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Endemann im Interview: "Der eigentliche Kampf geht jetzt erst los"

"Football Supporters Europe"-Sprecher Endemann im Interview

"Der eigentliche Kampf geht jetzt erst los"

"Jetzt ist das große Momentum da": Die Fanproteste, hier in London, haben erfolgreich gegen die Super League protestiert.

"Jetzt ist das große Momentum da": Die Fanproteste, hier in London, haben erfolgreich gegen die Super League protestiert. picture alliance

Herr Endemann, war das vorläufige Ende der Super-League-Pläne auch ein Sieg der Fans?

Es war ein Etappensieg, aber der eigentliche Kampf geht jetzt erst los. Das Scheitern war der Crash, den der Fußball benötigt hat, jetzt ist das große Momentum da, den Wandel zu erreichen. Die Ablehnung der Champions-League-Reform war lange fast ausschließlich Angelegenheit der organisierten Fans, die große Öffentlichkeit hat das nicht interessiert. Jetzt haben es die Vereine und Verbände ohne große Widerrede durchgewunken. Der andere Versuch, den großen Klubs immer mehr Kompromisse zuzugestehen, ist ihnen mit der Super League jetzt aber um die Ohren geflogen. Da hat die einheitliche Stimme der Fans geholfen, dass die Idee zusammengebrochen ist.

Was glauben Sie, waren die Vereinsbesitzer überrascht von der Wucht des Feedbacks?

Ja, vor allem davon, wie sehr sich die eigenen Fanszenen dagegengestellt haben. Sie haben damit gerechnet, durchzukommen, und das zeigt, wie weit sie von der Realität entfernt sind. Menschen wie Andrea Agnelli und Florentino Perez sind Egomanen, die sich nur mit Speichelleckern umgeben und es nicht gewohnt sind, Widerstand zu bekommen.

Wie sahen die Proteste in den einzelnen Ländern aus? Täuscht der Eindruck, dass es vor allem in England Widerstand gab?

In Spanien haben Fangruppen von Real Madrid und dem FC Barcelona ein Mitglieder-Referendum gefordert - dass so offen vorgegangen wird, ist vorher noch nie passiert ist. In Italien herrscht das Problem, dass es keine nationale Fanorganisation und deshalb keine gemeinsame Stimme gibt. Aber die Curva Sud aus Mailand hat sich beispielsweise mit einem Statement offen dagegengestellt. In England gab es zum Beispiel während des Spiels zwischen Leeds und Liverpool gemeinsame Proteste der Fangruppen vor dem Stadion, auch vor dem Spiel von Chelsea. In England ist die Corona-Situation so, dass es einigermaßen möglich war. Englischen Fußball-Fans wird ja oft vorgeworfen, unkritisch zu sein und dass sportlicher Erfolg bei ihnen viel übertüncht. Aber dort ist die Debatte um Besitzverhältnisse mit dem Blick nach Deutschland ganz neu entfacht.

Die Klubs haben sich in ihrem 'Markenkern' unfassbar geschadet.

Das Verhältnis und das Vertrauen der Fans zu ihren Klubs dürften auf einem historischen Tiefpunkt sein, oder?

Natürlich. Auch ein Fan, der zu Spielen des FC Liverpool fährt, will nicht nur Spiele gegen Milan und Madrid sehen. Da wurde auch klar unterschätzt, was diese Ablehnung für die Vereine bedeutet. Die Klubs haben sich in ihrem "Markenkern" unfassbar geschadet, auch die Sponsoren werden alles andere als glücklich sein. Das Verhältnis der Fans zu den Eigentümern ist sicherlich nachhaltig beschädigt.

Welche Rolle haben die Fans in Deutschland dabei gespielt, dass Bayern München und Borussia Dortmund nicht an der Super League teilgenommen hätten?

Eine riesige. Ich bin mir sicher, dass Angebote auf dem Tisch lagen oder gekommen wären und die Vereine sehr intensiv intern darüber geredet haben, wie sie sich dazu verhalten sollen. Die deutschen Klubs wussten aber auch, dass sie eine Teilnahme komplett hätte implodieren lassen. Es war extrem wichtig, dass sofort harter Gegenwind aus den jeweiligen Fanszenen kam.

Die Champions-League-Reform muss zurückgenommen werden.

Ein extrem bitterer Beigeschmack bleibt, die Champions-League-Reform wurde beschlossen. Glauben Sie, dass sich dagegen nun auch so ein massiver Widerstand formieren wird?

Ich hoffe es, daran arbeiten wir mit unseren Mitgliederorganisationen. Das darf keinen Bestand haben. Die Wildcards, die Anzahl der Spiele - diese ganze Reform ist abzulehnen. Wir werden dafür kämpfen, dass sie so nicht stattfindet und dass es bei der Konzeption einen Restart unter Beteiligung der Fans gibt. Wir sind auch sehr enttäuscht von unseren nationalen Vertreten im Exekutivkomitee. In internen Gesprächen mit den Vereinen und Verbänden wurde uns immer gesagt, dass man Kompromisse eingehen muss, um die Gefahr der Super League abzuwenden. Als diese dann doch kam, wurde der Reform trotzdem zugestimmt.

Ist dieser neue öffentliche Diskurs mit Spielern, Trainer und Fans auf derselben Seite auch eine Chance, das ganze Konstrukt Profifußball so zu überdenken und anzugreifen, wie es organisierte Anhänger schon lange fordern?

Eine riesige sogar, das ist deutlich geworden. Dieses Momentum muss man mitnehmen und all die Akteure, die gerade große Reden geschwungen haben. Wir versuchen ohnehin immer, mit dem Spielerbündnis FIFPro zusammenzuarbeiten, bei vielen Kämpfen stehen wir auf derselben Seite. Auch die Spieler wurden hier verraten.

Wie geht es für die FSE jetzt weiter?

Wir werden und mit unseren europäischen Mitgliedern beraten, wie die nächsten Schritte von unserer Seite aussehen werden. Klar ist schon, dass die Champions-League-Reform zurückgenommen und unter Beteiligung aller Stakeholder, also auch der Fans, ein neues Modell für den europäischen Fußball gefunden werden muss. Und EU und Regierungen müssen schauen, ob der Fußball anders reguliert wird, denn es hat sich wieder gezeigt, dass er es nicht selbst kann.

Interview: Patrick Kleinmann