Nationalelf

WM 2022: DFB-Koch Schmaus: "Nahrungsaufnahme ist natürlich positionsbezogen"

Kulinarische Einblicke vor der WM in Katar

DFB-Koch Schmaus: "Nahrungsaufnahme ist natürlich positionsbezogen"

Herr über die Töpfe: DFB-Koch Anton Schmaus (mit Serge Gnabry).

Herr über die Töpfe: DFB-Koch Anton Schmaus (mit Serge Gnabry). picture alliance / GES/Markus Gilliar

Sie sind nun schon seit fünf Jahren der Koch beim DFB. Wie kam es überhaupt zu Ihrer Nominierung in den Kader? Bekamen Sie einen Anruf von Joachim Löw?

(lacht) Tatsächlich war es Kollege Zufall. Klaus Eder, der damalige Physiotherapeut der Nationalmannschaft, hat mich, nachdem Holger Stromberg aufgehört hat, ins Spiel gebracht und Oliver Bierhoff vorgestellt. Wir haben uns dann gemeinsam abgestimmt und den Confederations Cup 2017 als Testlauf genommen. Das hat ganz gut funktioniert und seitdem darf ich für die deutsche Nationalmannschaft kochen.

Thomas Müller, der ja sogar in ein veganes Unternehmen investiert hat, verriet neulich, dass in der Bayern-Kantine in den Soßen nicht mehr ein Halbpfund Butter drin ist, alles weniger fettig und zuckerreich ist. Stellen Sie fest, dass sich auch die Spieler heutzutage mehr mit Ernährung beschäftigen?

Absolut, das ist ein großes Thema geworden. Da ist viel passiert in den letzten Jahren. Diese Entwicklung finde ich auch richtig gut. In den Kantinen wird viel mehr darauf geachtet, was angeboten wird. Der Fokus geht auch mehr zur pflanzlichen Ernährung.

Undated photo of Education City stadium, in Doha, Qatar, where will be played some of the FIFA World Cup Qatar 2022 games. Photo by SCDL-Balkis Press/ABACAPRESS.COM

WM 2022: Education City Stadium - Katars Diamant im Portrait

alle Videos in der Übersicht

Sind bei den Nationalspielern Vegetarier oder Veganer dabei?

Es gibt keine hundertprozentigen Veganer. Aber es gibt natürlich Spieler wie Thomas Müller, die sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen und regelmäßig vegane Tage einlegen.

Was ist dabei aus ihrer Sicht besonders zu beachten, um einer Mangelernährung vorzubeugen?

WM 2022

Wenn man sich komplett vegan ernährt, würde ich schon sagen, dass bestimmte Dinge wie Vitamin B12 oder auch Folsäure supplementiert werden müssen. Wenn ich aber nur zwei vegane Tage in der Woche habe und die restliche Zeit normale Mischkost zu mir nehme, muss nicht supplementiert werden.

Jetzt stehen Sie vor einer besonderen Herausforderung mit dem Turnier in Katar. Sie hatten zuletzt schonmal durchblicken lassen, dass die Vorbereitungen für das Turnier schon seit Monaten laufen. Wie kann man sich das vorstellen?

Ich war natürlich schon vor Ort und habe mir alles angeschaut, denn es ist auch für das Hotel eine spezielle Situation und eine Umstellung. Da kommt eine Gruppe von 80 Leuten, die vier Mal am Tag essen. Da muss der Speiseplan natürlich abgestimmt werden. Wie viel wird gegessen? Es geht darum, eine Einschätzung über den Warenverbrauch zu bekommen. Thema dabei ist natürlich auch: Was bekomme ich vor Ort und was nicht? Welches Gemüse ist gut verfügbar, was gibt es nicht? Was gibt es für eine Auswahl an Fleischmöglichkeiten? Welcher Fisch wird angeboten? Wie oft kommen Ware und Lieferungen ins Hotel? All diese Fragen muss ich natürlich beantworten und im Vorfeld abstimmen.

Haben Sie schon Probleme ausmachen können?

Tatsächlich ist Katar kulinarisch relativ unproblematisch, weil dort viel importiert wird. Katar produziert relativ wenige Lebensmittel selbst. Man bekommt eigentlich fast alles, wir müssen es im Vorfeld allerdings abstimmen.

Die Spieltage sind sehr ritualisiert, da wird kein Spieler Experimente eingehen und auch das Team Küche nicht.

DFB-Koch Anton Schmaus

Wie groß ist denn die kulinarische DFB-Mannschaft?

Wir sind insgesamt zu dritt. Meine Kollegen Stephan Meßner, Felix Markwardt und ich kümmern uns um das Setting. Aber wir werden natürlich vom Team vor Ort im Hotel noch unterstützt.

Haben sie Besonderheiten bei der Ernährung wegen des Wüstenklimas zu beachten?

