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Eine ganz große Nummer: Der Cricket World Cup

Eine Einschaltquote von 1,5 Milliarden Menschen beim Finale erwartet

Eine ganz große Nummer: Der Cricket World Cup

Der Cricket World Cup lockt tausende Menschen für die nächsten sechs Wochen in die Stadien.

Der Cricket World Cup lockt tausende Menschen für die nächsten sechs Wochen in die Stadien. IMAGO/ZUMA Wire

Erst Fußball, dann Cricket! In Indien findet seit Donnerstag die Weltmeisterschaft in der Sportart statt, die als die zweitgrößte der Welt gilt. Insgesamt stehen bis zum 19. November 45 Vorrunden- und drei Finalrundenspiele an. Qualifiziert haben sich zehn Nationen, darunter mit England und den Niederlanden zwei aus Europa. Der Cricket World Cup ist die Weltmeisterschaft im Ein-Tages-Cricket der Männer und die wichtigste Trophäe.

Viele kennen Cricket nur als unerklärbare, über Tage andauernde Sportart, in der nachmittags Tee serviert wird. Doch das ist beim kürzeren Spiel anders. Hier legt ein Team in seinem Schlag-Inning zum Beispiel 200 Punkte (Runs) vor, und der Gegner muss dann 201 Punkte nachlegen, um zu gewinnen. Aus diesem traditionsreichen Sport, dessen Ursprung bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, ist Baseball entstanden, die US-amerikanische Variante.

Religion? Cricket!

Buchmachern zufolge ist Indien Top-Favorit auf den WM-Titel. Dort ist Cricket mehr als ein Sport, es ist eine Religion. Ein Spieler wie Virat Kohli ist Nationalheld, er verdient rund 24 Millionen Euro jährlich. Hinzu kommen zahlreiche Werbeverträge, die ihn in die Top 10 der bestbezahlten Sportler weltweit katapultieren. Das hat schon sein Vorgänger Sachin Tendulkar erlebt, der in Indien in jedem dritten Werbespot als Testimonial aufgetaucht ist. Kein Wunder, bei Einschaltquoten allein beim Finale von rund 1,5 Milliarden Menschen, die auch bei dieser WM wieder erwartet werden.

Virat Kohli

Volksheld Virat Kohli in Aktion. IMAGO/Shutterstock

Aber auch in Australien gab es echte Stars à la Lionel Messi. Siehe Shane Warne: Der Mann mit den deutschen Wurzeln brachte einigen Glamour in die Cricket-Szene, als er mit Liz Hurley liiert war. Oder man nehme Imran Khan, den man als ehemaligen Premierminister von Pakistan kennt. Als er im Sommer wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet wurde, löste dies landesweite Proteste aus.

Doch zurück zur WM, bei der neben Indien auch Australien, Titelverteidiger England und Pakistan gute Chancen eingeräumt werden. Bei diesem Turnier muss in der Vorrunde jeder gegen jeden antreten, den Fans stehen somit sechs spannende Wochen bevor. Der internationale Cricketverband hat bei der vergangenen WM vor vier Jahren satte 13,7 Milliarden an Stunden gemessen, in denen die Menschen sich die Spiele angesehen haben. Wenn man mit einrechnet, dass in Indien oftmals Dutzende vor einem kleinen Bildschirm sitzen oder in Australien die Sportsbars überfüllt sind, kann man nur erahnen, wie viele Menschen die WM tatsächlich verfolgt haben.

Wenn am Samstag in der Vorrunde Pakistan und Indien aufeinandertreffen, werden wie bei der letzten WM rund 275 Millionen Menschen live mitfiebern. Die Rivalität dieser beiden Länder gerade im Cricket könnte größer nicht sein. Spiele wurden jahrelang in Dubai ausgetragen, weil die Stadien in Indien mit Panzern und Dutzenden Hundertschaften geschützt werden mussten. Doch Cricket trug auch schon zum Frieden in Kaschmir bei. Im Jahr 2005 vereinbarten Pakistans Machthaber Musharraf und Indiens Premierminister Singh bei einem Besuch eines Länderspiel die Waffenruhe und das Ende des Konflikts.

In Deutschland weiterhin Randsportart

In Deutschland hingegen ist Cricket alles andere als eine große Nummer, sondern eine Randsportart. Dabei wurde der "Deutsche Cricket und Fußball Verband" bereits am 17. Mai 1891 in Berlin gegründet und ist damit neun Jahre älter als der DFB. Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch verschwand das Spiel für lange Zeit von der deutschen Sportbühne. Erst in den 1980er Jahren waren es einige Engländer, Australier, Inder, Pakistaner und ein paar Deutsche, die es wiederbelebten. Der Deutsche Cricket-Bund wurde gegründet und wuchs langsam, aber stetig.

Vor rund acht Jahren änderte sich dies dann schlagartig, da machte die Sportart durch die Einwanderung von Hundertausenden Afghanen - auch dort ist Cricket Volkssport - einen gewaltigen Satz. Die Anzahl der Vereine von damals 60 verzehnfachte sich nahezu, heute betreiben rund 570 Vereine Cricket - ausschließlich auf Amateurebene. Nur in der deutschen Nationalmannschaft sind derzeit zwei Profis zu finden, die verdienen ihr Geld jedoch in England. Bei einer WM war Deutschland noch nie vertreten, aktuell wird das Nationalteam in der Weltrangliste auf Platz 34 geführt.

Wer hierzulande als Cricket- Begeisterter die WM verfolgen möchte, tut sich hart: Während sie nahezu überall auf der Welt übertragen wird, gibt es in Deutschland keinen einzigen Sender, der eines der quoten- reichsten Sportturniere der Welt zeigt. Noch nicht. Denn in Europa gibt es mittlerweile eine Champions League, die man in vielen Ländern live im Fernsehen verfolgen kann. Doch selbst wenn Darmstadt gegen Mailand antritt, zeigt kein deutscher Sender Bilder davon. Allerdings flimmern diese in Australien oder Indien vor einem Millionenpublikum über die TV-Schirme, sodass Interessierte hierzulande zumindest streamen können. Vielleicht springt ja der ein oder andere Sender doch noch auf den WM-Zug auf. Bis zum 19. November sind es noch einige Wochen.

Philipp Bächstädt