DFB-Pokal

FINALE DAHOAM.

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FINALE DAHOAM.

imago/Rauchensteiner

Susanne Hein-Reipen (49) aus Krefeld ist Schalke-Fan.

Bayern, Bayern, immer nur diese Bayern.

Das 77. DFB-Pokal-Finale zwischen Bayer 04 Leverkusen und Bayern München ist coronabedingt das erste vor leeren Rängen; nur große rot-weiß-schwarze und rot-weiße Stoffbahnen zieren die Fankurven der verwaisten "Schüssel".

Susanne Hein-Reipen (49) Privat

Nach dem ersten Abtasten nimmt der Favorit das Heft in die Hand und geht durch einen tollen Freistoß von Alaba ins rechte obere Eck mit 0:1 in Führung (16.). Das 0:2 besorgt Gnabry nach schöner Vorarbeit des starken Kimmich (24.). Danach verwaltet Bayern die Führung sehr geschickt, bei Leverkusen steht Havertz offensiv oft allein auf weiter Flur.

Eine Viertelstunde nach dem Seitenwechsel die spielentscheidende Szene: Volland tritt freistehend vor Neuer über den Ball und Hradecky wird zur tragischen Figur, indem er sich einen Fernschuss von Lewandowski selber zum 0:3 durch die Beine wirft (59.). Den Leverkusener Anschlusstreffer zum 1:3 erzielt Sven Bender nach einer Ecke (64.). Das Tor verleiht der Werkself neuen Elan, in der Folgezeit wogt die Partie ausgeglichen hin und her, bis erneut Lewandowski - wer sonst? - zuschlägt und mit dem 1:4 (89.) alles klarmacht. Den 2:4-Endstand besorgt Havertz in der Nachspielzeit mit einem fulminant in den Winkel gehämmerten Handelfmeter.

Fazit: Leverkusen verliert damit auch das dritte DFB-Pokal-Finale in diesem Jahrtausend nach den Endspielen 2002 gegen Schalke ( Jörg Böhme lässt grüßen!) und 2009 gegen Werder. Für Bayern ist es der 20. Pokalsieg, für Rest-Fußball- Deutschland leider zu viel Dominanz und - Langeweile.

Leverkusen: Hradecky (5) - L. Bender (2)/82.Weiser, Tapsoba (4), S. Bender (3), Wendell (3) - Aranguiz (2), Baumgartlinger (5)/46. Demirbay (3) - Diaby (3), Amiri (4)/46. Volland (5), Bailey (3)/76. Bellarabi (-) - Havertz (3).
FC Bayern: Neuer (2) - Pavard (3), Boateng (2)/69. Hernandez (3), Alaba (2), Davies (4) - Kimmich (1), Goretzka (3) - Gnabry (2)/ 87. Coutinho, Müller (4)/87. Thiago (-), Coman (4)/65. Perisic (-) - Lewandowski (2).
Schiedsrichter: Welz (2).

Mario Varga (49) aus Neuwied ist Bayern-Fan.

Aktuell ist Pep noch mein Favorit.

Folgt dem nationalen Triumph nun der Griff nach dem Henkelpott? Die Bayern sind seit Jahren das Maß aller Dinge in der Bundesliga, und andere Fans sprechen von Langeweile. Große Herausforderungen waren in den vergangenen Jahren vor allem die Spiele in der Champions League. Doch zuletzt setzten Liverpool, Real, Atletico oder Barcelona auf dem Weg ins Finale immer das Stoppschild. Ist nach sieben Jahren, dem Sieg gegen den BVB in Wembley, wieder die Zeit gekommen, um Geschichte zu schreiben?

Mario Varga (49) Privat

Die Vorzeichen mit der erneut gewonnen Meisterschaft, dem Pokalsieg und dem 3:0-Hinspiel-Erfolg im Achtelfinale gegen Chelsea stehen augenscheinlich gut. Die Form, der Geist in der Mannschaft und die Handschrift des Trainers stimmen uns Bayern-Fans positiv, dass es beim Turnier in Lissabon weit gehen kann.

Mein Favorit ist jedoch das Team von Pep Guardiola mit seinen Superstars von ManCity. Wünschen würde ich mir natürlich ein Finale mit meinen Bayern, doch die Zeit ist meines Erachtens noch nicht gekommen. "Der Weg ist das Ziel", sagte Konfuzius, und das Ziel sollte das "Finale dahoam" 2023 sein. Auf die erneute Chance, ein Champions-League-Finale im heimischen Stadion spielen zu dürfen, sollte in den kommenden Jahren hingearbeitet werden. Da muss vielleicht auch eine bittere Niederlage in Lissabon einkalkuliert werden. Der Fokus sollte auf 2023 gerichtet werden, um Kimmich, Goretzka, Sané & Co. einen Triumph im "Finale dahoam" zu bescheren. Und wenn's früher klappt? Gerne!

Steffen Adomeit (43) aus Höheischweiler ist Saarbrücken-Fan.

74:2 Titel! Diese Bilanz spricht Bände.

Spitznamen sind im Fußball keine Seltenheit. Es gibt die "Knappen" auf Schalke, die "Fohlen" in Gladbach oder die "Roten" in München. Bayer 04 Leverkusen hat derlei sogar zwei: "Werkself " und "Vizekusen". Obwohl diese nach Spott klingen, steht der Klub marketingtechnisch hinter diesen Spitznamen. Getreu dem Spruch: "Nur wer über sich selbst lachen kann, hat Humor!"

