Alfred Gislason legte die Stirn in Falten. Die Corona-Gefahr für seine Spieler, die schwelende Debatte über einen Länderspiel-Boykott der Klubs - wieder ist sein so lang ersehntes Debüt als Bundestrainer von äußeren Umständen gefährdet. "Ich bin Berufsoptimist", sagte Gislason und atmete tief durch: "Ich gehe fest davon aus, dass ich alle Spieler an Bord habe, die zu dem Zeitpunkt gesund sind."
Eine gehörige Portion Hoffnung schwang mit in Gislasons Stimme, als er am Montag den Kader für seine DHB-Premiere via digitalem Medientermin benannte - aber auch eine Art Appell an Vereine und Verbände: Eine Freigabe-Verweigerung der Klubs, die angesichts der rasant steigenden Corona-Zahlen besorgt über die Gesundheit ihrer Nationalspieler debattieren, soll vor den Partien der EM-Qualifikation gegen Bosnien-Herzegowina (5. November) und in Estland (8. November) unbedingt vermieden werden.
"Wir versuchen, für unsere Mannschaft und die der Gegner den höchsten Schutz zu bieten", sagte DHB-Vorstandschef Mark Schober und äußerte Verständnis für die Sorgen der Bundesligisten. Es sei wichtig, die Risiken seitens der Nationalverbände durch Hygienekonzepte und Testungen zu minimieren. Zudem hofft der Handball auf eine neue Muster-Quarantäneverordnung des Bundes, die eine Ausnahme für Berufssportler vorsieht, in den Bundesländern aber noch einzeln ratifiziert werden muss.
"Es bleibt uns nur die Chance, dass jeder Bundesligist mit den Nationalverbänden, in die er abstellt, kommuniziert, und wir dann für jeden Nationalspieler Lösungen finden", sagte Schober. Helfen soll dabei auch ein vom Europäischen Dachverband EHF vorgeschlagenes umfangreicheres Testkonzept.
Ich merke bei allen eine große Vorfreude.
Alfred Gislason
Eine grundsätzliche Entscheidung über die Abstellung ihrer Nationalspieler wollen die Bundesligisten bis Mittwoch fällen. "Wir haben nicht mehr arg viel Zeit. Aber ich bin sehr optimistisch, dass wir das hinbekommen", sagte Schober.
Die DHB-Stars um Kapitän Uwe Gensheimer verspüren vor den Spielen laut Gislason jedenfalls große Lust auf die Nationalmannschaft. "Ich merke bei allen eine große Vorfreude", sagte der Isländer. Mit der Corona-Situation hätten die Spieler gelernt umzugehen.
Gislason, der seit seiner Inthronisierung als Nachfolger des glücklosen Christian Prokop im Frühjahr auf sein DHB-Debüt wartet, scharrt mit den Hufen, der 61-Jährige will unbedingt loslegen. "Ich freue mich sehr, dass es jetzt endlich losgeht. Die Pause war viel zu lang", sagte er. Gislasons für Mitte März geplante Premiere war kurzfristig ausgefallen, weil der Gegner aufgrund der Pandemie nicht anreisen durfte.
Alle Vorbereitungen für sein erstes Spiel hat der Bundestrainer jedenfalls getroffen. 21 Spieler - darunter auch die beiden zurückkehrenden 2016er Europameister Christian Dissinger (Vardar Skopje) und Finn Lemke (Melsungen) sowie Youngster Juri Knorr (Minden) - nominierte Gislason am Montag für die erste Quali-Etappe.
Das Team, in dem die beiden verletzten Kreisläufer Jannik Kohlbacher und Johannes Golla ebenso fehlen wie die geschonten Berliner Fabian Wiede und Paul Drux, trifft sich bereits am kommenden Montag für gemeinsame Trainingseinheiten. "Ich freue mich darauf, endlich mit dem Team trainieren zu können. Wir werden das Beste aus diesen gemeinsamen Tagen machen", sagte Gislason.
Praktisch fest steht schon jetzt, dass das Gislason-Debüt in Düsseldorf gegen Bosnien-Herzegowina ohne Fans über die Bühne gehen wird. Theoretisch seien Zuschauer zwar noch möglich, "aber nicht wirklich realistisch", sagte Funktionär Schober. Dafür müsse die Inzidenzzahl in der Stadt unter 35 liegen, momentan liegt sie bei weit über 100.
Hier finden Sie den Kader für die anstehenden Länderspiele...
