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Darts-WM: Experte Marijanovic im kicker-Interview

Dreimaliger WM-Teilnehmer äußert sich unter anderem zu den Deutschen

Darts-Experte Marijanovic im Interview: "Das wird eine verrückte WM"

Spielt aktuell nur noch hobbymäßig: Robert Marijanovic.

Spielt aktuell nur noch hobbymäßig: Robert Marijanovic. imago images / Future Image

Herr Marjanovic, bald geht es mit der WM los, bereitet man sich als Experte besonders darauf vor? Oder haben sie durch Ihre diversen Tätigkeiten im Darts sowieso alles auf dem Schirm?
Ich habe schon viel auf dem Schirm, weil ich viel über Darts lese und mich natürlich immer damit beschäftige, somit bin ich schon auf dem Laufenden. Ich bereite mich speziell auf die internationalen Qualifikanten vor, die man noch nicht so kennt. Zum Beispiel, wer der Australier ist, was der Spieler aus den Philippinen kann oder wie sich die Spieler aus der asiatischen Tour geschlagen haben.

Sie waren selbst schon dreimal im Alexandra Palace dabei. Was macht das so besonders?
Es ist das größte Turnier der PDC mit dem höchsten Preisgeld und der höchsten Einschaltquote. In Deutschland gibt es Millionen Zuschauer. Zudem ist die Gewichtung für die Weltrangliste sehr hoch. Für jeden Spieler ist das ein Traum, es ist einfach das Turnier des Jahres.

Konnten Sie ihre Auftritte dort genießen?
Ich konnte es nie genießen, der Druck war schon hoch. Du weißt einfach, dass viele Augen auf dich gerichtet sind. Der größte Genuss ist, sich dafür zu qualifizieren und in dieser Riege an Spielern dabei zu sein.

Mit Gabriel Clemens, Martin Schindler, Ricardo Pietreczko, Florian Hempel und Dragutin Horvat sind erstmals fünf deutsche Spieler dabei. Ist der Darts-Sport in Deutschland auf dem Zenit?
Wahrscheinlich befinden wir uns in der besten Lage, die wir bisher hatten. Zenit ist für mich im Moment das höchste, Peak das allerhöchste. Wir werden noch viel weiterkommen. Ich gehe stark davon aus, dass wir in den nächsten zehn Jahren eine zweistellige Zahl an deutschen Startern bei der WM haben. Jetzt haben wir schon fünf, fast wären es sogar sieben gewesen.

Robert Marijanovic

Erwartet bei der WM die eine oder andere Überraschung: Robert Marijanovic. Sport 1

Wie erklären Sie sich diese positive Entwicklung?
Da gibt es verschiedene Faktoren. Die Fernsehübertragung ist legendär, zwischen den Jahren ist das gut gelegt von der PDC, da ist man in den Wintermonaten zu Hause. Dazu sind die Typen einfach besonders. Da spielen Postboten, Elektriker oder Fliesenleger, die plötzlich zu Sportmillionären werden, weil sie ein paar Pfeile geworfen haben. Das fasziniert die Leute. Dazu kommen die deutschen Spieler. Deutsche brauchen ihre Helden, wobei der Darts fast ohne den deutschen Superstar auskommt. Die Leute schauen beim Darts einfach zu und sagen: 'Das könnte auch mein Nachbar sein.' Es ist dazu ein einfaches Spiel, ständig passiert etwas. Auch Corona hat ein bisschen geholfen, weil man Darts zu Hause spielen konnte, das haben viele junge Spieler genutzt. Darts hat seit 2018 von allen Sportvereinen den größten Zuwachs.

Merken Sie auch in Ihrem Alltag, dass Darts in Deutschland mehr Bedeutung beigemessen wird?
Ja, das merke ich total. 2013 bei meiner ersten WM hat es eigentlich niemanden interessiert. 2015 schon mehr und 2019 wurde es dann extrem. Jetzt vor der WM kann ich in meiner Maschinenfabrik in keine Abteilung gehen, wo mich die Leute nicht fragen, wer Weltmeister wird oder wie die Deutschen abschneiden. Ich war zuletzt kurz tanken, da hat mich einer auch durch die Sport1-Übertragungen erkannt und mich angesprochen auf Darts. Das freut mich unheimlich für den Sport.

Blicken wir konkret auf dem WM. Was erwarten Sie vom Turnier?
Es wird eine der offensten Weltmeisterschaften aller Zeiten, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich bin mir auch sicher, dass wir viele Überraschungen sehen werden. Dass wir eine verrückte WM mit vielen Themen sehen werden. Es gibt viele Unbekannte, bei denen wir nicht wissen, was wir zu erwarten haben. Ich habe die Youngster Josh Rock, Gian van Veen und Luke Littler auf dem Zettel, bei denen schaue ich ganz genau hin. Ich denke, dass sie für ein paar Highlights im Ally Pally sorgen können. Mindestens einer wird etwas Besonderes reißen: Weit kommen, einen Neundarter werfen, einen großen Favoriten aus dem Turnier werfen oder auch mental zusammenbrechen.

