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Anselm: "Es führt nicht immer alles über Salzburg hoch"

Ex-Red Bull Salzburg-Talent auf Torjagd für die WSG Tirol

Anselm: "Es führt nicht immer alles über Salzburg hoch"

Tobias Anselm hat sich als Stammspieler in Tirol etabliert

Tobias Anselm hat sich als Stammspieler in Tirol etabliert GEPA Pictures

Mit 13 Jahren wagte Tobias Anselm den Schritt aus seiner Heimat Tirol nach Salzburg, wo er sich der Jugendakademie von Serienmeister Red Bull Salzburg anschloss. Von der U 14 bis zur U 18 durchlief der Offensivspieler alle Nachwuchsteams der "Roten Bullen", feierte mehrere Meistertitel und erzielte auch in der UEFA Youth League sowie anschließend in der 2. Liga für den FC Liefering seine Tore. Doch im damaligen Offensivüberangebot mit Erling Haaland, Patson Daka und Co. entschied sich der mittlerweile 21-jährige Angreifer im Sommer 2020 zum Abschied und unterschrieb beim LASK einen Dreijahresvertrag. Viel von Linz bekam er allerdings nicht zu sehen, denn schon bald folgte der direkte Leihwechsel zur WSG Tirol.

8. Spieltag

Dort konnte er in seiner ersten Bundesligasaison mit sechs Toren und drei Assists überzeugen und sich als Stammspieler mit dem Tiroler Bundesligisten sogar sensationell für die Meistergruppe qualifizieren. Anstelle der Rückkehr nach Linz, entschied sich Anselm für ein weiteres Jahr in Tirol und zählt auch in der aktuellen Saison zu den auffälligsten Akteuren im Team von Thomas Silberberger. Mit dem kicker spricht der 21-Jährige über die aktuelle, noch sieglose Saison, seine Zeit bei Red Bull Salzburg und warum er sich im Sommer gegen eine Rückkehr zum LASK entschieden hat.

kicker: Mit fünf Unentschieden in den ersten Spielen seid ihr die Remiskönige der Liga. Ein Sieg ist euch bisher nicht gelungen und in der Tabelle liegt man auf dem letzten Platz. Sieht die Situation schlimmer aus, als sie in Wahrheit ist?

Tobias Anselm: So kann man es formulieren. Wir müssen jedenfalls nicht in Panik geraten, weil teilweise die Leistungen nicht schlecht waren und wir uns nur noch nicht belohnt haben. Oft haben wir nach einer 1:0-Führung nicht nachgelegt bzw. haben dann das nicht konsequent zu einem Sieg verteidigt. Tabellarisch helfen uns die Unentschieden nicht weiter, aber in keinem Spiel hatte ich das Gefühl, wir waren klar unterlegen und das stimmt mich positiv für die kommenden Partien.

In sechs eurer bisher sieben Spiele habt ihr jeweils den Führungstreffer erzielt. Zu drei Punkten hat es trotzdem noch nicht gereicht. Woran ist das auszumachen?

Wir waren immer gierig auf das zweite Tor, aber gegen Ende der Partien haben uns oft die Körner gefehlt. Da hat man gesehen, dass die anderen Mannschaften nochmal frischen Wind bringen können und bei uns war das schwierig nachzulegen. Gegen Schluss des Spiels sind wir bisher zudem immer irgendwie nervös geworden, dass wir den Sieg einfahren. Schlussendlich wollen wir immer gewinnen, aber es ist schwierig zu sagen, an was es konkret mangelt zurzeit.

Macht sich die Mannschaft nach der durchaus erfolgreichen Vorjahressaison vielleicht auch selbst etwas zu viel Druck? Wie wichtig wäre es da bald den ersten Dreier einzufahren?

