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ESL-Deal "bewirft Kernwert der Gaming-Szene indirekt mit Dreck"

Übernahme durch den saudischen Staatsfonds in der Kritik

ESL-Deal "bewirft Kernwert der Gaming-Szene indirekt mit Dreck"

Die ESL wurde Anfang des Jahres von der saudi-arabischen Savvy Gaming Group aufgekauft.

Die ESL wurde Anfang des Jahres von der saudi-arabischen Savvy Gaming Group aufgekauft. ESL

Seit Anfang des Jahres steht es nun fest: Die saudische Savvy Gaming Group sicherte sich für insgesamt circa 1,5 Milliarden US-Dollar die ESL und FACEIT, zwei der größten unabhängigen Ligen- und Turnierorganisationen der eSport-Szene. Auf den ersten Blick ein möglicherweise zukunftsträchtiger Deal für die Branche, löste die Fusion der beiden Veranstalter auch moralische Bedenken aus. Denn hinter der Savvy Gaming Group steht der saudi-arabische Staatsfond PIF und somit letztendlich der saudische Kronprinz und Staat. 

Auch in unserem kicker eSport Talk auf Twitch diskutierte Host Jan 'GamingAlm' Bergmann das Thema kritisch mit eSport-Experte, Autor und Dozent Timo Schöber sowie Analyst und Kommentator Marius Lauer. 

Amnesty International schlägt Alarm

Bergmann stellte dabei besonders die humanitäre Situation Saudi-Arabiens in den Fokus: "Wenn ich das basierend auf dem Amnesty International Report bewerte, dann haben wir weiterhin massive Einschränkungen der Frauen, wir haben die Tabuisierung und Gefängnishaft bei Homosexualität, wir haben die Todesstrafe, die es für 'Vergehen' oder 'Verbrechen' gibt und wir haben rechtswidrige Angriffe auf und Tötungen in der Republik Jemen." 

Für den FIFA-Trader und Host der Runde "massive Defizite" des Staates, der hinter der ESL-Übernahme steckt. Auch Annäherungsversuche der Vergangenheit würden daran nichts ändern:

"Es muss die Frage gestattet sein, wie die Punkte zu den diversen Werten der Gaming- und eSport-Community und somit zum Verkauf an ein saudi-arabisches Unternehmen passen, hinter dem der saudi-arabische Staatsfond steht und somit auch saudi-arabische Gesetze gelten." 

Saudische Maßnahmen nur Marketing?

Schöber, der bereits seit über 20 Jahren aktives und studierenden Mitglied der eSport-Szene ist, schlug in eine ähnliche Kerbe: "Warum macht Saudi-Arabien das? Das sind Marketing-Zwecke", ordnete er die Übernahme und weitere Annäherungen an das westliche Weltbild ein. So seien auch gesetzliche Lockerungen wie etwa der Führerschein oder kommunales Wahlrecht für Frauen "keine Überzeugung des saudischen Staates". Stattdessen ginge es darum, "einen Fuß in die Tür zu kriegen". 

Für Schöber ist dies aufgrund der saudischen Werte nicht akzeptabel: "Es gibt keine Religionsfreiheit, sondern eine Staatsreligion, die verortet ist. Diese Religion ist der sunnitische Islam mit einer konservativen Auslegung, die unter anderem an die Scharia, die islamische Rechtsauslegung geknüpft ist, weshalb es keine weltliche Rechtsprechung gibt." 

Diesen Kernwert hat die ESL indirekt ganz klar mit Dreck beworfen.

eSport-Experte, Autor und Dozent Timo Schöber

Diese Haltung lässt sich darüber hinaus für den langjährigen Experten nicht mit Gaming und eSport vereinen: "Das ist immer etwas sehr diverses und weltoffenes gewesen." Vorverurteilungen kennt er aus diesen Kreisen dementsprechend nicht: "Das ist alles Wurscht, das interessiert im eSport niemanden." 

Für Schöber ein elementarer Wert des Gamings, den der ESL-Verkauf untergräbt: "Diesen Kernwert hat die ESL indirekt ganz klar mit Dreck beworfen. Das muss man in meinen Augen schon so hart formulieren."

Etwas moderater gab sich Lauer, der außer aller Kritik eine Chance sieht: "Der eSport ist auch dafür bekannt, neu zu sein und zu resetten." So könne man Saudi-Arabien die Möglichkeit geben, sich durch den eSport zu entwickeln. Eine zweischneide Angelegenheit für den Berliner, der davor warnte, auch engagierte Bürger vor Ort vorschnell in Schubladen einzuordnen: "Es gibt dort Leute, die hart für Gleichberechtigung kämpfen und die wir ausschließen, wenn wir uns von vornherein verschließen." Es sei fraglich, ob dies "unser Recht als eSport" sei. 

Vorverurteilungen vermeiden

Auch Schöber gab zu bedenken, dass nicht die bloße Herkunft der Übernahme problematisch sei. Hätte es sich beispielsweise um "ein saudisches Privatunternehmen, einen saudischen Breitensportverein oder eine saudische Version der ESL" gehandelt, wäre er weitaus weniger kritisch. Doch es handle sich eben nicht um "irgendwas saudi-arabisches, sondern die saudi-arabische Regierung".

Weshalb auch Lauer nicht umhin kam, die Hintermänner des Geschäfts anzuzweifeln: "Mit welchem Paket wird dort angekommen? Das ist der Staatsfond. Da muss man einfach nur ein bisschen googlen und nicht Politikwissenschaften studiert haben, um zu verstehen, woher die Gelder kommen." 

Dennoch blieb Lauer bei seiner zweigeteilten Haltung. Er stünde "immer noch dazwischen": "Auf der einen Seite will ich an das Gute denken, auf der anderen Seite bleibt die Frage, wo das alles herkommt."

Wie auch die Frage danach, wo das alles hinführen soll. Ob es Saudi-Arabien um das diversifizieren der eigenen Wirtschaft, einen weiteren Draht zum Westen, (e)Sportswashing oder etwas vollkommen anderes geht, bleibt offen. Einen Wunsch hat Schöber auf jeden Fall für die Zukunft: "Es ist alles Teil des politischen Spiels, aber ich fände es problematisch, wenn in diesem politischen Spiel beispielsweise Frauenrechte in den Ring geworfen werden."

Matti Jansen

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ESL-Verkauf an Saudi-Unternehmen: Ist die Vielfalt und Gleichberechtigung in Gefahr?

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