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"Damit Robert Klauß die Herzen der Rapid-Fans gewinnt, muss er sich ein Stück weit öffnen"

kicker-Reporter Christian Biechele gibt seine Einschätzung ab

"Damit Robert Klauß die Herzen der Rapid-Fans gewinnt, muss er sich ein Stück weit öffnen"

Gilt als Taktikfuchs: Robert Klauß.

Gilt als Taktikfuchs: Robert Klauß. IMAGO/Zink

Christian, du als Nürnberg-Reporter des kicker hast Robert Klauß während seiner Zeit beim Club bestens kennengelernt. Wie würdest du ihn als Trainer beschreiben?

Er ist ein junger Trainer aus der modernen Fußballschule. Einerseits ist er sehr eloquent, andererseits muss ich auch sagen, dass er Sachen ein Stück weit verkompliziert. Letztendlich ist Fußball immer noch ein einfaches Spiel. Er wirkt sehr verkopft, diesen Eindruck hat er zumindest in Nürnberg hinterlassen.

Vor seiner Zeit in Nürnberg durchlief Klauß die RB-Schule. Inwieweit war das dem Club während seiner Amtszeit anzumerken?

Das war Nürnberg schon deutlich anzusehen. Er legt viel Wert auf Balleroberungen und sein Credo war, im Spiel immer aktiv zu sein. Das war die Überschrift über allem. Er hat die ursprüngliche RB-Schule aber schon ein Stück weit abgewandelt. Nürnberg hat in seiner Zeit nicht immer nur hoch gepresst und auf frühe Ballgewinne gelauert, sondern schon variiert. Die Mannschaft ließ sich hin und wieder auch in die eigene Hälfte fallen. Dort hat sie dann aber in jeder Aktion versucht, den Ball zu bekommen, zu pressen und auch zu verschieben. Insofern hat man die RB-Schule schon gesehen.

Rapid hat sich in der laufenden Saison im eigenen Ballbesitz stark präsentiert, im Spiel gegen den Ball hat die Mannschaft jedoch noch Luft nach oben. Könnte Klauß der richtige Mann sein, um diesen Aspekt zu verbessern?

Ich kann mir schon vorstellen, dass er das den Spielern vermitteln kann. Die Frage wird aus meiner Sicht eher sein, ob die Mannschaft ihm dabei folgt.

Was spricht da aus deiner Sicht dagegen?

Ich weiß aus Nürnberg, dass er einen klaren Plan hat und diesen auch vermitteln kann. Mir haben allerdings zwei Nürnberg-Spieler erzählt, dass es hin und wieder zu viele Informationen waren. Aber man muss da natürlich immer vorsichtig sein, ob das wirklich zutrifft. Klar ist aber - und das hat er auch einmal so gesagt - dass der Fußballtrainer für Klauß über das Fachwissen kommt. Ich sehe das aus meiner persönlichen Erfahrung ein Stück weit anders. Bitte nicht falsch verstehen, natürlich ist Fachwissen sehr wichtig. Ein Trainer muss selbstverständlich einen klaren Plan haben, aber viel entscheidender ist, wie er mit der Mannschaft umgeht. Das ist für mich die große Kunst im Trainerdasein. Klauß sieht das ein bisschen anders, das war zumindest in Nürnberg noch so. Das war eigentlich auch sein einziges Problem: Er war zu verkopft. Er glaubt, dass er die Mannschaft mit seinem Wissen fängt. Ich denke, dass es eine Kombination aus beidem ist. Wenn du als Typ begeistern und die Leute hinter dir versammeln kannst, kann man vielleicht die eine oder andere "Wissenslücke" übertünchen. Umgekehrt ist es schwieriger. Wenn du alles weißt, den Gegner bis in Detail kennst und einen ausgeklügelten Plan hast, aber die Mannschaft nicht dafür begeistern kannst, kann man das nicht so leicht kompensieren.

Einerseits gibt es Stimmen, dass man länger an ihm hätte festhalten sollen. Andererseits war er als Typ relativ konturlos. Deswegen hat er bei den Menschen in Nürnberg - obwohl er die Mannschaft etwas nach oben geführt hat und seine Handschrift zu erkennen war - nichts Nachhaltiges hinterlassen.

kicker-Reporter Christian Biechele über Klauß' Abschied aus Nürnberg.

