Champions League

Chelseas Kepa: Das teuerste Torwartproblem der Welt

Warum Kepa vielleicht nie mehr für Chelsea spielen wird

Das teuerste Torwartproblem der Welt

Als Nummer 2 die Nummer 1: Kepa, der teuerste Torhüter der Welt, ist gerade auch der teuerste Ersatzmann der Welt.

Als Nummer 2 die Nummer 1: Kepa, der teuerste Torhüter der Welt, ist gerade auch der teuerste Ersatzmann der Welt. picture alliance

Frank Lampard ist erst seit zwei Jahren im Trainergeschäft, aber die wichtigsten verbalen Kniffe hat er natürlich längst raus. Was entgegnet man also auf die Frage, welchen Torhüter man aufzustellen gedenke, und man eigentlich antworten müsste: "Irgendeinen muss ich ja leider nehmen"?

"Es ist eine schwierige Entscheidung, weil im Kader Konkurrenzkampf herrscht", sagte der Trainer des FC Chelsea vor dem FA-Cup-Finale gegen Arsenal hochprofessionell. Dann stellte er Willy Caballero auf.

Kepa erhielt einen Siebenjahresvertrag - heute ist fast jeder zweite Ball drin

Der Argentinier mit der zeitlosen Glatze hat immerhin schon für Manchester City und die Nationalmannschaft gespielt, und trotzdem hätte man sich das im Sommer 2018 mal vorstellen müssen: Da holt Chelsea für 80 Millionen Euro Torhüter Kepa, macht ihn allein durch die Ablösesumme und den Siebenjahresvertrag auf Jahre zur Nummer 1 - und dann stellt der Trainer zwei Jahre später einmal mehr lieber Caballero auf, der im September 39 Jahre alt wird.

Was ist nur passiert mit dem teuersten Torwart der Welt?

Dass ausländische Torhüter sich erst einmal in der Premier League zurechtfinden müssen, ist nicht bloß ein Vorurteil. Doch während sich andere irgendwann steigerten (z.B. Ederson bei Manchester City), scheint Kepa dramatisch abzubauen. In der abgelaufenen Premier-League-Saison wehrte er statt 74,3 nur noch 54,5 Prozent der Schüsse auf sein Tor ab, der schlechteste Wert der Ligahistorie, angeblich sogar der schlechteste in Europas fünf Topligen. Fast jeder zweite Ball ist drin.

Gezählt wird sogar, bei wie vielen Gegentoren sich Kepa gar nicht bewegt

Gemäß der zu erwartenden Gegentore - gemessen anhand der Qualität der gegnerischen Chancen - hätte er laut "Opta" 32,4 Treffer kassieren müssen; stattdessen waren es 43. Eine solche Diskrepanz wies kein anderer Premier-League-Keeper auf. Und sogar mit seinen Füßen, die so gefühlvoll sein sollen, dass "er im zentralen Mittelfeld spielen könnte", wie Ex-Chelsea-Keeper Rob Green einmal sagte, zeigte Kepa zuletzt Schwächen; seine Passquote sank von 85,4 auf 80 Prozent. Ja, es wurde sogar gezählt, bei wie vielen Gegentoren er sich überhaupt nicht bewegte (angeblich 14).

Es lässt sich nicht leugnen: Chelsea hat ein Torwartproblem, und hat dafür 80 Millionen Euro und wer weiß wie viel an Gehalt bezahlt.

Vor dem Rückspiel im Champions-League-Achtelfinale beim FC Bayern am Samstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker), Chelseas mutmaßlich letztem Pflichtspiel der Saison, ist Kepa nicht nur der teuerste Torwart, sondern auch die teuerste Nummer 2 der Welt; zum zweiten Mal in dieser Saison hat ihn Lampard degradiert. Mit der anhaltenden Kritik in der Öffentlichkeit müsse der 25-Jährige "leben", meint der Trainer nur.

Für die unwirkliche Ablösesumme kann Kepa nichts

Die Fans haben sich längst auf ihn eingeschossen: Ein Video, in dem Christian Pulisic im Training fünf Fernschüsse am Stück gegen Kepa versenkt und danach beinahe entschuldigend die Arme hebt, ging gerade viral. Chelsea hatte es vor dem verlorenen FA-Cup-Finale selbst verbreitet.

Dafür, dass ihn die 80 Millionen bis heute verfolgen, kann Kepa natürlich nichts. Weil sein Vertrag bei Athletic Bilbao ein halbes Jahr vor dem Chelsea-Wechsel bis 2025 verlängert worden war und man ja weiß, wie rigoros Bilbao seine Ausstiegsklauseln durchdrückt, kam es zu dieser unwirklichen Summe - Kepa war damals noch ohne Europapokaleinsatz und nicht einmal Spaniens Nummer 1. Real Madrid, das ihn im Januar 2018 um ein Haar verpflichtet hätte, als er noch rund 55 Millionen Euro günstiger war, wird ganz gut damit leben können, stattdessen Thibaut Courtois geholt zu haben, Kepas Vorgänger in London.

