Champions League

"Torfall von Madrid": Als das erste Tor schon vor Anpfiff fiel

25 Jahre "Torfall von Madrid"

Als das erste Tor schon vor Anpfiff fiel

Das Tor, auf das Madrid über eine Stunde warten musste - und dann konnte es erst losgehen.

Das Tor, auf das Madrid über eine Stunde warten musste - und dann konnte es erst losgehen. imago images / Sven Simon

Candido Gomez, inzwischen 64 Jahre alt und seit Kurzem Rentner, denkt mit gemischten Gefühlen an den 1. April 1998 zurück. An einen Aprilscherz, der eigentlich keiner war, und doch noch 25 Jahre später für manch Schmunzler sorgt.

Real Madrid empfing in der Champions League damals Titelverteidiger Borussia Dortmund zum Halbfinal-Hinspiel, alles machte sich bereit für ein anstehendes Fußballfest. Besonders heiß waren die Anhänger der Königlichen, die 1998 schließlich - nach 32 Jahren Wartezeit - endlich mal wieder den Henkelpott bejubeln sollten.

Der Zaun reißt das Tor mit zu Boden

Ein paar von ihnen bestiegen kurz vor Anpfiff zwar noch nicht Europas Thron, dafür aber den Zaun hinter einem Tor - an dem ein paar der wichtigsten Balken des Estadio Santiago Bernabeu befestigt waren. So stürzte nicht nur besagter Zaun unter der Last ein, er riss auch das Tor mit sich zu Boden.

Drei Madrider Fans mussten mit Schnittwunden ins Krankenhaus gebracht werden, und auch die sportlichen Folgen hatten es in sich. Denn das große Real Madrid hatte tatsächlich kein Ersatztor parat. 85.000 Zuschauer im Stadion und ein Millionenpublikum vor den TV-Geräten warteten auf Lösungen. Was nun?

Real - BVB 1998

Während Marcel Reif und Günther Jauch das Schauspiel bei RTL so unterhaltsam überbrückten ("Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gutgetan"), dass sie für ihre Reportage später den Bayerischen Fernsehpreis einheimsten, mussten sich die Königlichen etwas einfallen lassen. Und an dieser Stelle kam Candido Gomez ins Spiel.

Mit der Sirene über den Mittelstreifen

Gomez war zu dieser Zeit mit Bauarbeiten auf Reals zwei Kilometer entferntem Trainingsgelände beschäftigt, als eine Real-Delegation dort optimistisch mit einem Van aufschlug. Gomez verfügte über einen größeren Lastwagen, der den hektischen Tor-Transport ins Bernabeu überhaupt erst möglich machte.

Real Madrid gegen Borussia Dortmund 1998

Eine Szene aus dem Spiel: Predrag Mijatovic (re.) hält sich Manni Binz vom Leib, im Hintergrund Steffen Freund. Bongarts/Getty Images

Im "Marca"-Interview erinnert er sich an Zäune, die aufgebrochen wurden, oder wie sie falsch herum in eine Einbahnstraße und mit der Sirene über den Mittelstreifen fuhren - schneller, als der Laster der Marke Pegaso eigentlich in der Lage war. Es war schließlich auch eine Wettfahrt gegen die Zeit, drohte den Königlichen im Fall einer Spielabsage doch das obligatorische 0:3.

Gut 75 Minuten nach dem geplanten Anpfiff - die Spieler waren längst wieder in die Kabinen verschwunden - konnte endlich Fußball gespielt werden. Für BVB-Präsident Gerd Niebaum, der "keine fairen Bedingungen" wähnte, "nur unter Protest". Tatsächlich war das umständlich herangeschaffte Ersatztor drei Zentimeter zu niedrig, was aber erst nach Spielende festgestellt wurde. Die UEFA brummte Real auch so schon umgerechnet 360.000 Mark Geldstrafe und eine Platzsperre für zwei Europapokal-Partien auf.

Das Spiel selber, dessen Ausgang weitaus unbekannter ist als das vorangegangene Spektakel, endete dann übrigens 2:0 für Real. Ohne die verletzten Andreas Möller, Jürgen Kohler und Jörg Heinrich half Dortmund durch individuelle Fehler von Vladimir But und Knut Reinhardt reichlich mit, Reals Tore schossen Fernando Morientes und Christian Karembeu - Letzterer in das marginal niedrigere Ersatztor. Zur Sicherheit flach.

Auf die Final-Tickets wartet Gomez bis heute

In Madrid ist der "Torfall von Madrid" als "Porteria de la Septima" in die Geschichte eingegangen, als Tor der Siebten quasi - der siebten Königsklasse nach über drei Jahrzehnten Wartezeit. Candido Gomez feiert die "Marca" ein Vierteljahrhundert später als "Heroe de la Septima", als den Helden, ohne den alles vielleicht ganz anders gekommen wäre. Dafür wurde er 1998 auch königlich belohnt.

Der Held erhielt ein stattliches "Trinkgeld" in Höhe seines Jahresgehaltes, dazu einen Real-Trainingsanzug, eine Uhr und eine Schmuckschatulle für seine Frau. Nur den größten Wunsch, wenige Wochen später ein weiteres Mal Fußballgeschichte hautnah mitzuerleben, erfüllten ihm die Königlichen nicht. "Ich habe vier Tickets für das Finale bestellt", verrät Gomez 2023 und hadert noch immer ein bisschen. "Sie sind nie angekommen."

Niklas Baumgart

13 verschiedene Klubs, zwei deutsche: Alle Champions-League-Sieger seit 1993