Klauß gilt als Taktikfuchs und hat die Ausbildung zum Fußballlehrer mit einem Notenschnitt von 1,0 als Jahrgangsbester abgeschlossen. Konnte er sein zweifellos großes Fachwissen der Nürnberger Mannschaft vermitteln?

Ja. Man muss sich nur die Geschichte in Nürnberg etwas genauer angesehen. Er übernahm im Sommer 2020 eine Mannschaft, die zuvor mit Ach und Krach die Klasse gehalten hatte und beinahe in die 3. Liga abgestiegen wäre. Eigentlich war das ein Team, das in die 1. Bundesliga aufsteigen wollte. In der Mannschaft ging es ein bisschen drunter und drüber, da hat Klauß am Anfang Halt gegeben. Sportvorstand Dieter Hecking hat dann gedacht, dass die Mannschaft unter Klauß gleich zünden wird. Es war zwar nicht vom Aufstieg die Rede, aber im oberen Drittel wollte Nürnberg schon dabei sein. Und das hat dann gedauert. Die erste Phase bis Weihnachten war okay, dann wollte Klauß aber den nächsten Schritt machen und besseren Fußball spielen lassen. Dieser Schuss ging nach hinten los und auf einmal war Nürnberg wieder ein Stück weit in Abstiegsnot. Im letzten Saisondrittel hat die Mannschaft aber die Kurve bekommen und die Spielzeit letztlich auf Platz elf abgeschlossen. Da war schon zu sehen, wie sie spielen wollten. Das zweite Jahr war ebenfalls sehr ordentlich, da landete die Mannschaft auf Platz acht. Wenn sie gegen Schalke am letzten Spieltag nicht kurz vor Schluss ein Tor zum 1:2 bekommen hätte, wäre sie sogar Sechster geworden. Ein bisschen geschönt wurde die zweite Saison aber schon dargestellt, weil es ja sogar geheißen hat, dass Nürnberg um den Aufstieg spielte. Das war aber nie wirklich der Fall. Immer, wenn es die Chance dazu gegeben hätte, hat es Nürnberg vergeigt. Klauß hat selbst gesagt, dass es innerhalb der Mannschaft auch eine Dysbalance zwischen Offensive und Defensive gegeben hat. Ganz lösen konnte er das nie, erkennen konnte man seine Handschrift aber definitiv.

Was passierte dann im dritten Jahr?

Das ist für viele immer noch ein Mysterium. Mit Christoph Daferner und Kwadwo Duah hat man im Sommer zwei vielversprechende Stürmer geholt. Duah war richtig gut, Daferner ging nie so richtig auf. Warum es so bergab ging und Klauß die Mannschaft überhaupt nicht auf Schiene gebracht hat, ist auch heute noch ein Stück weit erstaunlich. Andererseits habe ich bereits im Sommer relativ viele Trainingseinheiten gesehen und da war schon im Trainingslager ersichtlich, dass kein Esprit mehr vorhanden ist. Es war einfach keine Energie mehr da. Es wurde auch sehr wenig an der Kondition und Physis gearbeitet. Man hat zwar immer beteuert, dass man ja die eigenen Werte kenne, aber als dann der neue Trainer (Markus Weinzierl, Anm.) kam, hat dieser gleich gesagt, dass das eine Katastrophe sei. Das kann man natürlich nicht nur Robert Klauß vorwerfen, weil er ja auch ein Trainerteam hat. Eigentlich hätte das der Konditionstrainer bemerken müssen. Aber: Auch er selbst hätte das sehen müssen. Und so ging es dann dahin. Hecking hat sich zwar immer für Klauß ausgesprochen, weil die Mannschaft zuvor auch immer geliefert hat, wenn es eng wurde, aber er hat dann relativ schnell die Reißlinie gezogen. Das hat mich gewundert. Und wenn man sieht, wie es danach gelaufen ist, hätte man auch mit Klauß weitermachen können. Weder Weinzierl noch Hecking haben das hinbekommen. Alle drei Trainer hatten in dieser Saison einen ähnlichen Punkteschnitt.

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Wie denkt man in Nürnberg heute über Robert Klauß?

