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Alexander Baumjohann blüht beim Sydney FC in Australien auf

Australien: Interview mit dem Ex-Bundesliga-Profi vom Sydney FC

Baumjohann: "Ich hab' nie aufgehört, an mich zu glauben"

Für Alexander Baumjohann (vorne) läuft es beim Sydney FC.

Für Alexander Baumjohann (vorne) läuft es beim Sydney FC. imago images

Im Hintergrund sind laute Kinderstimmen zu hören. Alexander Baumjohanns Familie hat Besuch von der Familie seiner Frau aus Brasilien. Seine Töchter haben seit Weihnachten und noch bis zum Montag Sommerferien. Baumjohann, der am vergangenen A-League-Spieltag beim 3:0-Sieg bei Melbourne Victory traf und später vom Platz flog, ist gut gelaunt. Der frühere Bundesliga-Profi (Schalke, Gladbach, Bayern, Kaiserslautern, Hertha) führt mit Sydney FC die australische Liga an - und will jetzt auch international überzeugen.

kicker: Marco Kurz wurde Mitte Januar bei Melbourne Victory entlassen, Markus Babbel vergangene Woche bei den Western Sydney Wanderers. Alex Meier hat vorzeitig bei den Wanderers hingeschmissen und am Dienstag sein Karriere-Ende bekanntgegeben. Wird es allmählich einsam in der deutschen Community in Down Under, Herr Baumjohann?

Spielersteckbrief Baumjohann
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Australien - 17. Spieltag
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1
Sydney FC Sydney FC
40
2
Melbourne City Melbourne City
27
3
Perth Glory Perth Glory
26
Trainersteckbrief Corica
Corica

Corica Steve

Alexander Baumjohann: Nein, Patrick Ziegler zum Beispiel ist ja noch bei den Western Sydney Wanderers. Natürlich verfolge ich die anderen Deutschen hier, aber es ist nicht so, dass wir uns dreimal in der Woche zum Schnitzel-Essen verabreden. Jeder geht seinen Weg. Und die Fälle liegen unterschiedlich. Melbourne Victory und die Western Sydney Wanderers sind in dieser Saison unter den Erwartungen geblieben, dann kommt der Trainer zwangsläufig in Schwierigkeiten. Und Alex wollte aus persönlichen Gründen zurück nach Deutschland.

kicker: Sie sind im Sommer 2019 innerhalb der Stadt von den Wanderers zu Sydney FC gewechselt und dominieren mit Ihrem neuen Klub die A-League. Sind Sie jetzt zur richtigen Zeit am richtigen Ort?

Baumjohann: Das kann man so sagen. Es läuft gut für uns als Team und für mich persönlich. Ich hatte letzten Sommer mit dem Kapitel Australien schon abgeschlossen und unsere Wohnung gekündigt, als das Angebot von Sydney FC kam. Es anzunehmen, war eine gute Entscheidung. Ich kann hier meine Stärken ausspielen und der Mannschaft helfen.

kicker: Was macht Sydney FC besser als die Konkurrenz?

Baumjohann: Der Klub hat eine klare Philosophie und setzt auf Kontinuität. Von 14 Spieler-Verträgen, die 2020 ausgelaufen wären, wurden 13 schon verlängert. Die Mannschaft ist eingespielt und gut besetzt. Und wir haben mit Steve Corica, der im Dezember seinen Vertrag bis 2022 verlängert hat, einen Top-Trainer. Er ist jetzt nach vielen Jahren als Spieler und Co-Trainer im zweiten Jahr hier Cheftrainer, wurde schon im ersten Jahr Meister und ist auf dem Weg, alle Rekorde an Siegen und Toren zu brechen. Er ist mit 46 Jahren immer noch recht jung, ich traue ihm eine große Zukunft als Trainer zu. Unser Ziel ist klar: Wir wollen die reguläre Saison als Erster beenden, weil wir damit automatisch für die AFC Champions League in der kommenden Saison qualifiziert wären - und uns auch in den Play-offs behaupten und den Meistertitel verteidigen.

Baumjohann: "Die Rote Karte war ein Witz"

kicker: Sie haben beim 3:0-Sieg bei Melbourne Victory Ihr erstes Saisontor erzielt und in der Nachspielzeit wegen einer Tätlichkeit die Rote Karte gesehen. War zu viel Adrenalin im Spiel?

Baumjohann: (lacht) Diese Paarung ist das Duell schlechthin in der A-League - vergleichbar mit dem Spiel Bayern gegen Dortmund in Deutschland. Wir haben stark gespielt und überzeugend gewonnen. Die Rote Karte war ein Witz. Ich wollte vom Boden aufstehen, habe mich umgedreht und traf meinen Gegenspieler fast gar nicht. Der hat viel mehr daraus gemacht, als wirklich war. Ich bin jetzt zwei Spiele gesperrt, das ist ärgerlich.

"Die Schiedsrichter haben es schwer durch den Videobeweis"

kicker: Markus Babbel hat nach seiner Entlassung im kicker die Qualität der Schiedsrichter in der A-League hart kritisiert und gesagt: "Es war Glücksspiel unter freiem Himmel." Hat er recht?

Baumjohann: Sie haben es schwer durch den Videobeweis. Der nimmt dem Fußball einiges von seiner Emotionalität. Und der Feld-Schiedsrichter verliert dadurch an Autorität und Sicherheit.

kicker: Sie waren gegen Melbourne an allen drei Toren beteiligt. Ist das gerade der alte Alexander Baumjohann?

