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Diese eine Nacht in Barcelona: Martin Fenin wird MMA-Kämpfer

Ex-Fußballprofi wagt sich ins Kampfsport-Geschäft

Eine verhängnisvolle Nacht in Barcelona: Fenin wird MMA-Kämpfer

Hinterließ in Frankfurt Spuren: Martin Fenin ist nun MMA-Kämpfer.

Hinterließ in Frankfurt Spuren: Martin Fenin ist nun MMA-Kämpfer. imago/Hartenfelser

Ein Abend in Barcelona, die Luft brennt. Doch nicht nur wegen der selbst in den späten Abendstunden anhaltenden Hitze. Auch die Stimmung ist aufgeheizt. Martin Fenin steht an einer Straße, überall sind auch gegen 23 Uhr noch Menschen unterwegs, seine Frau hat er gerade ins Hotel gebracht. Sie will sich nach dem nervenaufreibenden Spiel erholen. Mit ihr hat sich der Ex-Profi das Spiel seiner Frankfurter Eintracht gegen den FC Barcelona angesehen, 3:2, Camp Nou, einer der größten Triumphe der Vereinsgeschichte. Und Fenin war mittendrin. Allerdings wusste er nicht, dass dieser Trip, einer von vielen, die er mit der Eintracht während der Europa-League-Saison 2021/22 unternahm, seinem Leben einen neuen Schub geben würde.

Vor dem Spiel hatten die Eintracht-Fans die Straße zu einer regelrechten Partymeile werden lassen. Jetzt sind sie fast leer. Alle feiern die Mannschaft noch im Stadion, feiern den Einzug ins Halbfinale der Europa League - und sich selbst. Nur Fenin nicht, er ist noch auf dem Weg vom Hotel zurück zum Stadion. In der Stadt sind nun die Barça-Fans, die es nicht ins Camp Nou geschafft haben, in der Überzahl. Denen gefällt weder Fenins weißes Frankfurt-Trikot noch seine ausgelassene Stimmung, zumal die knapp 40.000 Eintracht-Fans das Spiel im Camp Nou zu einer Heimpartie hatten werden lassen. Ein Umstand, der viele Barça-Fans fuchste. Ein paar von ihnen greifen Fenin an, schubsen ihn hin und her, viel dagegen tun kann er nicht.

Barcelona soll der Wendepunkt sein

Jene Nacht in Barcelona markiert für Fenin einen Wendepunkt. Oder besser: soll markieren.

Denn der Tscheche gilt gerade in Deutschland als Problemprofi, wechselte oft den Verein, schuf Nebenkriegsschauplätze. Bei Eintracht Frankfurt startete er nach seinem Wechsel aus der eher zweitklassigen tschechischen Liga famos, erzielte gegen Hertha BSC drei Tore binnen 51 Minuten, ein Debüt, das sonst nur Kalibern wie Olaf Marschall oder Erling Haaland gelang. Das Problem: Fenin kam damals, im Februar 2008, über rechts, weshalb Trainer Friedhelm Funkel seinen Neuzugang von da an immer auf dem Flügel aufstellte und diese Position für ihn als ideal ausgemacht hatte. Ein Irrglaube. Denn fortan agierte der gelernte Stürmer Fenin unglücklich, fügte seinem Dreierpack im Regen von Berlin nur noch drei mickrige Törchen in 17 Spielen hinzu.

Anschließend tingelte Fenin durch Deutschland, Frankreich und seine tschechische Heimat, seine letzte Partie bestritt er 2017/18 für den FK Warnsdorf in der 2. tschechischen Liga. Aus der Lust am Fußball wurde eine Last, immer wieder griff der Stürmer zur Flasche. Ein Alkoholiker sei er jedoch nie gewesen, beteuert Fenin im Gespräch, er habe eben gerne einen getrunken. Folgt man Medienberichten aus seiner Zeit nach Frankfurt, liest sich die Geschichte etwas anders. Dort ist auch von Depressionen die Rede, von Alkoholismus, von Absturz.