Einerseits gibt es Stimmen, dass man länger an ihm hätte festhalten sollen. Andererseits war er als Typ relativ konturlos. Deswegen hat er bei den Menschen in Nürnberg - obwohl er die Mannschaft etwas nach oben geführt hat und seine Handschrift zu erkennen war - nichts Nachhaltiges hinterlassen. Er war immer sehr nett zu allen, aber gleichzeitig auf eine freundliche Art distanziert. Einer meiner Kollegen hat ihn einmal als Projektleiter beschrieben. Das trifft es gut. Klauß meint, dass er sich intensiver mit dem Fußball beschäftigt hat als viele andere und daher auch mehr weiß. Das hat er auch immer wieder durchklingen lassen. Er hat sich zu sehr auf dieses Fußballwissen gestützt und zu wenig von sich als Person gezeigt. Deswegen hat ihm keiner eine große Träne nachgeweint. Aber es hat auch keiner gesagt, dass er unbedingt weg muss.

Rapid ist für sein emotionales Umfeld bekannt. Spießt sich das mit Klauß' Persönlichkeit oder kann er vielleicht genau deswegen der richtige Mann für den Verein sein?

Wenn er von Anfang an Erfolg hat, kann das schon funktionieren. Aber damit er die Herzen der Rapid-Fans gewinnt, muss er sich ein Stück weit öffnen. Er kann nicht mehr so sein wie in Nürnberg, denn ansonsten würde man selbst im Erfolgsfall eine gewisse Distanz spüren. Er hatte jetzt aber genügend Zeit, zu reflektieren. Hecking hat immer gesagt, dass Klauß einer der selbstkritischsten Menschen ist, die er kennt. Vielleicht hat sich Klauß auch selbst gefragt, was in Nürnberg eigentlich schiefgelaufen ist. Eventuell ist er da auch auf diesen Punkt gekommen. Ich weiß es nicht.

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Fast schon legendär ist Klauß' Pressekonferenz nach einer 1:2-Niederlage gegen St. Pauli, bei der er unter anderem über den "ballfernen Zehner" sowie den „asymmetrischen Linksverteidiger" sprach. Wie hast du diese Pressekonferenz damals miterlebt?

Ich musste schmunzeln. Die Taktik-Nerds haben ihn gefeiert, großteils haben "normale" Fußballzuschauer aber den Kopf über ihn geschüttelt. Ich habe mit ihm auch abseits der normalen Medientermine einmal über diese Pressekonferenz gesprochen. Da hat er natürlich gesagt, dass er in Mannschaftssitzungen anders redet. Das ist doch klar. Die Vorgeschichte war die, dass er einen gewissen Zorn auf die BILD-Zeitung hatte. Die hat ihm immer vorgeworfen, dass kein Fortschritt zu sehen sei, was damals auch gestimmt hat. Diese Ansage war dann quasi seine Retourkutsche. Das ist eben auch Robert Klauß. Dieser Schuss ging aber nach hinten los, er hat sich damit keinen Gefallen getan. Das war ähnlich wie bei Ralf Rangnick, der im "Sportstudio" einmal die Viererkette erklärte. Seither hat er den Ruf des Fußball-Professors. Und ich kenne Rangnick, der ist fraglos ein Fußballlehrer, aber er kann sehr wohl richtig begeistern. Man kann Rangnick und Klauß als Typen nicht vergleichen, aber das haftet ihnen heute noch an. Klauß war ja auch einmal Kandidat bei "Schlag den Raab" und ist auch dort als "Einserschüler" - sprich etwas steif und unbeholfen - rübergekommen.

Klauß' bevorzugte Formation ist das 4-2-3-1-System. Er gilt jedoch als Trainer, der nicht immer stur an seinem Plan festhält. Wie flexibel hat Nürnberg unter ihm gespielt?

