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Eine Art Kamel und dessen "persönliche Probleme"

Legendäre wie unschöne Szenen zwischen Völler und Rijkaard

Eine Art Kamel und dessen "persönliche Probleme"

Kein schönes, aber eines der bekanntesten Fotos der WM-Geschichte: Frank Rijkaard spuckt 1990 Rudi Völler an.

Kein schönes, aber eines der bekanntesten Fotos der WM-Geschichte: Frank Rijkaard spuckt 1990 Rudi Völler an. picture-alliance

Die Definition bei Wikipedia trifft in manchen Teilen genau zu, in anderen wiederum gar nicht. "Das Lama" (Lama glama), heißt es dort, "ist eine Art der Kamele." Gut, dem werden viele deutsche Fußballfans zustimmen. "Es erreicht eine Schulterhöhe von 110 bis 120, manchmal sogar bis 130 Zentimeter und ein Gewicht von 120 bis 150 Kilogramm."

Dies jedoch passt in diesem Fall absolut nicht; die Größe liegt bei 190 Zentimetern, und während der aktiven Zeit zeigte die Waage 87 Kilogramm an. "Im Gegensatz zu den Altweltkamelen (Dromedar und Trampeltier) haben Lamas keinen Höcker." Richtig. "Wenn Lamas sich belästigt fühlen, spucken sie den Störer an. Dabei beweisen sie eine erstaunliche Treffsicherheit." Hier trifft die Beschreibung auch ins Schwarze, um dann wieder voll danebenzugehen: "Normalerweise werden nicht Menschen Opfer solcher Attacken." Doch, bitte schön, was war mit Rudi Völler?

Eine Sperre für nichts

Seit dem 24. Juni 1990 wird Frank Rijkaard in Deutschland allgemein nur noch "Lama" genannt. Seinen Spitznamen hat er sich redlich verdient, in der 19. Minute des WM-Achtelfinales Deutschland gegen Holland. Ein traditionell emotionsgeladenes Duell, das 75.000 Zuschauer live im Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadion verfolgen, 27 Millionen Fans sitzen allein in Deutschland vor den Fernsehgeräten.

Sie alle müssen fassungslos mit ansehen, wie Rijkaard zunächst Rudi Völler foult, dafür die Gelbe Karte sieht, und dann, vermeintlich nicht im Blickfeld des argentinischen Schiedsrichters Juan Carlos Loustau, dem Deutschen voll in die dunkelblonde Lockenpracht spuckt. Widerlich.

Krieg, Lama, nackte Mädchen: Geschichte einer Rivalität

Völler bleibt relativ gelassen, beschwert sich aber beim Unparteiischen und sieht dafür ebenfalls Gelb. Doch urplötzlich greift Senor Loustau noch einmal zur Karte, diesmal der Roten, und schickt mit einem gnadenlosen Rundumschlag beide Spieler vorzeitig zum Duschen. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, darin war sich ganz Fußball- Deutschland einig; immerhin wurde die Wut darüber durch die Freude über den 2:1-Endstand für Deutschland, den Einzug der Nationalelf ins Viertelfinale, leicht gemindert.

Schlimme Nachbereitung durch die FIFA

Fast genauso schlimm kam es jedoch in der Nachbereitung des Vorfalls. Das Sportgericht der FIFA sperrte Völler für ein Spiel, das Viertelfinale gegen die Tschechoslowakei (1:0), obwohl dieser ebenso offensichtlich wie nachweislich frei von jeder Schuld war. Der Deutsche reiste eigens nach Rom an, wurde aber dann dort noch nicht einmal angehört. "Das war eine furchtbare Ungerechtigkeit. Wenn du etwas angestellt hast, okay. Aber da war von meiner Seite nichts, gar nichts", beteuerte der Stürmer immer wieder.

Das war eine furchtbare Ungerechtigkeit. Wenn du etwas angestellt hast, okay. Aber da war von meiner Seite nichts, gar nichts.

Rudi Völler

Rijkaard: "Ich hatte persönliche Probleme"

Frank Rijkaard entschuldigte sich später in einem Brief mit den Worten: "Ich hatte persönliche Probleme und ging besonders gereizt in dieses Spiel. Das musste sich entladen. Ich kann es leider nicht ungeschehen machen. Jeder Mensch macht Fehler." Die beiden Weltstars begegneten sich später noch mehrfach und beteuerten ebenso häufig öffentlich ihre Versöhnung; einmal ließen sie sich sogar für den Werbespot einer holländischen Molkerei gemeinsam am Frühstückstisch ablichten. "Mit echter Butter bekommen sie jeden an die gemeinsame Tafel", lautet der dazugehörige Spruch.

So bekam die Spuckattacke des Lamas Frank Rijkaard sogar noch eine soziale Komponente. "Denn die Gage", sagt Rudi Völler, "ging an die deutsche Mexikohilfe."

Diese Story erschien erstmals in der kicker-Sonderedition "Unvergessene Momente" (2011)

Thomas Roth