Champions League

Auswärtstorregel gekippt: Erst sinnvoll, dann bizarr

Die gekippte Auswärtstorregel

Erst sinnvoll, dann bizarr - und letztlich nicht hilfreich

Das vorerst letzte Champions-League-Duell, das via Auswärtstorregel entschieden wurde: Bayern schied im Viertelfinale nach einem 2:3 zuhause und einem 1:0 in Paris aus.

Das vorerst letzte Champions-League-Duell, das via Auswärtstorregel entschieden wurde: Bayern schied im Viertelfinale nach einem 2:3 zuhause und einem 1:0 in Paris aus. Getty Images

Wenn man mit Personen Fußball schaut, die von diesem tollen Sport nicht so viel Ahnung haben, kann es schon mal zu folgender Situation kommen: Die Auswärtsmannschaft im Europacup erzielt ein Tor, sagen wir das 1:0 aus ihrer Sicht, und daran schloss sich die Frage an: "Führen die jetzt 2:0?" Ungläubiger Blick. "Du hast doch gesagt, Auswärtstore zählen doppelt." Das hat man nun davon. Also, noch mal den Resetknopf. In dem Sinne haben sie natürlich nie doppelt gezählt, aber klar: Team A gewinnt daheim 2:1, verliert aber auswärts bei Team B 0:1 - dann war es das für Team A.

Das war, knapp erklärt, die Auswärtstorregel. 1965 eingeführt, damals aus vielleicht gutem Grund. Reisestrapazen, Platzverhältnisse - der Heimvorteil war größer als heute, dem Auswärtsteam wurde ein kleiner Vorteil verschafft. Aber eigentlich auch die Verpflichtung auferlegt, in der Fremde nicht zu mauern. Ein Gedanke also, der den Offensivgeist fördern sollte, und das ist erst mal nichts Verwerfliches.

Der Höhepunkt der Absurdität war 2003 erreicht

Bizarr wurde es allerdings vor allem dann, wenn diese Regelung auch zwischen der 90. und 120. Minute griff. Denn in der Verlängerung hatte die Auswärtsmannschaft des Rückspiels einen nicht mehr zu egalisierenden Vorteil: 30 Minuten mehr Zeit für wie viele Auswärtstore auch immer. Unfair.

Und der Höhepunkt der Absurdität war 2003 erreicht, als sich Inter Mailand und AC Mailand im Europacup in kurzer Zeit zweimal im selben Stadion gegenüberstanden, sich 1:1 und 0:0 trennten, Milan aber durch das "Auswärtstor" weiterkam. Glückwunsch.

Was aber ist mit dem Offensivgedanken? Na ja, auch das hat sich relativiert. Denn in dem Maße, in dem sich Auswärtsteams dazu aufgerufen fühlen, nun unbedingt in fremden Arenen zu treffen, verteidigen eben auch Heimteams ihr eigenes Gehäuse. Auch das dürfte nun der Vergangenheit angehören. Offenes Visier, weniger taktieren, mehr Fußball. Denn diese Regel ist aus dem Kopf verbannt.

Nur 14,4 Prozent aller Europacup-K.-o.-Duelle entschied die Auswärtstorregel

Werden wir sie vermissen? Emotional nicht, faktisch eigentlich auch nicht so sehr. Denn nur in 14,4 Prozent aller Europacup-K.-o.-Duelle seit 1965 fand sie überhaupt Anwendung. Weitere 3,3 Prozent kamen in der Verlängerung hinzu. Überschaubar also. Aber irgendwie spielte sie doch immer mit, spukte in den Gedanken, bestimmte Strategien für Hin- und Rück-, Heim- und Auswärtsmatches.

Vielleicht wird es für den einen oder anderen Klub gar nicht so einfach, sich auf das Neue einzustellen. Aber die Abschaffung der Regel bedeutet eine Annäherung zu den Wurzeln des Spiels. Und das ist, gerade in aufgeregten Zeiten wie diesen, schon mal nicht schlecht.

Thomas Böker

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