Eigentlich nicht, aber die Umstellung von Winter auf Sommer wird für die Spieler anstrengend sein. Neben dem Temperaturunterschied belasten ein langer Flug und die Zeitumstellung (zwei Stunden, Anm. d. Red.). Am Anfang wird dadurch das Immunsystem mehr belastet. Die Situation kennen wir ja alle: Wenn wir einen Trip hinter uns haben, ist das nicht ganz ohne für den Körper. Deshalb müssen wir das Immunsystem der Jungs stärken. Darauf legen wir am Anfang den Fokus. Wichtig ist natürlich auch, dass die Spieler ausreichend hydriert sind. Wir müssen aufpassen, dass sich alle ausreichend mit Wasser versorgen, weil das Klima anders ist und die Umstellung von der Kälte in die Wärme hinzukommt.

WM 2022

Unterscheidet sich die Ernährung an Spieltagen von den restlichen Tagen?

Selbstverständlich. Die Spieltage sind sehr ritualisiert, da wird kein Spieler Experimente eingehen und auch das Team Küche nicht. Da gibt es die Klassiker: Von der Pasta angefangen, zum pochierten Fisch bis zum Milchreis und Grießbrei. Da werden wir nicht aus unserem bewährten System ausbrechen. 
Im Trainingsbetrieb ist das etwas ganz anderes. Vor dem ersten Spiel werden wir einige Hochleistungseinheiten haben, da müssen wir die Spieler sehr gut mit Kohlenhydraten und Proteinen versorgen. Die Versorgung mit Kohlehydraten ist immer wichtig, an den Tagen mit mehreren harten und intensiven Trainingseinheiten aber noch einmal besonders.

In dem Zeitfenster von 90 Minuten nach der Belastung muss auf jeden Fall eine Kohlehydrataufnahme erfolgen. Sie findet schon in der Kabine statt.

DFB-Koch Anton Schmaus

Wird in der Kabine noch die klassische Banane gereicht?

Ja, klar. Ob die Spieler sie dann nehmen oder nicht, ist natürlich die andere Frage. Auch die Ernährung in der Kabine ist sehr individuell.

Was ist nach dem Spiel wichtig? Wird da noch in der Kabine gefuttert?

In dem Zeitfenster von 90 Minuten nach der Belastung muss auf jeden Fall eine Kohlehydrataufnahme erfolgen. Sie findet schon in der Kabine statt und kann auch flüssig sein. Beispielsweise stellen wir Hafershake, Reis oder Pasta zur Verfügung.

Gibt es das Siegerbier nach dem Spiel noch oder ist das mittlerweile ein No-Go?

Wir reden hier ja über ein Turnier und nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Nach vier Tagen steht die nächste Partie an. Es gibt eigentlich nur eine Regenerationsphase von zwei Tagen, dann ist wieder Abschlusstraining. Bei diesem Rhythmus stellt sich die Frage gar nicht.

Wie eng ist da auch die Zusammenarbeit mit Ernährungsberatern? Gibt es da klare Ansagen, was erwartet wird?

Wir stimmen uns natürlich ab, was ich wahnsinnig wichtig finde. Ich bin mit Ernährungsberaterin Mona Nemmer oft im Austausch. Im engeren Sinne habe ich aber keine Vorgaben. Es ist einfach ein gutes Miteinander. Ich bin froh, dass ich solche Fachleute habe und mir dort Feedback holen kann.

Haben die Spieler eigentlich ein Mitspracherecht und dürfen Wünsche vorbringen?

Sie können ihre Wünsche schon vorbringen, ob ich es dann mache, ist etwas anderes (lacht). Wir haben bei diesem Turnier wenig Luft. In der Vorbereitung haben wir nicht einmal ein richtiges Trainingslager. Da bleibt kaum Raum für Außerplanmäßiges. Bei einer längeren Vorbereitung lässt sich eher mal etwas außer der Reihe machen. Wenn man länger unterwegs ist, kann es schon sein, dass wir etwas Regionales wie Maultaschen einbauen. Aber im Großen und Ganzen wird der Plan eingehalten.

Gibt es denn ein Essen, das jeden Tag angeboten wird?

Pasta bieten wir immer an, weil es für die Jungs wichtig ist. Das ist aber wirklich das einzige Gericht, was es immer am Buffet gibt. Alle anderen Speisen wechseln sehr regelmäßig.

Gibt es Nutella zum Frühstück?

Ich glaube, das gibt es schon ewig nicht mehr (lacht).

Gibt es positionsbezogenes Essen? Also isst der Torhüter anders als der Linksaußen?

Die Nahrungsaufnahme ist natürlich positionsbezogen. Jemand, der eine laufintensive Position hat, muss auch mehr zu sich nehmen. Aber natürlich kommt es auch auf den individuellen Spieler an.

Was ist eigentlich ihr persönliches Lieblingsessen?

Ich liebe die italienische Küche in allen Ausprägungen und Formen.

Was steht beim WM-Titel auf der Speisekarte oder reichen dann Getränke?

Die Frage stelle ich mir natürlich auch, komme aber immer wieder zum gleichen Schluss: Was auch immer ich koche, es wird in dem Moment egal sein. Und wer würde es den Jungs verdenken …

Interview: Tobias Rudolf

Diese Spieler verpassen die WM