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Als in Malaga der Blitz einschlug

Über Aufstieg und Fall der "Boquerones"

Als in Malaga der Blitz einschlug

Ein Ende mit Schrecken: Abdullah Nasser Al-Thani und "Sargnagel" Felipe Santana.

Ein Ende mit Schrecken: Abdullah Nasser Al-Thani und "Sargnagel" Felipe Santana. imago images (2)

Bei Malaga schlug der Blitz ein im April 2013. Erst dreimal. Dann zweimal.

Im ersten Fall ist es sogar wörtlich zu nehmen. Die Andalusier hatten im Viertelfinalhinspiel der Champions League gegen Dortmund ein recht glückliches 0:0 erreicht und reisten vor dem Rückspiel in Westfalen nach San Sebastian. Dreimal wurde das Flugzeug vom Blitz getroffen, die Maschine musste in Bilbao notlanden. Weiter ging es mit dem Bus, die Ligapartie ging mit 2:4 verloren. Als wäre es der schlechten Omen nicht genug, erfuhr Trainer Manuel Pellegrini vor dieser Partie vom Tod seines Vaters. Der Chilene reiste in die Heimat zur Beerdigung.

Spielbericht

Und dann, ja dann schlug in Dortmund der Blitz bei Malaga ein. Marco Reus und Felipe Santana sorgten mit ihren späten Treffern im Rückspiel für die verrückteste Aufholjagd in der Königsklasse seit Barcelona. 2:3 nach 2:1, andalusische Ohnmacht in Vollendung. Oder einfach eine "historische Grausamkeit", wie die "Marca" schrieb. Eine Zäsur in der Vereinshistorie der "Boquerones", der Sardellen, wie der Verein wegen der regionalen Spezialität genannt wird.

Dabei hatte die Zukunft rund um das "Rosaleda" doch so rosarot ausgesehen. Im Stadion mit dem klangvollen Namen "Rosengarten" gaben sich auf einmal auch klangvolle Spielernamen die Klinke in die Hand. Hießen die Stammkräfte zu Saisonstart 2010/11 noch beispielsweise Jesus Gamez, Kris Stadsgaard, Apono oder Seba Fernandez, lauteten sie einige Monate später Martin Demichelis, Julio Baptista (Winterneuzugänge 2010/11), Ruud van Nistelrooy, Santi Cazorla, Jeremy Toulalan oder Joaquin (Sommer 2011). Später fanden auch noch Javier Saviola oder Roque Santa Cruz den Weg an die Costa del Sol. Dazu gesellte sich ein Teenager, der mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten die gesamte spanische Fußballwelt in Verzückung versetzte: Francisco Roman Alarcon Suarez, oder kurz: Isco.

Goldene Zeiten: Joris Mathijsen, Jesus Gamez, Ruud van Nistelrooy, Santi Cazorla und Isco, im Hintergrund Enzo Maresca und Julio Baptista (v. li.).

Goldene Zeiten: Joris Mathijsen, Jesus Gamez, Ruud van Nistelrooy, Santi Cazorla und Isco, im Hintergrund Enzo Maresca und Julio Baptista (v. li.). imago sportfotodienst

Malaga hatte sich in neue schicke Gewänder gehüllt, nur der angemessene Laufsteg fehlte noch. Doch er kam immer näher: 2010 noch 17., 2011 schon Elfter, 2012 dann Vierter - Champions League!

Doch wie kam es dazu, dass ein Verein, der keinen einzigen bedeutenden Pokal im Vitrinenschrank stehen hat, auf einmal um den größten überhaupt mitspielte? Und dann so brutal abstürzte wie jemand, der auf den halsbrecherisch steilen Treppen im Rosaleda auf einer Sardelle ausrutscht?

Kaufrausch und leere Versprechungen 

Es ist mal wieder die Geschichte vom reichen Investor, der sich ein neues Spielzeug zulegt, irgendwann das Interesse daran verliert und es dann in der Ecke vermodern lässt. Im Mai 2010 hatte Abdullah Nasser Al-Thani, ein Mitglied der katarischen Königsfamilie, Malaga für 25 Millionen Euro aufgekauft, die Verbindlichkeiten in Höhe von 70 Millionen Euro übernahm er gleich mit. Was folgte, war die angesprochene Shopping-Tour, an der malerischen Costa del Sol sollte zudem die größte Nachwuchsakademie Spaniens mit zehn Spielfeldern und eine neue Arena mit bis zu 70.000 Zuschauern aus dem Boden gestampft werden. Der neue Name hätte allerdings nicht mehr ganz so blumig geklungen wie Rosaleda. Sondern "Qatar Stadium".

