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Auch Bayern zieht endgültig den Schlussstrich: Die Amateursaison ist beendet

Ganz Deutschland bricht ab

Auch Bayern zieht endgültig den Schlussstrich: Die Amateursaison ist beendet

Wann kehrt endlich wieder die Normalität zurück in den Amateurspielbetrieb?

Wann kehrt endlich wieder die Normalität zurück in den Amateurspielbetrieb? IMAGO / Norbert Schmidt

"Als Fußballer blutet einem das Herz bei einer solchen Entscheidung", sagte Ronny Zimmermann, als es auch im Südwesten so weit war. Der Präsident des Badischen Fußballverbands wählte Abbruch-Worte, die herausstachen aus dem Wust der nüchternen, quer durchs Land flatternden Pressemitteilungen. Worte, die klar machten: Nicht nur der bfv steckt in einer deprimierenden Eiszeit fest. Während sich anderswo Ansätze etablierten, in denen das Fortschreiten der Zeit möglich war, fror Corona den Amateurfußball auch im zweiten Jahr in Folge fast vollständig ein. Dabei wies der DFB gebetsmühlenartig darauf hin, dass Sport an frischer Luft sogar förderlich im Kampf gegen Corona sei und hat zwischenzeitlich eine Petition ins Leben gerufen.

Andernorts hatte man früh erkannt, dass die Saison nicht zu halten sei: Den Anfang machte Hamburg schon Anfang März, danach purzelten die Abbrüche in den Bundesländern im Takt der Bund-Länder-Konferenzen. Mitte April schlossen die drei Landesverbände Nordrhein-Westfalens die letzten weißen Flecken der Landkarte. Dabei hatten sie nach der Erfahrung des vergangenen Jahres überall Vorkehrungen getroffen, Ligen halbiert, Spielordnungen angepasst. Genutzt hat es fast nichts: Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt will man nach gezogenem Schlussstrich per Quotientenregel Aufsteiger bestimmen. Überall sonst ließ Corona zu wenige Spiele für diese Lösung zu, eine Annullierung ist die Folge. Viele Verbände müssen nun für die Saison 2021/22 hoffen, ihre nach dem Abbruch 2019/20 teils aufgeblähten Ligen zu glätten.

Bayerischer Sonderweg

Es gibt Ausnahmen: Der Bayerische Fußballverband, der als einziger Verband die Ergebnisse der Saison 19/20 stehen ließ und zu einer Spielzeit 19/21 erweiterte. Monatelang in einer Art "Realitätsverweigerungsmodus", wollte man in München nun das Wort "Abbruch" gar nicht erst in den Mund nehmen. Fußball sei Teil der Lösung, nicht des Problems, hieß es wie ein Mantra aus München, man habe außerdem die Pflicht, den Vereinen einen Spielbetrieb anzubieten.

So ließ man zwar seine Vereine in der Luft hängen, sah sich aber in der vergleichsweise komfortablen Lage, aufgrund einer weit fortgeschrittenen Spielzeit mit der Quotientenregel zumindest ein paar sportliche Schlüsse aus dieser Corona-Zitrone zu pressen. Der BFV setzte nach der Ende März einsetzenden Erkenntnis, dass die Saison nicht zu Ende gespielt werden kann, noch darauf, so viele Partien wie möglich absolvieren zu lassen, sah darin den Weg hin zu einer möglichst gerechten Wertung. Ein durchaus problematischer Ansatz: Einerseits war längst absehbar, dass es durch die unterschiedlichen Inzidenzwerte niemals Chancengleichheit geben könne, andererseits wären unter diesen Vorzeichen Spielabsagen von Vereinen auch durchaus ein strategisch einzusetzendes Mittel - etwa, weil Spiele gegen Spitzenteams das Risiko bergen, den eigenen Quotienten entscheidend zu verschlechtern.

Der Verband jedenfalls musste es bald auch einsehen, ließ sich von seinen Vereinen die Modalitäten eines Abbruchs absegnen. Streit gab es um einen Paragrafen mit der Ziffer 93, der - während der Saison ersonnen - auch Absteiger nach Quotientenregel zuließ. Auch wenn es daran Kritik gab, bei einer Abstimmung, die bis 18. Mai lief, votierten 71,14 Prozent der an einer Abstimmung teilnehmenden Vereine für Auf- und Abstieg nach Quotientenregel und gegen das Alternativmodell, den Abstieg auszusetzen, aber gleichzeitig auch die Mannschaften auf den Aufstiegsrelegationsplätzen aufsteigen zu lassen. Unter dem Strich lässt sich konstatieren: Mit seiner im vergangenen Sommer einsam gefällten Entscheidung ist der BFV nicht schlecht gefahren: Selbst ist man von Abbruchs-Altlasten und übervollen Ligen frei, und gleichzeitig bleiben auch die in den vergangenen Monaten eingefahrenen Leistungen der bayerischen Vereine nicht völlig ungewürdigt, wenngleich auch diese Entscheidung inklusive Abstimmungsergebnis sicherlich nicht frei von Kritik bleiben wird.

Streitpunkte an Schnittstellen

In vielen Verbänden bleiben offene Fragen: Die nach der Schnittstelle Oberliga/Regionalliga etwa. So wird es in den fünftklassigen Oberligen im Nordosten Deutschlands Auf- und Absteiger geben - obwohl erst eine Viertelsaison absolviert wurde. Eine Lösung muss auch für Pokalwettbewerbe der Länder gefunden werden, die bekanntlich in den finanziell lukrativen DFB-Pokal führen. Hier kristallisiert sich auf breiter Fläche die Lösung heraus, den Wettbewerb durch die Teams ab Regionalliga aufwärts beenden zu lassen, die sich aufgrund ihres von der Politik zugestandenen Status ohnehin im Spiel- oder zumindest Trainingsbetrieb befinden. Die Amateurvertreter sollen finanziell entschädigt werden. Manche Verbände setzen aber auch erstmal nur ein Entscheidungsspiel um die DFB-Pokal-Teilnahme an und wollen den Cup-Wettbewerb im Laufe des Sommers noch komplett austragen, sofern Corona das zulässt.

Die letzten Monate waren anspruchsvoll - auch für die Landesverbände, die dauerhaft im Kreuzfeuer standen, Risiken eingehen mussten und aus ihrer hilflosen Position heraus wenig richtig machen konnten. Nicht nur bei ihnen bleibt die Hoffnung auf früher vielleicht eintönig empfundene Abläufe, auf die Zuverlässigkeit von Rahmenterminplänen, auf Spiele im Takt der Wochenenden. Die Hoffnung auf Normalität.

Jan Mauer/stw

Absoluter Ausnahmezustand: Der Amateurfußball in der Corona-Krise