besetzt werden.

Deniz Aytekin über den Rückgang an aktiven Schiedsrichtern

"Die Entwicklung ist bedenklich. Wenn es so weitergeht, können Amateurspiele irgendwann nicht mehr besetzt werden. Dieser Sache muss man sich bewusstwerden. Jede Aktion, die hilft, wieder neue Schiedsrichter zu gewinnen, ist wichtig und dient dem Fußball", erklärte Aytekin: "Wir müssen immer wieder appellieren, dass man den Leuten, die sich am Wochenende Zeit nehmen und diese Spiele, gerade in unteren Klassen pfeifen, mit Wertschätzung und Respekt begegnet."

Das Spiel

Bei Petersen hatte sein Rollenwechsel für gehörige Anspannung gesorgt und war für ihn ein wichtiger Impuls: "Ich gehe jetzt nochmal respektvoller an die Sache ran. Ich hatte mich nie groß mit dem Schiri-Dasein auseinandergesetzt. Wenn wir verloren haben, hat er falsch gepfiffen, wenn wir gewonnen haben, war alles okay. Auch meinen Kumpels in der Heimat, die in der Bezirksliga und Landesliga unterwegs sind, werde ich jetzt ins Gewissen reden, dass es allgemein so nicht weitergeht. In erster Linie sind wir Fußballer gefragt, dass wir uns korrekt verhalten."

Für den laufstarken - als Schiedsrichter überraschend lauffaulen - und ballgewandten Mittelfeldspieler Stach war es besonders herausfordernd, laut genug zu pfeifen und sich vom Ball fernzuhalten. "Es fühlt sich komisch an, vom Ball wegzulaufen. Und bei Ecken habe ich eher rausgeschaut, wie schön der Ball fliegt, aber man muss ja das Geschehen im Strafraum im Blick behalten", berichtete er von einem seiner vielen, neuen Eindrücke und betonte: "Großen Respekt an alle Schiedsrichter. Es ist eine riesige Verantwortung und überhaupt nicht einfach, alles zu sehen."

Die Hauptsache ist, dass das Wesentliche - auch durch diese Aktion in Nierstein - verstärkt in den Blick genommen wird: Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter sind integraler Bestandteil des Fußballs und dadurch besonders wertvoll, schützens- und schätzenswert. Bei allen Fehlern, die auch ihnen im Fehlersport Fußball passieren.

Carsten Schröter-Lorenz

VfR Nierstein v TSV Mommenheim - Bezirksliga Rheinhessen

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