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Christoph Freund: "Es besteht die Gefahr, dass die Schere zu weit auseinander geht"

Der Salzburg-Sportchef im Interview

Christoph Freund: "Es besteht die Gefahr, dass die Schere zu weit auseinander geht"

Salzburg-Sportdirektor Christoph Freund hat mit Salzburg noch einiges vor.

Salzburg-Sportdirektor Christoph Freund hat mit Salzburg noch einiges vor. FC Red Bull Salzburg via Getty Images

Herr Freund, Red Bull Salzburg führt die Liga mit sechs Punkten Vorsprung an, steht im Cup-Viertelfinale und überwintert in der Europa League. Wie bilanzieren Sie die so kräftezehrende Herbstsaison?

Absolut positiv. Wir haben in der Meisterschaft die gleiche Punkteausbeute wie im vergangenen Jahr zum selben Zeitpunkt und sind sehr happy, dass wir im Frühjahr noch in der Europa League dabei sind. Die intensiven Wochen haben bei den Jungs aber schon Spuren hinterlassen, weshalb wir auch immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatten. Das Bittere war, dass wir fast nie mit der besten Elf auf dem Platz stehen konnten. Auch nicht in den Champions-League-Spielen. Trotzdem hat die Mannschaft konstant richtig gute Leistungen abgeliefert.

Spielerisch scheint Salzburg noch nicht auf dem Niveau der Vorjahre zu sein. Woran liegt das?

Wir hatten schon Phasen, in denen wir richtig gut gespielt haben. Ich denke da an das Heimspiel gegen Milan oder auch an das Auswärtsspiel bei Chelsea. Da haben unsere Jungs begeistert. Zum Schluss waren wir - auch deswegen, weil wir nicht so viel rotieren konnten - schon ein bisschen müde. Der Tank war etwas leer. Auch mental. Wir spielen mit der jüngsten Mannschaft, die wir jemals hatten. In der Meisterschaft hat gegen Austria Wien die jüngste Mannschaft der Bundesliga-Geschichte gespielt und auch souverän gewonnen. Die Jungs waren aber aufgrund des engen Spielplans einfach ziemlich am Limit. Darum gab es vielleicht nicht so viele Feuerwerke. Wichtig war einfach, dass wir die Spiele auch heuer wieder gewonnen haben. Wir haben jetzt erstmals sieben Bundesliga-Auswärtsspiele in Folge gewonnen. In puncto Konstanz war das also schon sehr, sehr gut, was wir im Herbst abgeliefert haben

Salzburg holte 17 der 18 letzten Titel auf nationaler Ebene und hat das mit Abstand größte Budget aller Teams. Worin besteht für Sie in Österreich noch die Herausforderung?

Im Umbruch, den wir immer wieder haben. Bei uns machen nach jeder Saison drei oder vier Spieler den nächsten Schritt und die nächsten kommen nach. Wenn man sieht, welche Talente wir in den vergangenen Jahren entwickelt und anschließend gut nachbesetzt haben, ist das ein großer Reiz. Denn das Level, das wir erreicht haben, ist sehr hoch. Es ist eine große Herausforderung, dieses trotz der vielen Abgänge zu halten. In der Vergangenheit ist es uns geglückt, diese Balance zu finden. Zudem wollen uns in Österreich alle Mannschaften schlagen. Sie hoffen darauf, dass wir einmal nicht Meister werden und der Umbruch vielleicht einmal zu groß ist. Das macht die Aufgabe schon sehr spannend und jedes Mal wieder herausfordernd.

Ich glaube, dass die Einschaltquoten trotz allem sehr hoch sein werden.

Freund über die Weltmeisterschaft in Katar

Mit Philipp Köhn, Strahinja Pavlovic, Luka Sucic und Noah Okafor stellt Salzburg vier WM-Teilnehmer. Was sagt das über die Entwicklung des Vereins aus?

Unser Niveau ist einfach sehr hoch geworden. Wir sorgen auch international für Aufsehen und die jungen Spieler können sich bei uns einen Namen machen. Man darf nicht vergessen, dass auch viele Spieler bei der WM dabei sind, die früher einmal bei uns waren und jetzt bei den besten Klubs der Welt in großen Ligen tragende Rollen spielen. Das kann schon schnell gehen. Das Wichtigste ist für uns aber natürlich, dass wir aktuell eine gute Mannschaft in Salzburg haben. Deswegen sind wir sehr stolz, dass wir erstmalig vier Spieler bei der WM haben. Und das, obwohl Österreich gar nicht dabei ist.

