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Olympia-Boykott, Fluchttunnel und Mandela: Wenn Neuseeland auf Südafrika trifft

Rugby: Duelle der WM-Finalisten mit dunkler Historie

Olympia-Boykott, Fluchttunnel und Mandela: Wenn Neuseeland auf Südafrika trifft

Sport im Schatten der Apartheid: 1981 gab es tumultartige Szenen, 1995 Bilder der Versöhnung.

Sport im Schatten der Apartheid: 1981 gab es tumultartige Szenen, 1995 Bilder der Versöhnung.

Als die Olympischen Spiele 1976 in Montreal über die Bühne gingen, waren 29 Länder, darunter hauptsächlich afrikanische Staaten, nicht dabei. Grund für den Boykott war - ein Rugbyspiel.

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1976 entschlossen sich die "All Blacks" zu einer Länderspielreise nach Südafrika, um gegen die "Springboks" anzutreten. Das Apartheidsregime hatte sich schon bei früheren Reisen dagegen gewehrt, dass Neuseeland mit den Ureinwohnern, den Maori, dort antrat. 1960 hatten bereits 150.000 Neuseeländer eine Petition unter dem Motto "No Maori, no Tour" unterschrieben.

Neuseelands Rugby-Elite trat die Reise dennoch an, auch weil Südafrika den Maori die Einreise erlaubte. Das Regime verlieh ihnen den Status des "Ehrenweißen", um die Einschränkungen der eigenen Politik aufzuheben. Dieser Status wurde manchmal auch auf ausländische Besucher angewandt, um etwa Politiker aus Südamerika oder Japan empfangen zu können.

Als 1976 eine weitere Tour nach Südafrika auf dem Programm stand, liefen viele afrikanische Länder dagegen Sturm und forderten das Internationale Olympische Komitee auf, Neuseeland von Olympia in Montreal auszuschließen. Doch das IOC gab den Protesten nicht nach, worauf 16 afrikanische Staaten nicht nach Kanada flogen. Bei den Spielen 1964, 1968 und 1972 hatte das Druckmittel noch insofern gewirkt, als dass Südafrika nicht teilnehmen durfte, letztlich blieben die Südafrikaner von Rom 1960 bis Barcelona 1992 von den Spielen ausgeschlossen. 

Die Vorfälle von 1976 führten ein Jahr später zur sogenannten "Gleneagles-Vereinbarung". Die Commonwealth-Staaten beschlossen, den Kampf gegen die Apartheid zu unterstützen und sportliche Kontakte mit Südafrika zu ächten. Umso größer war der Protest, als Neuseelands Politiker 1981 eine Tour der Springboks ins eigene Land ermöglichten. Der damalige Premierminister von Neuseeland, Robert Muldoon, meinte, man dürfe Sport und Politik nicht vermischen. Seine Gegner vermuteten aber vielmehr politisches Kalkül hinter der Entscheidung, Muldoon wolle sich damit nur die Stimmen der Konservativen in ländlichen Gebieten sichern, hieß es aus der Opposition.

Mandela sieht nach Spielabbruch die Sonne scheinen

Die Reise wurde für Südafrika zu einem wahren Spießrutenlauf. Das Team musste über die USA einreisen - Australien ließ einen Tank-Zwischenstopp für das Flugzeug nicht zu. Bei den Spielen versammelten sich oft tausende Apartheid-Gegner und versuchten für Abbrüche zu sorgen. Neuseelands Polizei rief Sondereinheiten ins Leben, um der Lage Herr zu werden. Beim ersten Spiel am 22. Juni in Gisborne durchbrachen Demonstranten den Zaun, die Ordnungskräfte bekamen die Lage jedoch mit Mühe wieder in den Griff.

Drei Tage später nicht mehr. In Hamilton folgte der nächste Platzsturm, die Protestierenden wurden von den Rugby-Fans massiv angegriffen. Als auch noch die Meldung die Runde machte, dass ein gestohlenes Kleinflugzeug auf dem Weg Richtung Stadion sei, wurde die Partie abgesagt. Auf Robben Island brach unter vielen Inhaftierten Jubel aus, als die Nachricht die Runde machte. Auf der südafrikanischen Gefängnisinsel saß Nelson Mandela gerade das 18. Jahr seiner Strafe ab. Mandela wurde mit den Worten zitiert, dass "die Sonne durch die dunklen Korridore der Zellen schien", als er von den Protesten in Neuseeland hörte.

Stacheldraht, Fluchttunnel und eine Cessna im Tiefflug

Da neben den Fans auch die Polizei offenbar nicht zimperlich mit den Protestierenden umgegangen war, nahm die Gewaltbereitschaft auch auf der Demonstranten zu. Die Apartheids-Gegner griffen das Telekommunikationssystem an, um eine TV-Übertragung zu verhindern, was allerdings nicht gelang. Beim dritten Spiel im Eden Park in Auckland setzte die Polizei auf Stacheldraht und Frachtcontainer-Barrikaden, selbst ein Fluchttunnel für die Südafrikaner wurde kurzerhand gebaut. "Das Ziel war es, die Spieler auf dem Spielfeld zu konfrontieren. Es gab so viele Schichten Stacheldraht, durch die man hindurchkommen musste", sagte einer der Protestler später dem "New Zealand Herald". Von einem Fluchttunnel hätten sie aber nichts gewusst, über dessen Existenz im Nachhinein aber herzlich gelacht.

Ein Sieg für Südafrika und gegen die Apartheid: Nelson Mandela übergibt Francois Pienaar 1995 die WM-Trophäe. picture alliance / AP Photo

Und so ging es weiter, Spiel für Spiel. Am 15. August in Christchurch gelangten einige Demonstranten auf das Feld, 14 Tage später, beim zweiten Test in Wellington, fand eine Großdemonstration statt. Autobahnausfahrten und Zufahrtswege zum Stadion wurden blockiert, die Polizei musste eine Gasse für die Fans bilden. Beim dritten Test in Auckland warf am 12. September eine tief fliegende Cessna Rauchbomben und Mehlsäcke auf das Spielfeld, die Partie ging dennoch über die Bühne. Nach 56 Tagen hatte der Wahnsinn endlich ein Ende. Südafrika reiste weiter zu Länderspielen in die USA, wo allerdings weitere Protestierende nur auf sie warteten.

WM 1995 als Wendepunkt

Im Jahr 1991 hatte die Apartheid endlich ein Ende. 1995 trug Südafrika die Rugby-WM aus, erstmals traten die Springboks mit weißen und schwarzen Spielern an. "One Team, one Country" lautete der Slogan - Präsident Mandela war bemüht, das Event zu nutzen, damit Schwarze und Weiße in Südafrika wieder ein Stückchen näher aufeinander zugehen.

Und das gelang, zumal die Springboks bei der Heim-WM erfolgreich waren. "Als der Abpfiff ertönte, veränderte sich das Land für immer", sagte Kapitän Francois Pienaar, nachdem Südafrika das Finale mit 15:12 gewonnen hatte. Der Gegner hieß: Neuseeland.

Christoph Laskowski