Champions League

Can-Handspiel: Warum auch der Schiedsrichter im Recht war

Diskussionen um Elfmeterpfiff für Manchester City

Can-Handspiel: Warum auch der Schiedsrichter im Recht war

Entscheidung gefallen: ManCity darf zum Elfmeter antreten.

Entscheidung gefallen: ManCity darf zum Elfmeter antreten. picture alliance

Emre Can war sich sofort sicher und bedeutete dies Schiedsrichter Carlos del Cerro Grande mit eindeutigen Gesten: Der Ball war zwar an meiner Hand, aber er ist von meinem Kopf aus dorthin geprallt, deswegen darf das keinen Strafstoß zur Folge haben. Es gab ihn trotzdem gegen die Borussia. Nach dem Abpfiff bekam der Dortmunder Spieler Unterstützung von Edin Terzic: "Wir haben jedes Jahr Schiedsrichterschulungen. Dort wurde uns vor der Saison ganz klar gesagt: Wenn man sich selbst an die Hand köpft, wird es nicht als regelwidrig angesehen." Diesen Kenntnisstand gab auch die auf verschiedenen Kanälen vertretene TV- und Fußball-Prominenz unisono an ihre Zuschauer weiter.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit, das Chaos war und ist groß. Mit seiner Aussage war der BVB-Coach im Recht - kurioserweise war es del Cerro Grande mit seinem Elfmeterpfiff aber auch. Denn keine Anweisung ohne Ausnahmen. Um dieses Prinzip genau nachvollziehen zu können, muss man die Hintergründe kennen. Für das Regelwerk sind rund um den Globus allein der Weltfußballverband FIFA und das IFAB (Was ist eigentlich das IFAB? ), die höchste Regelbehörde der Welt, zuständig. Für die Umsetzung müssen in den einzelnen Ligen die nationalen Verbände sorgen, in der Champions League der verantwortliche Veranstalter UEFA. Sie schulen die Schiedsrichter, bringen ihnen nicht nur den reinen Gesetzestext, sondern auch dessen Verästellungen und Interpretationen in Lehrgängen näher.

Die Lehrvideos der UEFA sind entscheidend

Dies geschieht zu einem großen Teil durch bewegte Bilder und das Zeigen von Beispielszenen, die FIFA und IFAB mitsamt einem dazu gehörigen erklärenden Text zur Verfügung stellen. Und so zeigte die UEFA in ihren Lehrveranstaltungen den in der Champions League eingesetzten Unparteiischen einen Ausschnitt, auf dem sich ein Spieler den Ball zwar im eigenen Strafraum an die Hand schoss, der Arm sich aber schon vor dem Abwehrversuch in einer verbotenen Position befand. Und in diesem Fall, so die Anweisung, solle doch ein Pfiff erfolgen. Der Verdacht liege nahe, dass der Spieler den Arm mit Absicht in diese Position gebracht habe, um die Flugbahn des Balles zu unterbinden. Und das ist prinzipiell strafbar ("Ein Vergehen liegt vor, wenn ein Spieler den Ball absichtlich mit der Hand/dem Arm berührt") steht aber an einer anderen Stelle des Regelwerks.

Auf dem Platz werden Handspiele verschieden beurteilt

Was überhaupt nicht dort verankert ist: Die Ausnahmeregelung mit dem Selbst-Anschießen oder -Anköpfen gilt nur für Abwehraktionen. Auf dem Platz werden Handspiele also verschieden auf ihre Strafwürdigkeit hin beurteilt. In der Defensive soll - Ausnahme siehe oben - weitergespielt werden, in der gegnerischen Hälfte wird jedoch abgepfiffen. Diese Unterschiedlichkeit ist notwendig, um einen anderen neu eingeführten Regelpassus umsetzen zu können: Mit dem Arm erzielte Tore zählen generell nicht, eine potenzielle Strafwürdigkeit des Handspiels wird gar nicht erst beurteilt. Auch wenn im unmittelbaren Vorfeld der Torerzielung dieser Körperteil im Spiel war, gilt der Treffer nicht. Zumindest noch in dieser Saison. Dieser Passus wird zur kommenden Saison schon wieder abgeschafft, nur die Ahndungspflicht bei einer direkten Torerzielung bleibt.

Viele Änderungen der Regeln in den vergangenen fünf Jahren, besonders beim ohnehin sehr schwierig zu beurteilenden Handspiel, eine hohe Interpretierbarkeit des Gesetzestextes, der zudem nicht immer und für alle zu unterscheidenden Fälle exakt formuliert ist und oft nur den Referees anhand von Beispielen anschaulich gemacht wird - da ist es kein Wunder, wenn Spieler, Trainer, Vereinsoffizielle sowie Zuschauer den Stand der Anordnungen nicht genau kennen und Schiedsrichter in die Kritik geraten, obwohl sie nur das umsetzen, was ihnen als richtig gezeigt wurde.

Thomas Roth