Zahlreiche Fans forderten einen Boykott der Weltmeisterschaft. Wie stehen Sie dazu, dass die WM an Katar vergeben wurde?

Es ist müßig, dieses Fass noch einmal aufzumachen. Das ist vor Jahren so entschieden worden. Ob das notwendig war, sei dahingestellt. Ich kann nur schwer beurteilen, wie die Vergabe zustande gekommen ist. Jetzt hoffen wir alle auf eine spannende Weltmeisterschaft mit richtig guten Spielen. Die Zeit für so ein Großereignis ist sehr ungewöhnlich, aber das kann schon sehr spannend werden. Die Spiele sind immer am Nachmittag oder Abend. Ich glaube daher, dass die Einschaltquoten trotz allem sehr hoch sein werden. Ich hoffe auf ein Fußballfest, das für die Fans vor Ort sehr speziell sein wird. Da die Stadien alle in einem Umkreis von 70 Kilometern liegen, kann man sich auch zwei bis drei Spiele am Tag anschauen. Das war bis jetzt noch an keinem anderen Ort möglich. Das kann schon eine spezielle Atmosphäre werden. Darauf hoffe ich. Der Fußball sollte im Mittelpunkt stehen.

Auf Klubebene gab es die Idee einer Super League, ab 2024 kommt auch in der Champions League das Ligaformat zum Einsatz. Wie bewerten Sie die allgemeine Entwicklung des Fußballs?

Es wird alles immer noch größer. Wir reden hier vom weltweit größten Sportbusiness, in dem Geld zunehmend wichtiger wird. Es besteht die Gefahr, dass die Schere zu weit auseinander geht. Die ist ohnehin schon sehr groß. Ich glaube, dass es wichtig ist, die Duelle "David gegen Goliath" beizubehalten. Das macht den besonderen Reiz aus. Ich finde es richtig, den Fußball in nationale Ligen und den Europacup zu teilen. Es gibt auch in der Europa League oder Conference League sehr spannende Spiele mit Mannschaften, die in Europa ansonsten nicht so weit kommen würden. Das bringt kleineren Vereinen zusätzliche Attraktivität und mehr Einkommen. Nichtsdestotrotz bleibt die Champions League natürlich das Premium-Produkt. Wenn wirklich einmal eine Super League kommen würde, ginge der Reiz der nationalen Spiele und auch der Derbys verloren. Das soll aus meiner Sicht unbedingt vermieden werden.

Die WM-Tipps der zwölf Bundesliga-Kapitäne

Wie bei der Super League gab es auch am Einstieg von Red Bull bei Salzburg einiges an Kritik. Die Zukunft das Vereins scheint nach dem Ableben von Gründer Dietrich Mateschitz gesichert zu sein. Was entgegnen Sie der Kritik, dass Red Bull den Fußballsport großteils für Marketingzwecke nutzt und sich Erfolg teilweise erkaufen kann?

Ich kann ja nur für Red Bull Salzburg sprechen und sagen, dass wir unser Spektrum gefunden haben, in dem wir arbeiten wollen. Wir bieten vielen jungen Spielern die Möglichkeit, sich ihren Traum zu erfüllen. Wir haben eine super Ausbildung und bei uns können die Jungs schon in jungen Jahren zu Profifußballern auf einem sehr hohen Level werden. Wir bilden viele junge Spieler aus, die dann nicht nur bei Red Bull Fußball spielen, sondern auch zu anderen Vereinen gehen und dort ihren Traum leben. Dadurch haben wir das Level im österreichischen Fußball angehoben. Wir fokussieren uns darauf, sportlich bestmöglich zu arbeiten und uns ständig weiterzuentwickeln. Es ist wichtig, dass es Vereine gibt, die jungen Spielern diese Möglichkeit bieten. Bei uns in Salzburg hat sich das Bild von Red Bull gewandelt. Man erkennt ganz klar, dass eine Strategie dahintersteckt und wir im Sinne des Sports handeln. Das haben sehr viele Menschen wahrgenommen und ich glaube, dass wir uns dadurch in den letzten Jahren auch viel Anerkennung erarbeitet haben.

Kritik gab es auch am offenbar recht kurzen Transferweg von Salzburg zu Leipzig. Inklusive Benjamin Sesko wurden bereits 20 Spieler an die Sachsen abgegeben. "Einige ehemalige Spieler aus Salzburg sind in Leipzig, das sieht auf dem Papier nicht so toll aus. Trotzdem ist es verdammt schwer, diese Spieler zu verpflichten", sagte Christopher Vivell, ehemaliger Technischer Direktor bei Leipzig, in unserem Podcast „kicker meets DAZN". Was sagen Sie zu dieser Optik?

