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Brennstoffzelle und Wasserstoff: Gibt es doch eine Zukunft?

Verschiedene Hersteller werden aktiv

Brennstoffzelle und Wasserstoff: Gibt es doch eine Zukunft?

BMW i Hydrogen Next: Das auf Basis des X5 entwickelten Fahrzeug speichert den Wasserstoff in zwei 700-bar-Tanks.

BMW i Hydrogen Next: Das auf Basis des X5 entwickelten Fahrzeug speichert den Wasserstoff in zwei 700-bar-Tanks. BMW

Der Einstieg in die Elektromobilität hat schneller Fahrt aufgenommen, als man sich das noch vor wenigen Jahren vorstellen konnte. In seiner aktuellen Neuzulassungs-Statistik für die ersten fünf Monate 2021 meldet das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), dass Pkw mit E-Antrieb ein Plus von 192 Prozent hingelegt haben. Bereits 22,2 Prozent der Neuwagen sind entsprechend ausgestattet, ein gutes Fünftel mithin.

Neben rein batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) und vor allem den Plug-in-Hybriden (PHEV) führen Modelle mit Brennstoffzelle freilich eine sehr bescheidene Randexistenz. Das liegt an der begrenzten Verfügbarkeit: Derzeit halten nur Hyundai mit dem Crossover Nexo und Toyota mit der Limousine Mirai Angebote fürs Fahren mit Wasserstoff (H2) vor.

Peugeot e-Expert Hydrogen

Kommt im Herbst: Kleintransporter Peugeot e-Expert Hydrogen. Peugeot

Daran könnte sich aber sukzessive etwas ändern. Nachdem die meisten Hersteller ihre ersten batterieelektrischen Hausaufgaben erfolgreich abgeliefert haben, fassen einige nun doch auch die Fuel-Cell ins Auge.

Defender mit Brennstoffzelle

Nur einige Beispiele: Aus dem Stellantis-Konzern kommt im Herbst ein Kleintransporter-Trio auf den Markt, dem eine Kombination aus Wasserstoff-Brennstoffzelle und Batterie voranhilft; Peugeot e-Expert Hydrogen, Citroën ë-Jumpy Hydrogen sowie Opel Vivaro e-Hydrogen bringen es auf über 400 Kilometer H2-gespeister Reichweite, der extern aufladbare Akku spendiert weitere 50 Kilometer. BMW wiederum sammelt derzeit Erfahrungen mit dem i Hydrogen Next, der Brennstoffzellen aus einer Entwicklungs-Kooperation mit Toyota nutzt, Ende 2022 soll eine Kleinserie des auf Basis des X5 entwickelten Fahrzeugs starten. Jaguar Land Rover (JLR) stattet einen Prototypen des Gelände-Klassikers Defender mit wasserstoffbetriebener Brennstoffzelle aus, läuft alles nach Plan, startet der Testbetrieb in Großbritannien noch in diesem Jahr. Und Renault hat aktuell die Neugründung eines Wasserstoff-Joint-Ventures mit dem Unternehmen Plug Power Inc. bekanntgegeben, aus HYVIA sollen bis zum Jahresende drei leichte Nutzfahrzeuge mit sogenannter Dual-Power-Architektur hervorgehen, sie werden sowohl batterieelektrisch als auch wasserstoffbetrieben fahren.

HYVIA Nutzfahrzeuge

Wasserstoff-Kooperation: Das Joint-Venture HYVIA will Nutzfahrzeuge auf den Markt bringen. Renault

Zur Funktionsweise der Brennstoffzellentechnologie: Der betankte Wasserstoff reagiert in der Fuel-Cell mit dem Sauerstoff der Umgebungsluft, es entstehen Wasserdampf (als einziges Emissionsprodukt), Wärme und Strom, der dann den Motor antreibt.

Die Vorteile sind bekannt: Hohe Energiedichte, minutenschnelle Tankzeiten und praxistaugliche Reichweiten, die sich - im Unterschied zum batterieelektrischen Antrieb - auch bei winterlicher Kälte nur geringfügig verringern. Bei Jaguar Land Rover sieht man die Wasserstoff-Brennstoffzelle deshalb vor allem in größeren Fahrzeugen gut aufgehoben, die ausgedehnte Aktionsradien bewältigen sollen; außerdem, so heißt es, eigne sich die Fuel-Cell gut für den Einsatz in besonders warmer beziehungsweise kalter Umgebung, der erwähnten Temperaturresistenz wegen.

Wasserstoff statt Benzin

Einen anderen Weg mit Wasserstoff testet Toyota, wo man eine ausgewiesene Expertise fürs Thema besitzt. Die Japaner haben einen Motor entwickelt, der das H2 direkt verbrennt - anstelle von Benzin. Verbaut ist der Dreizylinder-Turbo in einem allradgetriebenen Corolla mit Motorsport-Ambitionen, ein erster Renneinsatz ist beim japanischen Langstrecken-Klassiker erfolgt, dem 24-Stunden-Rennen von Fuji. Die Verbrennung erfolge schneller als bei vergleichbaren Benzinern, was zu einem besseren Ansprechverhalten des Motors führe, lässt Toyota wissen. Ganz neu ist die Idee eines direkt wasserstoffbetriebenen Verbrenners übrigens nicht, BMW hat sie schon vor Jahren im 7er Hydrogen angewendet. 

Toyota Corolla

Toyota Corolla: Der Motor verarbeitet Wasserstoff statt Benzin. Toyota

"Wir sind uns bewusst, dass Wasserstoff eine wichtige Rolle im Antriebsmix der Zukunft spielt", sagt Ralph Clague, Leiter Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie bei JLR. Auch beim Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) hat man das Potenzial erkannt. "Für das Ziel eines klimaneutralen Straßenverkehrs werden alle Technologien gebraucht", erklärt VDA-Präsidentin Hildegard Müller, "dazu gehören auch Wasserstoff und E-Fuels". Dass in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU, deren nationale Umsetzung der Bundestag eben erst beschlossen hat, eine entsprechende Mindestquote fehlt, wird von der Verbandschefin ausdrücklich kritisiert.

Problem Infrastruktur

Das Kilo Wasserstoff kostet derzeit etwa 9,50 Euro. Doch auch wenn nach Angaben der Internationalen Energieagentur der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) die Zahl der Wasserstoff-Tankstellen seit 2018 um mehr als 20 Prozent gestiegen ist - es sind noch immer viel zu wenige. Stand März 2021 hat es in Deutschland nur 91 H2-Tankstellen gegeben. Nicht außer Acht gelassen darf außerdem die Tatsache, dass die Herstellung von Wasserstoff sehr energieintensiv ist. Ökologisch macht sie nur dann Sinn, wenn der benötigte Strom aus regenerativen "grünen" Quellen kommt.

Ulla Ellmer