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Mit Handy-Anekdote: Wörns über Defizite im Nachwuchsbereich

U-18-Nationaltrainer spricht im kicker

Mit Handy-Anekdote: Wörns benennt Defizite im Nachwuchsbereich

"Als Trainer musst du den Jungs die Wahrheit sagen": DFB-Trainer Christian Wörns.

"Als Trainer musst du den Jungs die Wahrheit sagen": DFB-Trainer Christian Wörns. imago images/Picture Point LE

Als U-18-Nationaltrainer erlebt Christian Wörns hautnah, wie es um den deutschen Nachwuchs bestellt ist. Und auch wenn er ein "Umdenken" und Schritte "in die richtige Richtung" registriert hat, sieht er noch zahlreiche Defizite.

Im kicker-Interview (Montagausgabe) beklagt er unter anderem, dass viele Profiklubs ihre U-23-Teams abgeschafft und einigen Talenten damit die Option auf einen Zwischenschritt genommen haben. Das sei "ganz klar" ein Problem: "Der eine oder andere Spieler braucht ein bisschen länger, da ist es gut, wenn er sich im Männerfußball adaptieren kann", sagt Wörns. "Viele Spieler stolpern, weil sie die Intensität im Männer-Fußball überhaupt nicht kennen. So schön es sein mag: Den Jungs nützen auch fünf bis zehn Gnadenminuten pro Monat bei den Profis nicht so viel wie regelmäßige Spielpraxis in einer U 23."

"Jugend-Bundesliga ist ganz nett, aber ..."

Die Spieler müssten wissen, "was bei den Profis überhaupt gefragt ist. Als Trainer musst du den Jungs die Wahrheit sagen, den Finger in die Wunde legen dürfen, auch wenn es dann etwas kerniger ist. Jugend-Bundesliga ist ganz nett. Aber da spielen auch Vereine mit Spielern, die keine Chance haben, Profi zu werden. Häufig sind die Jungs noch weichgespült von ihrem Umfeld - da ist alles immer super. Wenn ein Trainer mal das Gegenteil sagt, ist der Aufschrei groß", kritisiert Wörns.

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kicker-Wochenendrückblick vom 25.09.2023
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Seine Beobachtung: "Wenn es bei den Spielern zu einfach geht im Jugendbereich, dann haben sie häufig wenig Widerstandsfähigkeit. Auch das ist ein Problem." Gerade, wenn Mentalität und Einstellung nicht stimmten, müsse man es ihnen "klipp und klar sagen. Aber eben auch sagen dürfen, ohne dass aus verschiedenen Richtungen irgendwas kommt."

"Ich habe gesagt: Am liebsten würde ich das Handy aus dem Fenster werfen"

Dazu erzählt Wörns eine Anekdote von einem Turnier in Tschechien, bei dem er Spieler zur Halbzeit auswechselte, um die Belastung zu verteilen. Einer der Ausgewechselten hatte in der Kabine trotz Handyverbot sofort sein Smartphone in der Hand gehabt. Da "kriegt er natürlich eine verbale Watsch'n von mir", so Wörns. "Ich habe ihn deutlich wissen lassen, was ich davon halte, und gesagt: Am liebsten würde ich das Handy aus dem Fenster werfen. Mach dir doch erst mal fünf Minuten Gedanken. Du hattest gute Aktionen. Aber wo könntest du noch etwas besser machen? Stattdessen sitzt du in der Halbzeitpause vorm Handy und hast noch nicht mal die Schuhe aus."

Die Reaktion des Betroffenen: "Er ist am nächsten Tag zu mir gekommen und hat sich entschuldigt. Aber darum geht es mir nicht. Ich will, dass die Jungs ihren Weg gehen, reflektieren, an sich arbeiten. Eine Entschuldigung brauche ich nicht. Du musst sie heutzutage ein bisschen zum Erfolg erziehen, da bin ich vielleicht ein bisschen oldschool. Ich finde Dinge wie Demut, Bescheidenheit, Haltung und Anstand gehören mit dazu."

"Wenn du mit 19, 20 Jahren Trainer wirst, ist es schwierig"

Doch auch im Bereich der Nachwuchstrainer sieht Wörns in Deutschland Verbesserungsbedarf. "Viele Trainer sind relativ jung, das ist für mich auch ein Problem, auch wenn es niemand gerne hört", sagt er. "Aber wenn du mit 19, 20 Jahren Trainer wirst und deine eigene Persönlichkeit noch nicht so entwickelt hast, kaum älter als die Spieler bist, ist es schwierig. Das Wissen und das Gefühl für Fußball steigen mit dem Alter. Ich sage nicht, dass Trainer 1., 2., oder 3. Liga gespielt haben müssen. Aber es wäre schon gut, wenn ein Trainer bis 30 Fußball gespielt hätte und sein Wissen nicht nur aus Büchern hat."

Was andere Nationen Deutschland gerade voraushaben und was zuletzt wieder besser wurde, wie er auf seine Karriere zurückblickt und wie seine persönliche Zukunft aussieht: Das große Interview mit Christian Wörns lesen Sie im aktuellen kicker vom Montag - hier auch als eMagazine.

jpe

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