Int. Fußball

Jugoslawien vor der EM 1992: Was wäre, wenn?

Vor 30 Jahren kam das Ende von Jugoslawien

Als der Fußball einer überragenden Mannschaft beraubt wurde

Einst Spieler für Jugoslawien, heute Nationaltrainer von Serbien: Dragan Stojkovic.

Einst Spieler für Jugoslawien, heute Nationaltrainer von Serbien: Dragan Stojkovic. imago sportfotodienst

29. Mai 1991, Darko Pancev tritt zum entscheidenden Elfmeter an. Der Stürmer gönnt sich einen langen Anlauf, startet außerhalb des Strafraums und trifft dann wuchtig ins rechte Eck zum 5:3-Siegtreffer gegen Olympique Marseille. Roter Stern Belgrad gewinnt an jenem Tag mit jungen und talentierten Spielern wie Dejan Savicevic, Robert Prosinecki, Vladimir Jugovic, Sinisa Mihajlovic oder Pancev den Europapokal der Landesmeister - und steht vor einer rosigen Zukunft.

Doch eine rosige Zukunft gab's nicht, das Gegenteil war eher der Fall. Die Realität war eine andere. Bereits an jenem Abend in Bari stand es schlecht um die Zukunft von Roter Stern und die des gesamten jugoslawischen Fußballs. Das Land befand sich bereits im Zerfall und am Beginn eines schlimmen Krieges, der das Ende des gesamten Staates bedeutete.

Des einen Leid ist des anderen Freud

Am 1. Juni 1992, zehn Tage vor dem Start der EM in Schweden, wurden unter der Schirmherrschaft der UN wegen des Krieges Sanktionen gegen Jugoslawien eingeführt - und das Land damit auch von allen internationalen Sportwettbewerben ausgeschlossen.

Der Krieg hat alles geändert!

Predrag Mijatovic

Die Fußball-Nationalmannschaft, damals durchaus als Mitfavorit gehandelt, musste zuschauen und miterleben, wie ein mit Brian Laudrup oder Peter Schmeichel gespicktes Dänemark unverhofft den Titel gewann (2:0 im Finale gegen Deutschland) - weil es aufgrund des Ausschlusses Jugoslawiens nachgerückt war. Ursprünglich hatten sich die Dänen nämlich gar nicht qualifiziert.

Jugoslawien selbst verabschiedete sich damals endgültig von der großen Fußballbühne - in den Geschichtsbüchern steht ein 0:2 gegen die Niederlande als letztes Spiel einer (gesamt-)jugoslawischen Mannschaft. Das war am 25. März 1992.

Viele Spieler von internationalem Format

Jubelndes Real Madrid

1998 gewannen Predrag Mijatovic (2. v. li.) und Davor Suker (4. v. li.) mit Real Madrid die Champions League.

Die Wehmut ist bei manch einem noch heute groß - auch unter den Spielern von damals. "Wir hatten alles, um eines der besten Teams der Welt zu werden, aber der Krieg hat alles geändert", sagte Predrag Mijatovic 2015 in einem Interview bei der FIFA: "Das waren schwere Zeiten."

Mijatovic weiß selbst nur zu gut, wie ein Sturmduo Mijatovic/Davor Suker funktioniert. Der Montenegriner und der Kroate funktionierten Ende der 1990er in Madrid par excellence und trugen maßgeblich dazu bei, dass Real wieder den Anschluss an die Weltspitze schaffte.

Mit Sicherheit war es die beste Generation, die Jugoslawien je hatte.

Robert Prosinecki

Irgendwie logisch, dass die beiden auch auf Nationalmannschaftsebene gut zusammen funktioniert hätten. Und was für ein Team die Jugoslawen hätten aufbieten können: Neben den bereits genannten Spielern gab es weitere Größen wie Alen Boksic, Robert Jarni, Dragan Stojkovic, Safet Susic, Slavisa Jokanovic oder Srecko Katanec.

"Die jugoslawische Liga damals war sehr stark. Wir durften ja nicht vor unserem 25. Lebensjahr in ein anderes Land wechseln - und es gab selbst kaum ausländische Spieler", erinnerte sich Prosinecki 2020 und betonte: "Das alles hat der damaligen Generation geholfen - mit Sicherheit war es die beste Generation, die Jugoslawien je hatte."

Bei der WM 1994 wäre die Mannschaft wohl auf ihrem Zenit gewesen - und hätte vielleicht Großes erreichen können. So aber war die WM 1990 in Italien das letzte Turnier, in dem sich Spieler aus Gesamt-Jugoslawien in einem Team wiederfanden.

Nur Kroatien feiert Erfolge

Ganz in der Versenkung verschwunden ist der jugoslawische Fußball aber nicht, so haben die Nachfolgestaaten durchaus eigene Erfolge vorzuweisen. Allen voran Kroatien, das 1998 mit Suker, Prosinecki, Soldo, Jarni und Boban WM-Dritter und 2018 Vize-Weltmeister wurde.

Doch auch Serbien (respektive Serbien-Montenegro oder Bundesrepublik Jugoslawien) hatte lichte Momente, wenngleich ein echter Erfolg verwehrt blieb. Die vielleicht beste Chance hatte man 1998, als Mijatovic & Co. im Achtelfinale nur unglücklich am späteren Halbfinalisten Niederlande (1:2) scheiterten.

Für Prosinecki ist aber sicher, dass, "wenn die Nationalmannschaft Jugoslawiens zusammengeblieben wäre, sie um EM- und WM-Titel mitgespielt hätte". Ob das so gekommen wäre, kann man heutzutage natürlich nicht wirklich mit Sicherheit sagen. Was wäre, wenn?

drm