Und was können wir von den deutschen Spielern erwarten?
Für mich ist es das beste deutsche Starterfeld bei einer WM aller Zeiten. Das habe ich letztes Jahr schon gesagt, jetzt ist es noch besser. Wir haben mit Gabriel Clemens und Martin Schindler die zwei Routiniers, auf die man sich verlassen kann. Bei Flo Hempel kommt die Spannung dazu, ob er die Tour Card hält. Er ist verdammt dazu, ein, zwei Spiele zu gewinnen, um auf der Tour spielen zu können. Was für ein Druck lastet auf ihm? Pikachu (Ricardo Pietreczko, d.Red.) hat mit seiner ersten WM ein irres Gefühl, ich kenne das ja, das ist völliges Neuland. Er hat als zweiter Deutscher ein PDC-Turnier gewonnen. Daher hat er auch viel Druck, nicht wegen der Rangliste, sondern durch die Fans, die wollen sehen, dass er das bestätigt.

Und was ist mit Dragutin Horvat?
Dragutin ist genau der Typ, den dieser Sport ausmacht. Er arbeitet im Handwerk, spielt Darts und ist jetzt auf der größten Bühne der Welt. Das verdeutlicht sehr gut, was Darts ist. Das ist einfach geil. Ein Typ, der bei seinem Chef fragen muss, ob er frei kriegt. Eine tolle Geschichte. Clemens und Schindler sind sicher diejenigen, die aufgrund der Weltrangliste liefern sollten. Der Anspruch von beiden muss es sein, ein paar Runde zu überstehen.

Welcher Deutsche schneidet am besten ab und wie weit kommt er?
Dieselbe Frage habe ich im letzten Jahr immer mit Gabriel Clemens beantwortet. Das hatte aber auch mit der Auslosung zu tun, weil ich da ein paar Lücken für Gaga gesehen habe. Dieses Jahr ist es schwierig. Ich weiß nicht wer, aber ich sage voraus, dass wir mindestens einen deutschen Spieler im Achtelfinale sehen werden.

Da spielen Postboten, Elektriker oder Fliesenleger, die plötzlich zu Sportmillionären werden, weil sie ein paar Pfeile geworfen haben.

Robert Marijanovic

Nach den letzten Wochen reden natürlich in Sachen WM-Titel alle über den in Topform spielenden Luke Humphries. Ist er bereit für den Titel?
Dass er im Moment der beste Spieler der Welt ist, daran gibt es keinen Zweifel. Die WM ist aber ein sehr langes Turnier, es wird im Satzmodus gespielt, der sich immer steigert. Es ist auch Druck dabei. Für mich ist er schon der Favorit auf den Titel, aber es könnte sein, dass er nicht an den Gegnern scheitert, sondern an der eigenen Erwartungshaltung. Es ist keine leichte Aufgabe ins Turnier zu gehen und zu wissen, Millionen Menschen sehen mich als Top-Favorit.

Wen haben Sie noch für den Titel auf dem Zettel?
Michael van Gerwen ist natürlich immer zu nennen. Dahinter ist das Feld relativ breit, ich würde noch Gerwyn Price dazuzählen. Dann wird es spannend, da gibt es viele Spieler, die es machen könnten. Über den amtierenden Weltmeister Michael Smith wird kaum geredet, man hat das Gefühl, keiner sagt, dass er seinen Titel verteidigt. Bei ihm hängt viel vom ersten Spiel ab, wenn er da gut spielt, ist er im Titelrennen dabei. Luke Littler ist für mich ein unfassbar guter 16-jähriger Spieler aus England, der für eine große Überraschung sorgen könnte. Wenn ich mich festlegen muss, würde ich mit Humphries, van Gerwen, Price und Smith gehen - und zwar in dieser Reihenfolge.

Zum Schluss noch: Gibt es einen Neundarter? Und wenn ja, von wem?
Ja, wir sehen einen Neundarter. Ich sage nicht von wem, aber es wird jemand sein, den wir nicht auf dem Zettel haben, also kein Top-5-Spieler.

Der in Freudenstadt geborene Robert Marijanovic (Jahrgang 1980) begann 1992 mit dem Dartspielen. Inzwischen stehen für den "Robstar" drei Teilnahmen bei der PDC Darts-WM (2013, 2015, 2019) zu Buche, seit 2019 ist er als TV-Experte für "Sport1" und DAZN tätig. Im Moment ist der 43-jährige Lagerist noch Hobby-Dartspieler und in der Bundesliga beim KSC aktiv. Zudem macht er den Darts-Podcast "Game On" mit Elmar Paulke und ist Youtuber. Nach vier Jahren gab Marijanovic 2021 seine Tour Card aus privaten Gründen zurück. "Wenn ich wieder Lust kriege, müsste ich mich wieder für die Tour qualifizieren. Im Moment fühle ich mich mit der Situation zufrieden", so der "Robstar".

Interview: Mirko Strässer

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