Ich glaube, dass sich auch das in den vergangenen Jahren etwas gewandelt hat. Es war früher sicher öfter der Fall, dass Spieler zu Leipzig gewechselt sind. Natürlich gibt es hinsichtlich der Spielidee und der Philosophie Gemeinsamkeiten. Daher kann es für die jungen Spieler schon interessant sein, nach Leipzig zu wechseln. Die Eingewöhnungsphase ist sicherlich etwas kürzer. Grundsätzlich ist es in den vergangenen Jahren aber schon so gewesen, dass viele Spieler zu anderen Klubs gewechselt sind. Ich erinnere an Erling Haaland oder Karim Adeyemi. Das ist immer eine persönliche Entscheidung des Spielers. Es gibt da keine Vorgaben, wie so oft behauptet wird. Die Spieler müssen und können selbst entscheiden, was für sie das Beste ist.

Die Dortmunder werden noch viel Freude mit ihm haben, weil er einfach spezielle Fähigkeiten mitbringt.

Freund über Karim Adeyemi

Vivell wurde nach seinem Aus bei Leipzig wie Sie vom FC Chelsea umworben. Sie haben das Angebot mit der Begründung abgelehnt, dass Ihre Geschichte in Salzburg noch nicht zu Ende erzählt sei. Was fehlt dafür noch?

Das ist schwer zu sagen, da das ein laufender Prozess ist und es bei uns immer wieder Veränderungen und neue Herausforderungen gibt. Es macht mir einfach viel Spaß, auf so einem hohen Level bei diesem Verein und dem Umfeld zu arbeiten. Ich komme aus Salzburg, wohne hier und daher ist das schon etwas sehr Spezielles. Ich habe meinen Vertrag erst im Sommer langfristig in Salzburg verlängert. Das sind schon Werte, die für mich sehr wichtig sind. Aktuell macht es mir einfach großen Spaß. Wir wollen unsere Geschichte mit unserer Philosophie weiterschreiben und erfolgreich bleiben. Das ist mein großes Ziel.

Sie haben vorhin Karim Adeyemi angesprochen. Bei Dortmund hatte er im Herbst einen schweren Stand, dennoch gehört er dem deutschen WM-Kader an. Wie bewerten Sie seine Entwicklung?

Ich verfolge das natürlich noch. Er war am Anfang leider verletzt und ist dann nicht in seinen Rhythmus gekommen. Phasenweise hat er schon gezeigt, welche Qualität er hat, aber es war schon ein großer Schritt für ihn, von Salzburg zu einem derart großen Verein mit einem anderen Umfeld zu gehen. Ich bin aber davon überzeugt, dass er im Frühjahr sehr bald seine ersten Bundesligatore erzielen wird. Die Dortmunder werden noch viel Freude mit ihm haben, weil er einfach spezielle Fähigkeiten mitbringt. Er muss sich das jetzt erst einmal erarbeiten und benötigt dann auch Erfolgserlebnisse. Es ist bei Offensivspielern ohnehin immer so, dass es nach Toren leichter von der Hand geht. Vielleicht wird er bei der Weltmeisterschaft ja das eine oder andere Mal als Joker eingesetzt und kann dort aufzeigen. Das würde ich ihm nach diesem nicht so leichten Herbst sehr gönnen.

Nun steht die Winterpause vor der Tür. Auf welcher Position sehen Sie Handlungsbedarf?

Der Kader ist sowohl in der Quantität als auch in der Spitze richtig gut aufgestellt. Es ist ganz wichtig, dass die verletzten Spieler wieder zurückkommen und wir mit einem vollen Kader in die Frühjahrssaison starten können. Wenn das passieren sollte, wäre das sehr positiv. Dann gibt es aus meiner Sicht auch keine Notwendigkeit, etwas zu tun. Aber natürlich halten wir Augen und Ohren offen, weil wir auch schon vorausblicken, was im Sommer passieren könnte.

Interview: Nikolaus Fink

MUSCAT, OMAN - NOVEMBER 16: Niklas Füllkrug of Germany celebrates scoring the opening goal during the international friendly match between Germany and Oman at Sultan Qaboos Sports Complex on November 16, 2022 in Muscat, Oman. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

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