Int. Fußball

Was hinter Nottinghams wahnwitziger Transferpolitik steckt

Rund 170 Millionen Euro für 16 Neuzugänge

Was hinter Nottinghams wahnwitziger Transferpolitik steckt

Mit Nottingham ins Premier-League-Abenteuer: Trainer Steve Cooper (M.) und die Neuzugänge Taiwo Awoniyi (l.) und Jesse Lingard (r.).

Mit Nottingham ins Premier-League-Abenteuer: Trainer Steve Cooper (M.) und die Neuzugänge Taiwo Awoniyi (l.) und Jesse Lingard (r.).

Als Nottingham Forest am vergangenen Sonntag sein erstes Premier-League-Heimspiel seit 23 Jahren bestritt, regnete es plötzlich Geld. Die Fans von West Ham United hatten Papierscheine in Richtung Jesse Lingard geworfen, der sich im Sommer lieber Nottingham angeschlossen hatte, als zu den Hammers zurückzukehren.

Es war nur eine kleine Episode bei einer Ecke der Gastgeber und doch die passende Kulisse. Der ganze Klub hat, man kann es nicht anders sagen, in diesem Transfersommer schließlich nur so mit Geld um sich geschmissen. Unter allen Premier-League-Klubs hat nur der FC Chelsea in diesem Transferfenster mehr investiert als die Reds, die im vergangenen September noch Letzter der zweitklassigen Championship waren.

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Nahezu täglich vermeldete Nottingham in diesem Sommer Neuzugänge, mit Taiwo Awoniyi (Union Berlin), Moussa Niakhaté (Mainz), Omar Richards (FC Bayern) und Orel Mangala (Stuttgart) auch vier aus der Bundesliga. Und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Mit Morgan Gibbs-White - einem englischen U-21-Nationalspieler, den die Wolverhampton Wanderers zuletzt an die Zweitligisten Swansea und Sheffield United verliehen hatten - ist der neue Rekordeinkauf für angeblich mehr als 40 Millionen Euro offiziell. Nottingham hat damit rund 170 Millionen Euro allein an Ablösesummen ausgegeben - für 16 neue Spieler.

Das hat viel mit dem schier unermesslichen Reichtum der Premier League und der großen finanziellen Lücke zur Championship zu tun, aber auch mit dem speziellen Kader, den Nottingham in der vergangenen Saison zur Verfügung hatte. Fünf Stammkräfte und damit fast die halbe Aufstiegself waren Leihspieler, die danach zu ihren Klubs zurückkehrten. Auch andere Spieler verabschiedeten sich, Kapitän Lewis Grabban entschied sich gegen einen neuen Vertrag, Torwart Brice Samba etwa wollte lieber nach Lens.

Es gab keine Alternative zu den vielen Wechseln.

Nottinghams Trainer Steve Cooper

"Wir wussten, dass der Umbruch kommen würde, egal, in welcher Liga", sagte unlängst Trainer Steve Cooper, ein 42-jähriger Waliser, der Forest vor knapp einem Jahr als Zweitliga-Schlusslicht übernommen, überraschend noch in die Play-offs und dort zum Finaltriumph in Wembley gegen Huddersfield (1:0) geführt hatte. "Wenn ich ehrlich bin, hätten wir lieber mit einem Großteil der Mannschaft weitergemacht und nur punktuell jemanden geholt, wo wir es für nötig gehalten hätten, um auf dem Level mitzuhalten, aber es war immer klar, dass das nicht der Fall sein würde."

Evangelos Marinakis

Klubeigner Evangelos Marinakis hat große Pläne. IMAGO/PA Images

Was in weiten Teilen von Fußball-Europa also für ungläubiges Staunen sorgte, war "intern keine Überraschung", so Cooper gelassen. "Es gab keine Alternative zu den vielen Wechseln." Doch war es direkt nach dem Aufstieg in Transfergerüchten noch um die Weiterverpflichtung bisheriger Leihgaben gegangen, verteilte Nottingham plötzlich sein Geld über ganz Europa.

Das Play-off-Finale zur Premier League gilt eben nicht umsonst als lukrativstes Fußballspiel der Welt. Das Wirtschaftsprüferunternehmen "Deloitte" rechnete vor, dass Nottingham allein der Aufstieg über die nächsten drei Jahre Einnahmen von 200 Millionen Euro garantiert - und gar mehr als 350 Millionen Euro, sollte der Klassenerhalt gelingen. Wäre der Aufstieg verpasst worden, hätte der Traditionsklub hingegen womöglich Spieler verkaufen müssen, um nach den Pandemie-Verlusten weiter die finanziellen Vorgaben der Football League zu erfüllen.

Nun aber gibt es große Pläne. Klubeigner Evangelos Marinakis öffnete nach dem Aufstieg bereitwillig seine Geldbörse. Der polarisierende griechische Unternehmer, der auch Olympiakos Piräus besitzt, hatte schon bei seiner Übernahme 2017 den Europapokal als Ziel ausgegeben und die "glorreichen Tage zurückbringen" wollen. Nottingham, 1865 gegründet, war 1979 und 1980 Europapokalsieger der Landesmeister (und ist der einzige Klub Europas, der den Henkelpott häufiger gewann als die Meisterschaft).

Doch ob die Saison, die diesem wahnwitzigen Transferfenster folgt, wirklich "glorreich" wird, ist völlig offen. Den meisten Fans, ohnehin euphorisiert von der langersehnten Premier-League-Rückkehr, scheint die Geldpolitik zu gefallen. Doch Cooper muss nun auf die Schnelle neue Automatismen auf und eine neue Hierarchie neben dem Platz schaffen.

Daran sind andere schon gescheitert. Der FC Fulham war 2018/19 der letzte Premier-League-Aufsteiger, der weit über 100 Millionen Euro für Neuzugänge ausgab, und stieg frühzeitig gleich wieder ab.

Jörn Petersen

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