Champions League

Bayer Leverkusen: Der Nebel des Grauens in Turin

Erinnerungen an Besonderheiten der Gruppenphase

Bayer und der Nebel des Grauens: Ohne Tore gibt's keinen Fußball

Maximal eingeschränkte Sicht: Der Nebel machte Bayers CL-Auftritt bei Juventus Turin 2001/02 zunächst schwierig.

Maximal eingeschränkte Sicht: Der Nebel machte Bayers CL-Auftritt bei Juventus Turin 2001/02 zunächst schwierig. picture-alliance / dpa

Mit Horrorfilmen konnte ich mein Lebtag nichts anfangen. Und dennoch schoss mir an diesem 21. November 2001 vor Beginn der Partie Juventus Turin gegen Bayer Leverkusen der Titel eines Kassenschlagers von John Carpenter aus dem Jahre 1980 durch den Kopf: "The Fog - Nebel des Grauens".

Turin lieferte die Kulisse für einen skurrilen Zweiteiler, der die Nerven vieler Beteiligter bis zum Zerreißen spannte. Die Premiere wurde eben an diesem 21. November aufgeführt. Zum ersten Mal in der damals noch nicht so langen Historie der Champions League musste eine Partie wegen dichten Nebels abgesagt werden.

Schon der CL-Auftakt musste verschoben werden - wegen 9/11

Nach dem Motto "Sie sehen, dass Sie nichts sehen" entschied Schiedsrichter Urs Meier aus der Schweiz wenige Minuten vor dem Anpfiff auf Abpfiff. Und er erhielt die Unterstützung der Hauptdarsteller: "Wir sind nicht glücklich über die Entscheidung", kommentierte Leverkusens Trainer Klaus Toppmöller, "aber die Bedingungen waren zu schlecht." Es war für die Werkself bereits die zweite Spielverlegung im laufenden Wettbewerb. Der Auftakt der ersten Gruppenphase gegen Fenerbahce Istanbul hatte wegen der Terroranschläge auf das World-Trade-Center am 11. September 2001 verschoben werden müssen.

Bayers Nebel-Spiel in turin

Zurück nach Turin: Der Mittwoch eine Woche später wurde schnell als Ersatztermin fixiert. Warum niemand darauf kam, dass an diesem Abend auch Nebel aufziehen könnte? Weil für die UEFA bereits damals galt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Die Natur allerdings zeigte den Hoffnungen der Funktionäre den Mittelfinger und der Nebel über Turin verschluckte erneut alle Planungen. Auch am 28. November hieß es Minuten vor dem Anpfiff von Urs Meier: "Nichts geht. Wir müssen verschieben." Beide Tore verschwanden von der Mittellinie aus gesehen im Nebel des Grauens. Und ohne Tore gibt's keinen Fußball.

Leverkusens Manager Reiner Calmund im Gespräch mit dem Schweizer Schiedsrichter Urs Meier.

Keine Sicht, keine Chance auf einen Anpfiff: Leverkusens Manager Reiner Calmund im Gespräch mit dem Schweizer Schiedsrichter Urs Meier. picture-alliance / dpa

Der Wunsch der Klubs, das Spiel entweder am 19. Dezember 2001 oder aber am 30. Januar 2002 auszutragen, verhallte ungehört bei der UEFA, deren kroatischer Delegierter Dusko Grabovac uns wartenden Journalisten um 22.12 Uhr verkündete: "Gespielt wird morgen um 15 Uhr."

Jeden Mittwoch fahr'n wir nach Turin.

Fan-Gesänge der Leverkusener Anhänger

Diese abermalige Verlegung auf den Donnerstag brachte Bayer in Harnisch: "Unverschämt", schäumte Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, der - wie auch Juventus-Vize Roberto Bettega - umgehend Protest gegen den kurzfristigen Termin einlegte. Kein Wunder. Eine Vielzahl von Problemen tat sich auf. Das nächste Hotel, dass den Bayer-Tross aufnehmen konnte, lag 80 Kilometer entfernt. Fans und Journalisten mussten kurzfristig untergebracht werden, wobei die Anhänger von Bayer sich die gute Laune nicht nehmen ließen: "Jeden Mittwoch fahr'n wir nach Turin" und "Turin, Turin, wir fahren nach Turin!" skandierten sie in den nächtlichen Nebel hinein. Beide Teams mussten im Übrigen am Samstag in ihrer Liga wieder ran, von vernünftiger Regeneration also keine Spur.

Zum dritten Termin kommen nur 3500 Zuschauer ins  Dell' Alpi"

Am Tag danach schien die Sonne über dem Piemont. Um 15 Uhr wurde angepfiffen im "Dell' Alpi", nur rund 3500 Zuschauer boten einen frustrierenden Rahmen, der einem Geisterspiel alle Ehre machte. Und trotz des von der Turiner Sonne verschluckten Nebels nahm an diesem Nachmittag das Grauen für Bayer kein Ende. Schon zur Halbzeit stand es für die ausgeschlafen wirkenden Turiner 3:0, am Ende war Leverkusen mit dem 4:0 für die "Alte Dame" noch gut bedient.

Ein wahrlich vernebelter Auftakt in die zweite Gruppenphase. Und niemand gab damals auch nur einen Cent dafür, dass Bayer sie als Sieger beenden würde und über Liverpool und Manchester United schließlich gegen Real Madrid ins Finale einziehen würde.