Champions League

David Silva verlässt Manchester City: Der letzte Auftritt des Magiers

Über den Mann, der Pep Guardiola eines Besseren belehrte

David Silva verlässt ManCity: Der letzte Auftritt des Magiers

Applaus, Applaus: Sein letztes Premier-League-Spiel für Manchester City absolvierte David Silva vor leeren Rängen.

Applaus, Applaus: Sein letztes Premier-League-Spiel für Manchester City absolvierte David Silva vor leeren Rängen. imago images

Sie haben gewissermaßen eine Schwäche für kleine, dribbelstarke Linksfüßer bei Manchester City, das eigentlich ein Traditionsverein ist und trotz umstritten erlangtem Neu-Reichtum auch schon ganz andere Zeiten erlebt hat. Giorgi Kinkladze hieß der rotzfreche Georgier, der Mitte der 1990er Jahre einen Hauch von europäischer Extraklasse an die Maine Road brachte und dem Verein auch in der zweiten Liga die Treue hielt.

An Kinkladze mussten sich jahrelang alle internationalen Neuzugänge messen lassen, irgendwann auch die teuren und weltmännischen, so teuer und weltmännisch sie auch waren. Und selbst als sich der Erfolg einstellte: Tore hin, Titel her - erreicht wurde der Georgier auf seine Weise nie. Das könnte sich nun geändert haben.

Shearer verwechselt ihn mit David Villa

Obwohl David Silva 2008 bereits Europameister geworden war und 2010 als frischgebackener Weltmeister aus Valencia in den blauen Teil Manchesters, damals in potenter Aufbruchsstimmung, wechselte, hielt "Sky Sports"-Experte und Premier-League-Rekordtorschütze Alan Shearer den 24-Millionen-Euro-Einkauf zunächst fälschlicherweise für Namensvetter David Villa.

Giorgi Kinkladze

Kultspieler an der Maine Road: Giorgi Kinkladze begeisterte die Citizens in den 1990er-Jahren. imago images

Der damals 24-jährige Silva war auf der Insel für viele ein unbeschriebenes Blatt, wobei Laien sich irrten, wenn sie seine Zurückhaltung für schüchterne Unsicherheit hielten. Interviews, die Silva führen soll, um sich beim breiten Publikum etwas bekannter zu machen, lehnt er ab. Er ist Fußballer und macht auch nur als solcher von sich reden. Und es dauerte nicht lange, bis auch Shearer und Co. keinen Spieler mehr fanden, mit dem sie den kleinen Magier verwechseln konnten.

Schlüsselspieler beim ersten Titel seit 44 Jahren

Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten setzte sich Silvas gern übersehene, aber unbestreitbare Extraklasse unweigerlich durch. Der Linksfuß entpuppte sich als einzigartiger Raumdeuter, der in die Räume, die andere erst später oder gar nicht sehen, aber nicht etwa wie ein Thomas Müller vorstößt - Silva spielt zentimetergenaue, perfekt temperierte Pässe hinein. Häufig ist ein solcher Silva-Pass der vorletzte vor einem Tor, 17-mal ist es auch der letzte, als City 2011/12 nach 44 Jahren Abstinenz wieder englischer Meister wird.

Der inzwischen 34-Jährige ist aber mitnichten nur körperloser Schönspieler. So einer setzt sich nicht über zehn Jahre in der Premier League durch. Mit 18 war Silva, der aus der Jugend des FC Valencia kam, nach Eibar verliehen worden, wo damals ein sehr, sehr rauer Fußball gespielt wurde. Dort lernt "El Mago", der Magier, in den körperlich intensiven Trainingseinheiten, mit einer gewissen Physis und Härte zurechtzukommen. Silva ist keiner, der im Zweikampf zurückzieht. Die Zweifler verstummten dennoch nicht.

Auf engem Raum habe ich noch nie einen Spieler wie ihn gesehen.

Pep Guardiola

Zu diesen Zweiflern, die Silva meist für zu schmächtig, langsam oder schüchtern für die Premier League hielten, zählte auch sein aktueller Trainer, ein gewisser Pep Guardiola - bis er mit Silva arbeitete. "Ja, ich gehörte auch dazu", gab der Katalane voriges Jahr zu. Er habe gedacht, dass Silva als Techniker in England "straucheln" würde. "Aber zum Glück habe ich mich geirrt."

Silva sei "ein Wettkämpfer, ein Gewinner", adelt Guardiola seinen auf Gran Canaria geborenen Landsmann mit asiatischen Wurzeln: "Man merkt, dass er den Fußball auf der Straße gelernt hat. In Trainingseinheiten, wo es nur einen Gewinner geben kann, wirkt er geradezu bedrohlich." Nach vier Jahren intensiver Zusammenarbeit muss Guardiola, der bekanntlich auch einen Lionel Messi trainierte, fasziniert feststellen: "Auf engem Raum habe ich noch nie einen Spieler wie ihn gesehen."

