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"Atlas-Kloppo" Regragui: "Wir sind der Rocky Balboa dieser WM"

Marokkos Trainer hat nun vor nichts und niemandem mehr Angst

"Atlas-Kloppo" Regragui: "Wir sind der Rocky Balboa dieser WM"

Der Macher hinter Marokkos historischem Triumph: Nationalcoach Walid Regragui.

Der Macher hinter Marokkos historischem Triumph: Nationalcoach Walid Regragui. Getty Images

Aus Katar berichtet Thiemo Müller

Der personelle Aderlass war am Ende dramatisch: Innenverteidiger Nayef Aguerd (Knieverletzung) und Linksverteidiger Noussair Mazraoui (Infekt) hatten im Viertelfinale ohnehin gefehlt, nach knapp einer Stunde musste zudem Kapitän Romain Saiss wegen seiner Oberschenkelblessur die Segel streichen. Und schließlich verabschiedete sich auch noch die entkräftete Flügelzange in Person von Hakim Ziyech und Sofiane Boufal. Doch die Überraschungsmannschaft dieser WM hielt trotz allem auch dem portugiesischen Powerplay beeindruckend stand: "Wir haben Spieler um Spieler verloren", formulierte Coach Walid Regragui, "aber wir haben unser Herz behalten."

"Marokko zeigt der ganzen Welt, was man mit Leidenschaft erreichen kann"

Solch eingängige Metaphern sind typisch für den 47-Jährigen, der von heimischen Medien vor dem Turnier als "afrikanischer Guardiola" angekündigt wurde. Doch dieser Vergleich hinkt nicht nur, weil Regragui alles andere als ein Ballbesitz-Fanatiker ist. Ebenso wie sein Pressing- und Umschaltfußball erinnert auch sein charismatisches Auftreten vielmehr just an einen großen Guardiola-Antipoden: Tatsächlich wirkt Regragui wie eine afrikanische Version von Jürgen Klopp. Auch der folgende Vergleich aus dem Mund des "Atlas-Kloppo" könnte eins zu eins vom Boss des FC Liverpool stammen: "Wenn du Rocky Balboa im Kino gesehen hast, bist du automatisch Fan von Rocky Balboa. Hier sind wir der Rocky Balboa dieser WM. Marokko zeigt gerade der ganzen Welt, was man mit Leidenschaft erreichen kann. Und deshalb ist die ganze Welt jetzt mit Marokko - inshallah."

"Weltmeister Marokko? Wenn du der Kleine bist, musst du an deine Träume glauben"

Ein Knockout ist also weiß Gott nicht mehr vorgesehen in den Gedankengängen des in Frankreich zur Welt gekommenen Fußballlehrers. Ob er im Halbfinale lieber gegen sein Geburtsland oder gegen England antreten möchte? Für Regragui einerlei: "Wer Weltmeister werden will, muss gegen jeden gewinnen." Weltmeister Marokko? Ehrlich jetzt? "Warum nicht", antwortet der Coach, "ich habe schon auf einer meiner ersten Pressekonferenzen hier in Katar gesagt: Warum sollte Marokko nicht den World Cup gewinnen? Wenn du der Kleine bist, musst du groß denken und an deine Träume glauben. Das ist es, was wir den nachkommenden Generationen mitgeben: Sie wissen jetzt, auch afrikanische Mannschaften können es schaffen bei einer WM unter die Top vier zu kommen."

"Es ist kein Wunder, sondern harte Arbeit. Aber wir haben noch nichts erreicht"

Das jetzt schon historisch erfolgreiche Abschneiden sei "kein Wunder", betont Regragui gleich doppelt, "kein Wunder, sondern harte Arbeit. Und wir haben Top-Spieler, die in Topklubs spielen. Also können wir auch bei einer WM gegen jeden gewinnen. Zugleich sind wir uns bewusst: Wir haben noch nichts erreicht." Noch einmal zählte der Trainer bei der Gelegenheit die bisherigen Gegner auf: Kroatien, Belgien, Kanada, Spanien und nun Portugal. "Absolute Spitzenmannschaften aus Europa", wie Regragui festhält, "und nur gegen Kanada haben wir ein Gegentor bekommen. Inzwischen fühlen wir uns praktisch unschlagbar, auch weil wir in Bono einen der besten Torhüter der Welt haben."

"Egal wer auf uns treffen wird: Er wird es sehr, sehr schwer haben"

Nicht einmal die angespannte Personalsituation mache ihm vorm Halbfinale wirklich Sorgen, versichert Regragui: "Wir haben 26 Spieler. Und wenn du die WM gewinnen willst, musst du an jeden Einzelnen glauben. Das tue ich, und es hat sich schon heute gezeigt: Alle machen einen fantastischen Job. Es ist das Team, das gewinnt." Die Hoffnung auf eine rechtzeitige Rückkehr von Saiss und Mazraoui äußert der Trainer gleichwohl: "Beide sind immens wichtig für unsere Spielweise und unsere Mannschaft." Doch auch davon unabhängig habe er diese Botschaft an den - oder besser schon: die - nächsten Gegner: "Egal, wer auf uns treffen wird - er wird es sehr, sehr schwer haben, uns zu bezwingen."