Der "vollmundigen Ankündigung", wie "Malaga Hoy" im Dezember 2010 schrieb, folgten aber bald keine Taten mehr. Das Wüstengeld verlief im Sand, Malaga konnte auf einmal die Gehälter nicht mehr bezahlen. Santi Cazorla flüchtete schon 2012 zum FC Arsenal, spülte aber mit 19 Millionen Euro Ablöse noch einmal Geld in die Kassen. Erfolgs-Manager Fernando Hierro schwante offenbar auch Übles - die Real-Legende trat im August 2012 zurück. Im Dezember desselben Jahres erhielt Malaga Post von der UEFA. Wegen Verstößen gegen das Financial Fair Play wurden die Andalusier für die Europapokalsaison 2013/14 gesperrt.

Gündogan auf Wolke sieben, Al-Thani unterstellt Rassismus

Hätten die Blau-Weißen also tatsächlich den Henkelpott geholt im Jahr 2013, sie hätten ihn nicht mal verteidigen können. Oder wäre die UEFA vielleicht doch eingeknickt, wäre dem Außenseiter der ganz große Coup gelungen?

Die Fakten sprechen aber ja ohnehin eine andere Sprache. Für Ilkay Gündogan wurde die Partie einer der "schönsten Momente in meinem Leben". Für Malaga war ein Tor, in dessen Entstehung gleich vier Dortmunder inklusive Torschütze Santana im Abseits gestanden hatten, der letzte Sargnagel. Al-Thani war nach der Partie außer sich, nannte den Vorfall gar "rassistisch". Man habe sein Team einfach nicht im Halbfinale sehen wollen, twitterte er. Dass auch Malagas Treffer zum 2:1 aus einer Abseitsposition entstanden war, ließ er allerdings lieber unerwähnt. 

Schleich dich, Scheich: Malagas Fans protestieren gegen Al-Thani.

Schleich dich, Scheich: Malagas Fans protestieren gegen Al-Thani. imago/Agencia EFE

Der Absturz nahm nun seinen Lauf. Im Sommer 2013 verließ Erfolgstrainer Pellegrini den Klub Richtung Manchester City, viele Stars taten es ihm gleich. Publikumsliebling Isco wechselte, ebenfalls 2013, zu Real Madrid.

Al-Thani erlebte das alles aus der Ferne. Der unnahbare Scheich ließ sich in Malaga vielleicht einmal im Jahr blicken - seine erste offizielle Pressekonferenz gab er im Juni 2016. Da war der Klub längst wieder im Mittelmaß versunken. 2018 war es dann so weit - für Malaga ging es in Liga zwei. "Al-Thani, hau schnell ab", skandierten die Fans im Stadion. Dabei war er - wie eigentlich immer - gar nicht da.

Wie tief fällt Malaga noch?

In der 2. Liga ist Malaga immer noch. Betonung auf "noch". Acht Spieltage vor Schluss haben die Andalusier acht Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz. Drei Trainer wurden in dieser Saison verschlissen, in den vergangenen fünf Jahren waren es zehn. Seit Februar 2020 werden die Boquerones von José Maria Munoz geführt, einem gerichtlich bestellten Verwalter. Al-Thani sowie seine drei im Vorstand tätigen Söhne Nasser, Nayef und Rakan wurden per einstweiliger Verfügung entmachtet, weil ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch und Geldwäsche läuft. Sieben Millionen Euro soll die Familie dem Klub laut einer Prüfung schulden.

La Liga 2

Zum Prozess erschienen sie und ihre Anwälte aber gar nicht erst. Die Richterin kündigte an, den Scheich aus Katar per internationaler Amtshilfe auftreiben zu wollen. Für den 21. April ist eine weitere Anhörung im "Fall Al-Thani" angesetzt.

Es ist Wasser auf die Mühlen all jener, die den Einstieg von Investoren mit Kopfschütteln verfolgen. Sie werden endgültig die Hände über dem Schädel zusammenschlagen, wenn sie hören, dass kürzlich der Chef von Qatar Sports Investments und PSG-Boss Nasser Al-Khelaifi sein Interesse am Kauf von Malaga hinterlegt hat.

2021, genau acht Jahre nach dem Spiel in Dortmund, fühlte sich Al-Thani übrigens nochmal dazu berufen, im Stile einer Todesanzeige über die Partie zu twittern. "9. April 2013, der Tag, an dem der Fußball in den Dreck gezogen wurde von einer Institution namens UEFA."

Wer dem Fußball in Malaga wirklich geschadet hat, darüber haben sie an der Costa del Sol allerdings inzwischen eine ganze andere Meinung.

Christoph Laskowski