Er hat sich am Spielermaterial und am Gegner orientiert. Er hatte in Nürnberg nicht zwingend seine Lieblingsformation, sondern hat da sehr flexibel reagiert. Er ließ häufig im 4-2-3-1 spielen, aber auch die Mittelfeldraute kam zum Einsatz. Nürnberg hatte allerdings ein bisschen das Problem, dass der Sechser (Johannes Geis, Anm.) ein guter Techniker, aber kein guter Zweikämpfer und Athlet war. Wenn die Löcher groß waren, konnte er die überhaupt nicht mehr zulaufen. Und er hat auch nie wie ein Sechser gedacht. Klauß hat darauf reagiert und dann mit zwei Sechsern - Fabian Nürnberger und Lino Tempelmann - spielen lassen. Das war klasse. Sie haben auch zu Klauß' Stil gepasst, weil sie jung und aggressiv waren. Klauß wollte immer variable Sechser, die auch nach vorne denken. Das Problem war, dass sie irgendwann zu offensiv wurden. Sie sind dann auf den Geschmack gekommen und wollten nur mehr stürmen. Solche Diskussionen kennt man sonst nur von Freizeitmannschaften. An Klauß' Stelle hätte ich da mal auf den Tisch gehaut. Das war manchmal etwas seltsam.

Spannend wird für mich der Punkt der öffentlichen Trainings sein. Ich weiß nicht, wie das Prozedere bei Rapid ist, aber Klauß ist kein Freund davon.

kicker-Reporter Christian Biechele

In Wien war bei seinem Vorgänger Zoran Barisic das ausbaufähige In-Game-Coaching einer der größten Kritikpunkte. Wie siehst du Klauß diesbezüglich aufgestellt?

Zweigeteilt. Ich kann mich an ein Derby gegen Fürth erinnern, wo er hervorragend reagierte, drei Mann auf einmal ausgetauscht und auch die Taktik verändert hat. Mit diesen Maßnahmen hat er das Spiel, das auf der Kippe stand, wieder auf Nürnbergs Seite gezogen. Es hat aber auch Spiele gegeben, bei denen ich mir gedacht habe, was er denn macht. Ich habe oft nicht verstanden, warum er so lange gewartet hat. Es war also immer unterschiedlich, aber er hat bewiesen, dass er auch das kann.

Rapid und Nürnberg sind zwei Traditionsvereine, die aktuell hinter ihren Erwartungen zurückbleiben. Die beiden Klubs verbindet sogar eine Fanfreundschaft. Wie ähnlich sind sich die beiden Vereine aus deiner Sicht?

Beide Vereine sagen, dass sie volksnahe Klubs sind. Spannend wird für mich der Punkt der öffentlichen Trainings sein. Ich weiß nicht, wie das Prozedere bei Rapid ist, aber Klauß ist kein Freund davon. Der FCN hat auch viele Fans aus dem Umland, die gerade in der Ferienzeit extra für Trainingseinheiten nach Nürnberg fahren. Das hat Klauß überhaupt nicht verstanden. Er hat ein Argument gebracht, das ich nicht nachvollziehen konnte. Er hat gesagt, dass man auch einem Bäcker nicht bei seiner Arbeit zuschauen könne. Abgesehen davon, dass ich das bezweifle, gibt es einen Unterschied. Der Bäcker verkauft sein Brot und der Fußball in erster Linie Emotionen. Natürlich ist der Fußball ein "Produkt", aber eben auch Volkssport. Man will eben auch mal bei Trainingseinheiten zuschauen. Ich weiß nicht, welche Manschetten Klauß da in Nürnberg hatte.

Prognosen sind schwierig. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Dennoch die abschließende Frage: Was ist für Rapid unter Robert Klauß möglich?

Das ist eine Floskel, aber es ist einfach so: Um eine Mannschaft als neuer Trainer zu überzeugen, braucht man schnell Erfolge. Wenn er relativ zügig Punkte holt, wird er die Mannschaft bald hinter sich gebracht haben. Wenn es nicht funktioniert, bekommt er ein Problem. Deswegen ist es schwer für mich, eine genaue Prognose abzugeben. Die ersten vier, fünf Spiele werden wichtig und entscheidend sein. Wenn es so weitergeht wie jetzt wird man bei Rapid sagen, dass sich nicht viel geändert hat. Aber dieses Problem hat nicht nur Robert Klauß. Die ersten Wochen sind auch für eine Mannschaft immer spannend, weil die Karten neu gemischt werden. Da sind immer alle sehr interessiert. Unter dem Strich braucht man als neuer Trainer aber einfach immer Erfolg, um zu zeigen, wie eine Idee funktionieren kann.

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