Viermal feierte der spanische Linksfuß mit ManCity die englische Meisterschaft: 2012, 2014, 2018 und 2019.

Viermal feierte der spanische Linksfuß mit ManCity die englische Meisterschaft: 2012, 2014, 2018 und 2019. imago images

Kein City-Akteur ist erfolgreicher

Es ist meist der Raum, aus dem das gefährliche Angriffsspiel eines der besten Klubs der vergangenen Jahre entsteht. Seit 2010 zählt Silva - einst heimlich, inzwischen ziemlich offensichtlich - zwischen den gefeierten Vincent Kompany oder Sergio Aguero zu den absoluten Herzstücken der "Skyblues", deren Trikot noch kein erfolgreicherer Spieler trug. Vier Meisterschaften, zwei Pokalsiege, fünf Ligapokalsiege - und zum krönenden Abschluss die im ganzen Verein so heiß ersehnte Champions League?

Silvas Denkmal ist bereits errichtet, ob es zum Abschluss tatsächlich den Henkelpott gibt oder nicht. Das zementiert sich besonders in der Anerkennung derer, die nicht mit ihm zusammengespielt haben: "Er ist überall auf dem Platz, absolut hochbegabt und hat eine fantastische Einstellung", lobt Liverpool-Trainer Jürgen Klopp, für Arsenal-Legende Thierry Henry ist Silva "der beste kreative Mittelfeldspieler, den wir in dieser Liga hatten".

Und bei "Sky Sports" beschwört diesmal Graeme Souness, der in Liverpools Mittelfeld der 1980er-Jahre mit Magie und Eleganz nicht allzu viel am Hut hatte: "Ich habe City länger gesehen als die meisten von euch. Und ich denke, dass er der beste Spieler ist, den ich je in einem ManCity-Trikot gesehen habe."

The players' player - Ein Pakt zur eigenen Sicherheit

Welche Stellung der absolute Teamplayer in den eigenen Reihen hat, veranschaulicht auch eine Szene aus der Amazon-Doku "All or Nothing". Sie zeigt, wie Guardiola seine Mannen vor einem Ligaspiel gegen Tottenham frenetisch einschwört, für Silva, der wegen der frühzeitigen Geburt seines Sohnes Mateo nach Spanien flog, "zu leiden, zu genießen und zu gewinnen". Die Kollegen rieben sich spürbar auf und siegten souverän mit 4:1, Torschütze Kevin De Bruyne formte mit seinen Händen eine zwei und eine eins - für Silvas Rückennummer 21.

Eine amüsantere Anekdote verriet Silvas ehemaliger ManCity-Kollege Micah Richards dem "Guardian": Beide schlossen einen Pakt, dass sie sich im Training aus dem Weg gehen würden - damit der raubeinige Richards Silva nicht verletzt, aber auch nicht vom Magier bloßgestellt wird.

David Silva, Pep Guardiola

Trainer und Bewunderer: Pep Guardiola lernte David Silva in Manchester schätzen. imago images

Guardiola verspricht Silva Standing Ovations

Gegen Ende seiner Dekade in Himmelblau hat Silva, den Guardiola zum Kapitän und trotz eines De Bruyne endgültig zum Epizentrum seines Spiels machte, noch einmal vom Allerfeinsten gezaubert, besonders mit zwei herrlichen Freistoß-Treffern gegen Newcastle und Bournemouth. Der letzte Gang vom Feld als "Citizen" wird kein würdiger sein, da ist die Pandemie unerbittlich. Einer, der sich selbst als "Glückspilz" bezeichnet, erhielt die "kleinsten Standing Ovations aller Zeiten - er wird aber noch die bekommen, die er verdient", verspricht Trainer und Bewunderer Guardiola.

David Silva wird seine Karriere fortsetzen, vielleicht ja bei Lazio Rom - an die Trikotfarbe müsste er sich nicht gewöhnen. Das große Erfolgskapitel bei Manchester City geht aber zu Ende. "Wenn ich auf diese zehn Jahre zurückblicke, das hätte ich mir nie vorstellen können, nicht einmal in meinen kühnsten Träumen", sagt der Fußballer, dessen Vorstellungsgabe auf dem Feld ihn zu dem machte, der Giorgi Kinkladze in den Augen vieler Citizens tatsächlich beerben könnte. Und vielleicht verwirklicht der Magier zum Abschied auch ihren kühnsten Traum.

Niklas Baumgart

Die internationalen Trikots für die Saison 2020/21