Baumjohann: Ich fühle mich in jedem Fall so fit und frisch wie lange nicht. Ich hatte auch im Vorjahr bei den Wanderers einige gute Spiele, aber wir haben als Mannschaft enttäuscht. Bei Sydney FC läuft es für alle, dadurch ist es für jeden Einzelnen einfacher. Hier wurde schon zu Zeiten, als Alessandro Del Piero für den Verein spielte (von 2012 bis 2014, d. Red.), offensiv gedacht und gespielt. Auch Steve Corica lässt offensiv spielen: mit zwei Sechsern, zwei Zehnern und zwei Spitzen. Für mich ist das eine Umstellung. Ich habe die meiste Zeit meiner Karriere allein auf der Zehn gespielt. Coricas System verlangt mir auch defensiv einiges ab, aber es macht Spaß - und bringt uns Erfolg.

kicker: Am 12. Februar startet für Ihren Klub die AFC Champions League. Was ist drin?

Baumjohann: Wir haben die schwerste Vorrunden-Gruppe erwischt (mit den Yokohama F. Marinos, Shanghai SIPG und Jeonbuk Hyundai Motors, d. Red.). Trotzdem ist es unser Ziel, die Gruppenphase zu überstehen. Wir starten zu Hause gegen Shanghai (mit Hulk, Oscar und Marko Arnautovic, d. Red.). Am 19. Februar spielen wir in Yokohama beim japanischen Meister, der vom früheren australischen Nationalmannschafts-Coach Ange Postecoglou trainiert wird. Beide Teams sind anders als wir noch nicht im Liga-Rhythmus. Diesen Vorteil wollen wir ausnutzen. Vier Punkte aus den beiden Spielen wären eine sehr gute Basis.

Baumjohann: "Wir sind in der AFC Champions League nur Außenseiter"

kicker: Wie gut ist die A-League wirklich?

Baumjohann: Sportlich hat sich das Niveau die letzten drei, vier Jahre verbessert. Melbourne Victory hat gerade in den Champions-League-Playoffs die Kashima Antlers aus Japan geschlagen, so etwas hilft dem Ansehen der A-League. Strukturell gibt es noch viel Luft nach oben. Im Moment wird darüber diskutiert, die Saison in den australischen Winter zu verlegen und künftig von März bis November zu spielen. Ich bin dafür, es würde die Qualität der Spiele verbessern. Mit Blick auf den asiatisch-pazifischen Raum und die arabischen Länder muss man sagen: Die Klubs in China, Japan, Korea oder in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben deutlich mehr Geld. Deshalb sind wir in der AFC Champions League nur Außenseiter.

kicker: Sie haben mit zwei Kreuzbandrissen in Ihrer Bundesliga-Zeit und dem unglücklich verlaufenen Jahr in Brasilien viele Enttäuschungen erlebt. Entschädigt die gute Phase jetzt für vieles?

Baumjohann: Ich hab' nie aufgehört, an mich zu glauben. Wer gelitten hat, kann besser wertschätzen und genießen, wenn es dann wieder gut läuft. Ich gehe hier in jedes Training und jedes Spiel mit viel Spaß - weil ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist.

kicker: Sie sind 33, Ihr Vertrag läuft bis 2021. Ist Australien Ihre letzte Karriere-Station?

Baumjohann: Ich fühle mich hier sehr wohl, aber das muss nicht die letzte Station sein. Ein Engagement in Japan oder Südkorea könnte mich nochmal reizen. Nach dieser Saison greift in meinem Vertrag eine Ausstiegsklausel. 2021 soll jedenfalls noch nicht Schluss sein, dafür habe ich noch zu viel im Tank. Ich will noch vier bis fünf Jahre spielen und die Zeit, die ich durch meine Verletzungen verpasst habe, hinten dran hängen.

kicker: Geht es nach der Karriere zurück nach Deutschland oder nach Brasilien, in die Heimat Ihrer Frau?

Baumjohann: Weder noch. Wir planen, in Sydney zu bleiben. Es gefällt uns hier richtig gut.

24 Stunden am Tag den Rauch einzuatmen, entsprach etwa dem Konsum von 50 Zigaretten.

Alexander Baumjohann zu den Buschbränden

kicker: Die Bilder der Buschbrände gehen um die Welt. Wie sehr wird Ihr Alltag beeinträchtigt?

Baumjohann: Vor drei, vier Wochen war die Situation extrem. Da konntest du in Sydney keine 500 Meter weit schauen. 24 Stunden am Tag den Rauch einzuatmen, entsprach etwa dem Konsum von 50 Zigaretten. Unsere Töchter gehen auf die Deutsche Schule, die etwa 20 Kilometer nördlich von Sydney liegt. Die hatte fünf Tage geschlossen. Sie blieben dann zu Hause, die Klimaanlage blieb ausgeschaltet, Fenster und Türen waren verriegelt.

"Die Solidarität der Menschen untereinander ist sensationell"

kicker: Um die Austragung der Australian Open in Melbourne, die aktuell laufen, gab es eine Debatte. Ist es richtig, dass der Sport in Zeiten des nationalen Ausnahmezustands weitermacht?

Baumjohann: Für das Land, für die Menschen, für die Tiere, für alle ist das Ausmaß dieser Brände eine Katastrophe. Mehr als eine Milliarde Tiere sind gestorben. Das ist ein Drama. Trotzdem muss das Leben weitergehen. Es wäre schwierig geworden, ein solches Event wie ein Grand-Slam-Turnier im Tennis zu verschieben. Und in der A-League Spieltage auszusetzen, hätte auch niemandem geholfen. Das ganze Land steht zusammen, die Solidarität der Menschen untereinander ist sensationell. Und der Sport kann gerade in solchen Zeiten Ablenkung bieten.

Interview: Steffen Rohr