Steffen Adomeit (43) Privat

Humorlos kickte die Werkself den zukünftigen Drittligisten 1. FC Saarbrücken im Halbfinale aus dem Pokal. Damit vermieste das Bosz-Team auch der saarländischen Comedyband "Schaafa Sämpf " die Tour. Die fünfköpfige Gute-Laune-Band begleitete seit dem Achtelfinalsieg über den 1. FC Köln den FCS mit witzigen Songs im DFB-Pokal. Auch Bayer 04 bekam mit dem Lied "Glyphosat 04" seinen "Sämpf " ab. Am Ende hieß es 0:3 aus Sicht der Saarländer.

Geld scheint doch Tore zu schießen. Immerhin ist der Marktwert von Bayer mit 400 Millionen Euro mehr als 100-mal so hoch wie der des FCS. Wesentlich kleiner - und nicht wegen des fehlenden "n" im Namen - ist der Unterschied zwischen Bayer und Bayern. Die Roten sind mit 800 Millionen Euro "nur" doppelt so viel wert wie Leverkusen. Aber extrem erfolgreicher: 74:2 Titel! Die Truppe von Hansi Flick ist kein roter Flickenteppich, eher ein fliegender Teppich. Seit Jahren schweben die Münchner in anderen Fußballsphären. Wieder Meister. Wieder Pokalsieger. Nicht wirklich spannend… Und Leverkusen? Trotz eines couragierten Auftritts im DFB-Pokal-Finale bleibt sich Bayer treu: Vizekusen eben.

Johannes Kneysel (29) aus Hamburg ist HSV-Fan.

Sechs Tore, aber die Fans fehlen.

Es war endlich angerichtet, statt wie eigentlich geplant am 23. Mai 2020 wurde erst am Samstag, das 77. DFB-Pokal-Endspiel im Berliner Olympiastadion angepfiffen. Bayer Leverkusen traf auf Bayern München. Mit einem klaren 4:2-Sieg setzte sich der Rekordmeister erwartungsgemäß durch. Auch in diesem Jahr machten die Rheinländer ihrem Spitznamen "Vizekusen" ungewollt wieder alle Ehre und schafften es nach 27 Jahren (dem 1:0 im Pokalfinale 1993 gegen die Hertha Amateure) wieder nicht, einen Wettbewerb zu gewinnen.

Johannes Kneysel (29) Privat

Die Bayern spielten von Beginn an stark auf, entschieden das Spiel mit dem 2:0 eigentlich schon nach 24 Minuten für sich. Um 22.11 Uhr stemmte Manuel Neuer im Goldregen die Trophäe in den Berliner Nachthimmel. Mit diesem Sieg haben die Münchner weiterhin die Möglichkeit, nach 2013 wieder das Triple perfekt zu machen.

Abgesehen vom Ergebnis war schon vor dem Anpfiff klar: Das wird kein "normales" Finale. Die Mannschaften mussten ohne die Unterstützung von den Rängen spielen, es folgte eine Pokalübergabe ohne überschwängliche Freude mit ihren Anhängern. Schade!

Dieses Bild ist man bereits aus den vergangenen Wochen nach der Corona-Spielpause gewöhnt. Allerdings bleibt es traurig, wenn dieser traditionsreiche und stimmungsvolle Wettbewerb so enden muss.

Es bleibt zu hoffen, dass wir Fans schon bald wieder auf den Tribünen stehen und die Teams unserer Herzen anfeuern können. Mal ehrlich: Nur so macht Fußball wirklich Spaß.

Marc Skott (33) aus Berlin ist Alemannia-Fan.

Berlin, Berlin, war da was in Berlin?

"Ja, tut auch ein bisschen weh" - so fiel das Fazit von Thomas Müller nach dem DFB-Pokal-Finale gegen Bayer Leverkusen aus. Damit meinte er nicht die Slapstick-Veranstaltung der Werkself, die in Form der Einlagen von Kevin Volland, Lukas Hradecky und Kerem Demirbay für ungewollte Tragikomik sorgte und ihren in der zweiten Halbzeit beherzten Auftritt konterkarierte. Er meinte die besondere Atmosphäre dieses Pokalfinals in Zeiten von Corona.

Marc Skott (33) Privat

Diese Atmosphäre will ich aufspüren. Am Tag des Endspiels setze ich mich auf mein Fahrrad und kurve durch die Hauptstadt. Ich halte Ausschau nach Menschen in Trikots, will mit ihnen sprechen und die Stimmung vor dem Finale ausmachen. Meine Ausbeute nach drei Stunden: Nicht einen Fußballfan konnte ich finden. Gut so, denke ich. Schließlich erleben wir eine Pandemie. Mit Pokal- Fieber hat das aber nichts zu tun.

Warum also das Ganze? Bayern München demonstriert die erdrückende Dominanz auch im DFB-Pokal - in den letzten 20 Jahren gewannen sie zehnmal. Bayer Leverkusen fügt der abgegriffenen Saga "Vizekusen" ein weiteres Kapitel hinzu. Der Bezahlsender Sky untermalt die Prozedur derweil mit eingespielten Fan-Gesängen. Ich zucke mit den Schultern. Sicher, der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Allein Saarbrücken hat es diese Saison wieder bewiesen. Und doch spiegelt dieses Finale die Entfremdung wider, die zwischen dem gewinnorientierten Fußball unserer Zeit und den Fans an der Basis stattfindet. Ja, tut auch ein bisschen weh.