"Ich war nie depressiv"

"Ich war nie depressiv", entgegnet Fenin, verweist auf Dummheiten in einer Zeit, in der er nicht wusste, wohin. Ihm fehlte das Ziel, der Fokus, der Wille. Jene Faktoren, die einen Fußballprofi zum täglichen Training treiben, die dem Leben außerhalb des Stadions einen Inhalt verleihen. Aber krank? "War ich nie", betont Fenin. Für die Überschriften in den Medien hat er immer eine Erklärung parat. Beispielsweise für einen angeblichen Selbstmordversuch.

Ein Abend vor etwa zwei Jahren, er war allein, die Weinflasche leerte sich mal wieder besonders schnell. Zu dieser Zeit litt Fenin unter Schlafstörungen, griff deshalb des Öfteren zu Schlaftabletten - und endete im Krankenhaus. Magen auspumpen. "Die Medien und Teile meines Umfeldes werteten das als Selbstmordversuch, aber das stimmt überhaupt nicht", sagt Fenin mit fester Stimme.

Den Kritikern etwas zeigen

In dem Ex-Profi, der sogar 16-mal für die Nationalmannschaft aufgelaufen ist, wuchs der Wunsch, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Was uns wieder zu der eingangs erwähnten Nacht von Barcelona bringt. Die Raufereien offenbar im Hinterkopf fragte eine Firma bei Fenin an, ob er nicht als MMA-Kämpfer in den Käfig steigen wolle. Zunächst glaubte er an einen Scherz, schließlich sei er weder der Kraftvollste gewesen noch bestand irgendeine Verbindung zu den Mixed Martial Arts, einer Vollkontaktsportart, die unter anderem Elemente des Boxens, Ringens und des Taekwondo vereint. Aber: "Der Zwischenfall nach der Barça-Partie hat die Agentur offenbar überzeugt", sagt Fenin mit einem Schmunzeln. "Du wärest dumm, wenn du dieses Angebot nicht annehmen würdest", sagte seine Frau - und damit war die Entscheidung gefallen.

Hertha BSC - Eintracht Frankfurt 0:3

Furioser Beginn in der Bundesliga: Fenin traf im Februar 2008 dreimal für die SGE gegen Hertha. picture-alliance/ dpa

Die Tatenlosigkeit hinter sich lassen, wieder wer sein, ein Ziel haben, es den Kritikern zeigen, beweisen, dass er mehr ist als der gescheiterte Ex-Profi - vor allem Letzteres will Fenin unbedingt. Seinem Umfeld und nicht zuletzt sich selbst. Deshalb steigt er im Sommer in den Käfig. Wann genau, steht noch nicht fest, sicher ist jedoch: Er will es in Frankfurt machen, dort, wo er noch einen guten Kontakt zur Fanszene pflegt. Eine Szene, die seine insgesamt 16 Tore für die Eintracht nicht vergessen hat, die ihn immer wieder zu Auswärtsfahrten mitnimmt - vor allem in der vergangenen Europapokalsaison.

Vorbild Rocky Balboa - Apollo Creed heißt Pannewitz

Nun ist Fenin nur noch ein Fan, nach einer Tätigkeit als Scout beim 1. FC Magdeburg weiß der Tscheche, dass er kein Funktionär sein will. Er schindet seinen Körper Tag für Tag, lädt von zahlreichen Einheiten Videoschnipsel und Fotos hoch, immer versehen mit dem Hashtag #neboli, keine Schmerzen. Nach dem Vorbild Rocky Balboas.

Fenins Gegner heißt jedoch weder Apollo Creed noch Drago - sondern Kevin Pannewitz. "Ein ähnlicher Typ wie ich, auch ihm fehlte das Glück während seiner Profikarriere." Und der Willen. 2012 wechselte Pannewitz als Toptalent von Hansa Rostock zum VfL Wolfsburg, kam mit den Anforderungen unter Felix Magath jedoch nicht zurecht. Immer wieder wurde ihm die Einsatzfreude abgesprochen, belegt durch einen nicht immer austrainierten Körper. Pannewitz entschied sich gegen das Profitum und für einen lockereren Lebensstil, nahm um die 20 Kilogramm zu und spielt mittlerweile als Amateur bei Delay Sports, einem Verein von Influencern. Nun steigt er mit Fenin in den Käfig.

Beide wollen dadurch Aufmerksamkeit generieren, natürlich auch Geld verdienen. Vor allem Fenin erhofft sich eine neue Chance im Profisport. Ob er die auch erhält, steht aber auf einem anderen Blatt.

Michael Postl

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