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Argentinien lässt das Stadion vibrieren - Messi vermeidet das Wörtchen WM-Titel

Kapitän spricht von "einem Schrittchen mehr hin zum Ziel"

Argentinien lässt das Stadion vibrieren - Messi vermeidet das Wörtchen WM-Titel

Anführer auf dem Platz und bei den Feierlichkeiten: Argentiniens Kapitän Lionel Messi.

Anführer auf dem Platz und bei den Feierlichkeiten: Argentiniens Kapitän Lionel Messi.

Aus Katar berichtet Jörg Wolfrum

Und dann war es doch noch einmal vieeeel lauter, als sich das selbst der Nationaltrainer hatte vorstellen können. Lionel Scaloni hatte schon nach dem 2:0 gegen Polen zum Abschluss der Gruppenphase von der riesigen Unterstützung durch die argentinischen Fans in Katar geschwärmt und von einer "Heimspiel-Stimmung" gesprochen.

Nach dem völlig verdienten, angesichts vergebener Chancen am Ende aber doch noch knappen 2:1 Argentiniens im Achtelfinale gegen Australien vibrierte das Ahmad Bin Ali Stadium geradezu unter dem immer lauter werdenden Chor der rund 30.000 Fans, die minutenlang ihre Albiceleste mit Gesängen feierten - und die Spieler sangen und tanzten vor dem Fanblock mit, der sich letztlich fast durch das gesamte 45.000 Zuschauer fassende Stadion zog.

Ein strahlender Kapitän Lionel Messi, der vor der Pause bei seiner fünften Endrunde mit seinem ersten Tor in einer WM-K.-o.-Runde sein Team in Führung gebracht hatte, erklärte kurz danach noch immer ein wenig euphorisch: "Das waren unglaubliche Momente."

WM-Achtelfinale am Samstag

Der 35-Jährige hatte nach dem Schlusspfiff minutenlang vor der Kurve mitgemacht und gab zu: "Ja, wir wollten wieder feiern, es ist der Wahnsinn, unglaublich, wie der Funke von den Anhängern auf uns überspringt, ein großes Dankeschön an sie", lachte Argentiniens Anführer auch fast eine Stunde nach Spielende noch und betonte: "Das ist ein weiteres Schrittchen hin zu unserem Ziel."

Gemeint ist natürlich der WM-Titel, auch wenn "10" das Wort nicht in den Mund nahm. Denn er wusste trotz der eigenen Klasseleistung an diesem Abend: Am Ende war es nach der lange komfortablen Führung (Julian Alvarez hatte Mitte der zweiten Halbzeit das 2:0 erzielt) noch einmal eng geworden.

Messi: "Am Ende verkomplizierten wir es uns durch das Gegentor selbst"

Enzo Fernandez hatte nach 77 Minuten mit einem Eigentor die Socceroos wieder zurück ins Spiel gebracht - und Keeper Emiliano Martinez musste in der Nachspielzeit gegen Garang Kuol sogar in extremis den Ausgleich und damit die Verlängerung verhindern. Letztlich sicherte damit ausgerechnet der zuvor wackelige Keeper den Sieg. Auch Messi gab zu: "Ja, es war ein sehr hartes Spiel für uns, sie agierten sehr physisch, und am Ende verkomplizierten wir es uns durch das Gegentor selbst."

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"Messis beste Leistung, doch zwei Dinge müssen sich ändern"

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Dennoch zollte auch Australiens Trainer Graham Arnold dem Superstar ob dessen Leistung Respekt. "Unglaublich, was er gezeigt hat, er ist einer der Größten aller Zeiten." Und: "Ich hatte das Privileg, als Profi einst gegen Maradona spielen zu dürfen", nun habe er als Trainer ein "weiteres Mal mit meiner Mannschaft gegen Messi spielen dürfen."

Der Coach sagte nicht "gegen Argentinien". Denn tatsächlich hatte der Kapitän der Albiceleste ein großartiges Spiel gemacht, nach einer guten halben Stunde die Führung erzielt und vor allem nach der Pause das Spiel seiner Mannschaft angetrieben. Bei einem Sololauf Mitte der zweiten Halbzeit ging ein Raunen durch das Stadion. Einzig ein weiterer Treffer war ihm versagt geblieben - noch ist daher Gabriel Batistuta mit zehn Endrunden-Toren führender Argentinier in diesem Ranking. Messi bilanziert nun drei Treffer bei dieser WM, insgesamt neun.

Im Viertelfinale gegen die Niederlande könnte er "Batigol" einholen, es wäre dann zum, aus argentinischer Sicht, richtigen Zeitpunkt. Denn gegen die Mannschaft von Louis van Gaal darf sich die Albiceleste nicht solche Unsicherheiten in der Abwehr leisten, will sie "ein weiteres Schrittchen" hin zum Titel machen. Auch Nationaltrainer Scaloni betonte später: "Jetzt wartet ein noch stärkerer Gegner auf uns."

Unklar daher, ob es auch nach dem Viertelfinale wieder zu solchen Feierlichkeiten wie am Samstag kommen wird. Doch selbst Scaloni gab zu, dass so eine Eruption der Freude wichtig und hilfreich sei für die Psyche: "Das sind einzigartige Momente. Es gibt nichts Besseres im Fußball, ich habe mitgefeiert, meine Familie auch, die hier ist, alle." Wenn sie sich nur nicht zu früh gefreut haben.

Jörg Wolfrum