Wenn man schon etwas angezählt ist und man schon lange auf den ersten Sieg wartet, dann geht es gar nicht mehr so um das Spielerische, sondern um das Mentale. Es ist wichtig, dass wir jetzt einen dreckigen Sieg einfahren. Der muss nicht hoch ausfallen oder sonst was, ein erkämpfter Sieg würde uns bestimmt sehr viel Selbstvertrauen geben. Wie man anhand der Tabelle sieht, wäre man ja schon mit zwei Siegen wieder irgendwo im Mittelfeld, also da mache ich mir noch gar keine Sorgen.

In deiner Bundesliga-Debütsaison hast du neun Scorerpunkte in 26 Spielen sammeln können, aktuell stehst du bei vier in sieben Partien. Wie zufrieden bist du mit deiner Entwicklung seit der Ankunft in Tirol?

Mich freut es, dass ich in jedem Spiel ordentliche Leistungen abrufen kann und mittlerweile in der Bundesliga angekommen bin. Ich komme in jedem Spiel zu meinen zwei, drei guten Chancen, woran ich aber noch arbeiten muss, ist meine Chancenauswertung. Ich könnte jetzt auch schon mehr Tore haben. Der Doppelpack zuletzt im U-21-Nationalteam hat mir Selbstvertrauen gegeben, aber schlussendlich würde ich der Mannschaft gerne helfen, indem ich auch beim Verein anfangen würde, mehr zu treffen. Mein größter Vorteil ist dabei, dass ich keinen schwachen Fuß habe und daher eine große Flexibilität besitze, jetzt muss ich es nur noch in Tore ummünzen.

Als du dich im letzten Jahr der WSG angeschlossen hast galt sie als klarer Abstiegskandidat. Im Endeffekt habt ihr euch für die Meistergruppe qualifiziert. Überrascht, dass es auf Anhieb gleich so gut lief beim neuen Verein?

Es hat auf jeden Fall richtig Spaß gemacht. (lacht) Wir hatten da eine sehr gute Mannschaftskonstellation, die haben wir auch heuer, aber im letzten Jahr hat das alles einfach sehr gut gegriffen. Dass wir dann zum Beispiel gegen meinen Stammverein, den LASK, von den vier Duellen nicht eines verloren haben und ich am achten Spieltag mein Debüttor schießen konnte, war schon etwas Besonderes. Das waren coole Sachen, die mir definitiv einen Push in meiner Karriere gegeben haben.

Wenn man Spieler im Team hat, die Geschichten erzählen, dass sie mit Cristiano Ronaldo und Co. in der Kabine gesessen sind, ist das schon etwas Besonderes.

Tobias Anselm

Mit Nikolai Baden Frederiksen und Giacomo Vrioni bist du in den Genuss von zwei jungen Angreifern gekommen, die beide aus dem Nachwuchs von Italiens Rekordmeister Juventus Turin stammen. Was kann man sich von solchen Spielern abschauen?

Wenn man solche Spieler im Team hat, die Geschichten erzählen, dass sie mit Cristiano Ronaldo und Co. in der Kabine gesessen sind, ist das schon etwas Besonderes und sind Stories, von denen man in Wattens nur träumen kann. Am Platz hat jeder aber ganz normal Gas gegeben, der Nikolai hatte ja einen unglaublichen Schuss. Da habe ich mir schon ein paar Sachen abgeschaut, auch wie selbstbewusst er auftritt und um das geht es einfach. Der ist hergekommen und hat sofort Verantwortung übernommen und das probiere ich heuer zu machen.

Wie nimmt man das als junger Spieler wahr, wenn man plötzlich solche Teamkollegen hat, die schon bei einem so großen Verein ihr Können zeigen durften?

