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Der vergessene Tod des Samuel Okwaraji

Ex-Klagenfurter starb vor 32 Jahren auf dem Fußballplatz

Der vergessene Tod des Samuel Okwaraji

Samuel Okwaraji (m.) während seiner Zeit in Deutschland.

Samuel Okwaraji (m.) während seiner Zeit in Deutschland. imago sportfotodienst

Besian Idrizaj galt weithin als Supertalent, als er mit 16 Jahren beim LASK in der 2. Liga debütierte und bald darauf zum FC Liverpool wechselte. 2008 war der Offensivspieler an Wacker Innsbruck verliehen, als er im Spiel gegen Sturm Graz bewusstlos zusammenbrach. Da der Vorfall nicht auf eine Herz-, sondern auf eine Virus-Erkrankung zurückgeführt wurde, konnte er seine Karriere fortsetzen.

Im Mai 2010 stand der 22-Jährige bei Swansea City unter Vertrag, als er in seinem Elternhaus in Linz an einem Herzinfarkt starb. Seine Rückennummer 40 wird von dem walisischen Verein seither nicht mehr vergeben. Als Swansea ein Jahr nach Idrizajs Tod über die Playoffs in die Premier League aufstieg, trugen alle Spieler T-Shirts mit seinem Porträt und Namen aufgedruckt.

Die Klagenfurt-Saison des "Dr. Okwarati"

Die Erinnerungen an den zweiten Bundesliga-Fußballer, der so tragisch sein Leben verlor, sind hierzulande lange verblichen. Selbst unter seinen ehemaligen Mitspielern beim SK Austria Klagenfurt erinnert man sich nur noch vage daran, dass es nach Publikumsliebling Kassim Ramadhani, berühmt für sein "Fallrückzieher-Tor des Jahres 1983", in der Saison 1986/87 noch einen zweiten afrikanischen Spieler in ihren Reihen gab.

Eigentlich hieß er Samuel Okwaraji, in Österreich bekannt war der Nigerianer aber als Dr. Okwarati. Tatsächlich soll der damals erst 23-Jährige bereits mit einem Masters-Abschluss in Internationalem Recht von der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom nach Klagenfurt gekommen sein.

Post an die "Green Eagles"

Bereits als Halbwüchsiger war der Halbwaise zur schulischen Ausbildung nach Rom geschickt worden, fußballerisch hatte er während seines Studiums angeblich das Indoor-Team der AS Roma verstärkt, ehe er 1986 über Dinamo Zagreb, wo er nur ein Meisterschaftsspiel bestritt, nach Klagenfurt kam. Für die dortige Austria erzielte der Mittelfeldspieler in 27 Bundesliga-Spielen ein Tor, im Cup gelang ihm beim 3:1-Sieg in Kapfenberg ein Doppelpack. Das reichte, um für die nächste Saison einen Vertrag beim VfB Stuttgart zu bekommen, der ihn allerdings gleich an den SSV Ulm in die zweite Liga weiter verlieh.

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Das Google Doodle zu Ehren Samuel Okwarajis. google.com

Dort muss er mit fünf Saisontoren schnell zum Liebling der Ulmer Fans aufgestiegen sein. Jedenfalls fühlte er sich nun gut genug, um auch für die "Green Eagles", super waren sie damals noch nicht, zu spielen. Er schrieb Briefe an den Verband, die nie beantwortet wurden. Erst bei einem Besuch in der Heimat, wo er sich bei einem Klub in Port Harcourt fit hielt, traf er zufällig auf den neuen Verbandschef, der seine Briefe in einer Lade gefunden und gelesen hatte. Der beobachtete ein Training und lud ihn sofort für das Olympia-Qualifikationsspiel gegen Algerien ein. Sam machte ein gutes Spiel - und fuhr prompt mit Nigeria zu Olympia 1988 nach Seoul.

Herztod im WM-Qualifikationsspiel

Im selben Jahr war er mit den "Green Eagles" bereits ins Finale des Afrika-Cups eingezogen, wo sie Kamerun knapp 0:1 unterlagen. In der Gruppenphase hatte Nigeria den "Unzähmbaren Löwen" noch ein 1:1 abgerungen, Nigerias Führungstor hatte Okwaraji erzielt, für den Ausgleich Kameruns hatte Roger Milla gesorgt. Gemeinsam mit Stephen Keshi und Rashid Yekini wollte Sam, der mit seinem aufopferungsvollem Spiel bald zum Fanliebling geworden war, sein Team nun auch noch zur ersten WM-Teilnahme 1990 schießen. Und da passierte es. Das Nationalstadion von Lagos war hoffnungslos überfüllt, als am 12. August 1989 ein Pflichtsieg über Angola eingefahren werden sollte.

Nigeria machte nicht sein bestes Spiel, führte aber mit 1:0, als in der 77. Minute Samuel Okwaraji zusammensackte. Samson Siasia war der Erste, der bei ihm war. Geschockt vom Anblick seines Mitspielers rief er den Teamarzt um Hilfe. Während Sam mit der Tragbahre vom Spielfeld gebracht wurde, mussten ein paar Ballbuben erst den Krankenwagen in Schwung bringen. Die Hilfe kam zu spät. Samuel Okwaraji starb noch in der selben Nacht. Bei der Obduktion wurde ein vergrößertes Herz festgestellt. Statt Nigeria fuhr Kamerun zur WM und sorgte dort nicht zuletzt dank Roger Milla für Furore.

Als Patriot verehrt

In Nigeria aber vergeht seither kein 12. August, an dem des tragischen Todes von Samuel Okwaraji nicht gedacht wird. Die Verehrung für ihn scheint sich von Jahr zu Jahr noch zu steigern, die Mythen um den Nationalheld sprießen. Längst gilt er als der patriotischste Spieler Nigerias aller Zeiten. Ist er doch der einzige, der im Nationaltrikot für sein Land gestorben ist. Seit 2009 erinnert eine Büste im Nationalstadion von Lagos an den Fußballer.

Am 19. Mai 2019 ehrte Google ihn an seinem 55. Geburtstag mit einem Google Doodle. Dank des bunten Bildchens, das bei jedem Besuch der Suchmaschine erschien (und das noch keinem anderen Bundesliga-Spieler gewidmet wurde), lernten an diesem Tag Millionen Menschen auf der ganzen Welt Samuel Okwaraji kennen. Nur in Österreich soll er ganz vergessen sein?

Horst Hötsch