Als Carragher im TV einen neuen Torwart empfiehlt, widerspricht Lampard nicht

"Ein ehrgeiziger Typ auch neben dem Platz": Kepa in der Zuschauerrolle.

"Ein ehrgeiziger Typ auch neben dem Platz": Kepa in der Zuschauerrolle. picture alliance

Schon zur neuen Saison will Chelsea Liverpool und Manchester City herausfordern und dafür nach Hakim Ziyech (Ajax) und Timo Werner (Leipzig) noch Kai Havertz (Leverkusen) und ein paar Defensivspieler verpflichten. Muss auch ein neuer Keeper her, schon wieder? Als TV-Experte Jamie Carragher unlängst prophezeit hatte, dass die Blues "keinen Schritt weiterkommen" würden, "solange sie nicht ihren Torwart wechseln", verweigerte Lampard einen Kommentar. Widersprechen oder zumindest Kepa öffentlich stärken wollte er aber auch nicht.

Gerüchte kursieren längst, etwa um Jan Oblak (Atletico) oder André Onana (Ajax); Kepa selbst wird mit spanischen Klubs in Verbindung gebracht. Dass manchen die junge Mannschaft, die Chelsea gerade aufbaut, an Liverpools Anfänge unter Jürgen Klopp erinnert, kann man auch so deuten: dass die Reds erst titelreif wurden, als Alisson Loris Karius im Tor ablöste. Der Brasilianer war 20 Tage vor Kepa in die Premier League gewechselt (und genauso lang der teuerste Torwart der Welt).

Kepas beste Parade ist schon ein Jahr her - es war gegen Liverpool

Nun hat auch Kepa schon Spiele für Chelsea gewonnen, das Europa-League-Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt in der vorigen Saison zum Beispiel (kicker-Note 1,5); nur blieben es Raritäten. Seine Doppelparade im UEFA-Supercup gegen Liverpool (4:5 i.E.) gilt bis heute als seine beste für die Blues. Dass sie schon fast ein Jahr her ist, zeigt das ganze Dilemma.

Lampard findet, es müsse Kepas Antrieb sein, an der Stamford Bridge eine Ära zu prägen wie viele seiner Vorgänger. Jedoch sprechen die ständigen Rochaden nicht dafür, dass der Trainer selbst daran glaubt. Glaubt es denn Kepa? "Ich bin auf und neben dem Platz ein ehrgeiziger Typ", sagte er Anfang Juli in einem seltenen Interview mit "Talksport", in dem er zielsicher jedes Thema mit einer professionellen Floskel beantwortet - Paradenquote: 100 Prozent.

Die verweigerte Auswechslung überstand Kepa bemerkenswert unbeschadet

"Weiter hart arbeiten" möchte er, Lampards Wechsel akzeptiere er natürlich, und die Ablösesumme laste keineswegs auf ihm. Das darf man sogar glauben: Dass Kepa kein Problem mit dem Selbstvertrauen hat, hatte ja schon das Ligapokalfinale 2019 gezeigt, als er mit seiner Weigerung, ausgewechselt zu werden, Lampards Vorgänger Maurizio Sarri bloßstellte, auch wenn sich später alles als spektakuläres Missverständnis entpuppte.

Bemerkenswert bleibt, wie unbeschadet Kepa diese Episode überstand. Muss er ein Jahr nach Sarri trotzdem gehen, ausgerechnet jetzt, da sich bei Chelsea etwas Großes zu entwickeln scheint? "Die nächste Saison sieht sehr vielversprechend aus", findet auch er. Gut möglich, dass Chelsea glaubt, sie mit einem neuen Torwart noch ein wenig vielversprechender machen zu müssen.

Ein Teamkollege will, dass Kepa bleibt: Caballero

Dann wäre Kepas letztes Spiel das 3:5 in Liverpool gewesen, was zur traurigen Geschichte vom teuersten Torwart der Welt erstklassig passen würde: weil es all die Defensivprobleme offenbarte, mit denen Chelsea unter Lampard zu kämpfen hat und die Kepa die Arbeit zusätzlich erschweren; und weil es mit dieser Szene in der Nachspielzeit endete: Kepa lässt eine Freistoßflanke auf optimaler Fanghöhe unbeteiligt durch seinen Fünfmeterraum zu Virgil van Dijk segeln, und als die Chance irgendwie überstanden ist, schauen ihn sechs Mitspieler entgeistert an. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison hatte er herausstürmen und wie-angewurzelt-stehenbleiben verwechselt.

Immerhin: Ein Teamkollege hat sich seitdem öffentlich für Kepas Verbleib starkgemacht, der, dessen Nachname übersetzt "Gentleman" heißt. "Natürlich hoffe ich, dass er bleibt", sagte Willy Caballero vergangene Woche. "Er hat mich immer unterstützt, stand immer hinter mir" und sei selbst in seinen schlechtesten Phasen "so professionell gewesen".

Es sind Sätze, mit denen normalerweise die Nummer 1 die Nummer 2 bei Laune hält. Nur dass die bei Chelsea eben mal 80 Millionen Euro gekostet hat.

Jörn Petersen

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