Es ist eine spannende Situation, weil man sehen kann, was die in dem Alter schon mitbringen und wie weit sie im Vergleich zu einem selbst sind, dass sie schon bei so einem Verein in der ersten Mannschaft mittrainiert haben. Da kann man schon seine Vergleiche ziehen. Man sieht auch, dass es im Fußball schnell gehen kann. Da trainierst du mit einem Topstar wie Cristiano Ronaldo und dann kommst durch eine Leihe nach Wattens zur WSG Tirol. Die beiden sagen aber, dass es ihnen extrem gut tut, die österreichische Bundesliga hat ein ordentliches Niveau und wir brauchen uns da auch nicht verstecken.

Zwei der bisher drei erzielten Tore von Giacomo Vironi konntest du vorbereiten - wieso funktioniert die Zusammenarbeit zwischen euch beiden so gut?

Giacomo ist ein anderer Spielertyp wie Nikolai. Er ist in der Box noch präsenter, weil er körperlich robuster ist. Dadurch weiß ich seine Laufwege etwas besser, weil er immer in der Box zu finden ist. Man kann wild aufspielen und er wird immer für Tore da sein, weil er eben ein Vollblutstürmer ist. Dennoch müssen wir uns auch noch besser finden, er mehr Anschluss in der Mannschaft finden und sich noch weiter in das System integrieren.

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Dein Leihwechsel zur WSG Tirol war für dich eine Rückkehr in die Tiroler Heimat. Davor bist mit 13 Jahren in die Akademie von Red Bull Salzburg gewechselt. Auch wenn es beim Serienmeister nicht zum ganz großen Durchbruch gereicht hat, wie bewertest du deine Zeit dort rückblickend?

Rein ausbildungsmäßig war das unglaublich. Was die auf die Beine gestellt haben mit der Akademie, das hab’ ich doch jeden Tag erlebt, da hatte man schon überragende Möglichkeiten. Ich bin damals in der U 14/U 15 gekommen und hab' dann gleich alles "zerbombt" kann man sagen, hatte dann wegen Verletzungen aber zwei, drei mühsame Jahre. Dann ist es Richtung Liefering gegangen und dort waren die ersten beiden Saisonen etwas holprig. Die Konkurrenz ist riesig, da gab es so viele Spieler, die jetzt in Topligen sind und dann bin ich nicht mehr zu so viel Spielminuten gekommen. Die dritte Saison, wo wir Zweiter geworden sind, war die Saison, die mir wirklich gut getan hat, da habe ich doch 20 Spiele absolviert und das hat mir dann auch die Chance gegeben, dass ich beim LASK unterschreibe. Salzburg hat mir zum Abschied noch gesagt, dass ich zwar gut performt habe, aber wenn man nach oben schaut und sich die Konkurrenz mit Haaland und Daka ansieht, dass es nicht reicht. Ich war dann schon 20 und deren Philosophie ist es doch, dass sie den 17-/18-Jährigen Verträge geben und die pushen. Aber so ist der Fußball und ich hab’ dann einen anderen Schritt gemacht. Rückblickend habe ich dort richtig coole Sachen erlebt.

Im Nachwuchs hast du mit einigen Spielern zusammengespielt, die nun um den Meistertitel kämpfen und in der Champions League spielen. Verspürst du Bedauern, dass es bei dir nicht geklappt hat oder ordnest du die Situation realistisch ein?

Das sieht man schon realistisch. In dem Moment haben diese Spieler einfach besser in das System hineingepasst und haben den Weg dort konsequent durchgezogen. Mich stimmt es aber positiv, dass ich auch nach meinem Wechsel zu Wattens, mit vielen Kollegen von damals im U-21-Nationalteam zusammenspielen kann und dort gleich gut drinnen bin und meine Tore schieße. Deswegen sehe ich meinen Weg positiv, es führt halt nicht immer alles über Salzburg hoch. Jetzt habe ich doch auch schon einige Bundesligaspiele absolviert und bin weiterhin hungrig, irgendwann den nächsten Schritt zu machen. Natürlich wäre ich auch gerne in Salzburg geblieben, aber mittlerweile denke ich darüber gar nicht mehr nach und bin froh, in der Bundesliga angekommen zu sein.

Dein ehemaliger Teamkollege Karim Adeyemi führt aktuell die Torschützenliste in Österreich an und hat zuletzt seinen Debütreffer für die deutsche Nationalmannschaft erzielt. War es nur eine Frage der Zeit bis bei ihm der Knopf aufgeht?

Der Karim hat immer schon frech aufgespielt und seine Fähigkeiten hat man schon seit seiner Anfangszeit bei Liefering gesehen. Dass er einfach viel schneller und torgefährlicher als anderen ist, aber auch er hat wie jeder andere Spieler erst reifen müssen. Das braucht Zeit und Erfahrung, ich glaub’ aber, dass ihm der Abgang von Daka sehr gut getan hat, sodass er jetzt die Führungsrolle übernehmen kann und man sieht ja eh, wie riesig er einschlägt. Aber auch von seinem Typ her. Wo ich ihn beim Spiel getroffen habe, er ist immer noch sehr bodenständig und einfach ein cooler Typ, der richtig Gas gibt.

Du hast dich danach zu einem Wechsel zum LASK entschieden, wo du bis 2023 unterschrieben hast. Was hat perspektivisch gesehen für die Linzer gesprochen?

Für mich war das ein realistischer Schritt, dass ich in der österreichischen Bundesliga spielen kann. Ich hab’ davor ein wenig Bedenken gehabt, ob das Niveau zu hoch für mich ist, aber im Nachhinein hab’ ich mir gesagt, dass ich mir mehr zutrauen und mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen muss. Dann hatte ich die Möglichkeit zwischen zweiter deutscher Bundesliga, aber da kann es passieren, dass du dorthin gehst und vielleicht nicht mal Kaderspieler bist. Oder du bleibst in Österreich, machst den realistischen Schritt und schaust, dass du dich verleihen lässt. Das hab’ ich relativ schnell entschieden und der Wechsel zu Wattens war dann ein Glücksgriff.

Beim LASK hat man dich als Sturmperspektive verpflichtet - wie sind die weiteren Planungen mit dir? Aktuell herrscht dort ja ein wirkliches Überangebot in der Offensive - wo siehst du da deinen Platz?

Bis zum Sommer war die Kontaktperson immer der Jürgen Werner, mit dem haben mein Berater und ich uns regelmäßig ausgetauscht. Man hat sich auch im Sommer hingesetzt und angedacht, mich mit ins Boot zu holen beim LASK, auch wenn das Stürmerangebot sehr hoch ist. Trotzdem sind alle Beteiligten dann zum Schluss gekommen, dass es besser wäre, wenn ich noch weiter bei Wattens bleibe und von dem her war das für mich relativ schnell klar, weiter in Tirol zu bleiben und noch mehr Spielzeit zu bekommen, als beim LASK ins Ungewisse zu springen. Mit Dominik Thalhammer hatte ich nie Kontakt, da gab es nie eine Verbindung, was ich ich schon ein bisschen schade fand, aber jetzt liegt mein Fokus auf der Leistung in Wattens und dann muss man sich eh wieder zusammensetzen, wenn die Transferphase eröffnet ist.

Wäre ein Wechsel nach Deutschland in die erste oder zweite Bundesliga in der Zukunft ein interessantes Szenario für dich?

Die erste und zweite Liga in Deutschland interessiert mich sehr. Ich bin ein richtiger Fan von dieser robusten und schnellen Spielweise, aber der Zeitpunkt muss einfach passen. Ich würde da keinen Schnellschuss machen, weil ich finde, dass man sich zuerst mal in Österreich ordentlich durchsetzen muss, bevor man den Schritt ins Ausland wagt. Ich bin erst in meiner zweiten Saison und hab’ dann noch ein Jahr Vertrag beim LASK. Von dem her kommen mir die drei Jahre sehr zugute und dann kann ich schauen, wie weit ich bin.

Maximilian Augustin