Eishockey

Seiders NHL-Traum begann mit der Oberliga-Mannschaft von Erfurt

Vier deutsche Top-Talente wollen in die beste Liga der Welt

Seiders NHL-Traum begann mit der Oberliga-Mannschaft von Erfurt

Vier junge Deutsche auf dem Sprung in die NHL: Moritz Seider, Tim Stützle, Dominik Bokk und Lukas Reichel (v.li.).

Vier junge Deutsche auf dem Sprung in die NHL: Moritz Seider, Tim Stützle, Dominik Bokk und Lukas Reichel (v.li.). imago images (3)/ Getty Images

Dominik Bokk (20), Lukas Reichel (18), Moritz Seider (19) und Tim Stützle (18) stehen jeder auf unterschiedliche Weise vor einem richtungsweisenden Jahr. Seider spielt bereits für die Grand Rapids Griffins im AHL-Farmteam des NHL-Klubs Detroit Red Wings. Bokk möchte nach drei Jahren in Schweden nun nach Nordamerika wechseln. Und Supertalent Stützle sowie der ebenfalls hochveranlagte Reichel warten darauf, im vorerst verschobenen Draft 2020 von einem NHL-Klub ausgewählt zu werden.

Dabei war der Traum von der NHL keineswegs bei allen schon in Kindheitstagen präsent. Denn während Bokk davon spricht, dass "die NHL schon als kleiner Junge das Ziel des Lebens" gewesen sei, meint Stützle: "Als ich mit vier in Krefeld angefangen hat, denkt man nicht so über die NHL nach, sondern will Spaß mit Freunden auf dem Eis haben." Seider sagt sogar: "Das größte war für mich zunächst die Oberliga-Mannschaft von Erfurt. Da denkt man: da willst du irgendwann auch hin. Mit der NHL kommt das erst nach und nach. Dann sieht man Videos und wenn man jeden Tag damit konfrontiert wird, will man das Ziel auch erreichen."

Bokk über Zeit in Schweden: "Ich bereue nichts"

Während alle vier mit Argusaugen Leon Draisaitls sensationelle Entwicklung der letzten Jahre zum Art-Ross-Trophy-Gewinner 2019/20 beobachteten, sind sie dennoch allesamt froh, einen anderen Werdegang in ihrer Entwicklung gemacht zu haben als der erste deutsche Eishockey-Superstar ein paar Jahre zuvor. Denn während Draisaitl nie ein DEL-Spiel absolvierte, entschieden sich Seider, Stützle und Reichel, bereits mit 17 Jahren zunächst in der heimischen Liga ihr Profi-Debüt zu geben. Bokk zog es nach Schweden, das für seine exzellente Talente-Entwicklung bekannt ist.

"Die drei Jahre in Schweden waren fantastisch. Ich habe mich super wohl gefühlt und bin gut aufgenommen worden. Im ersten Jahr habe ich fast nur U20 gespielt, dann aber einen Profi-Vertrag unterschrieben. Dann kam das erste Jahr als voller Profi. Es gibt viele Spieler, die einem Tipps geben und helfen konnte. Ich bereue nichts", sagt Bokk über sein Entscheidung.

Seider und Stützle loben Adler-Coach

Auch Reichel hebt den großen Vorteil hervor, frühzeitig im Männerbereich mit den Eisbären Berlin Erfahrungen zu sammeln. "Ich bin nicht der körperlich Stärkste. Mich hat das weitergebracht, weil man lernt, schlauer in den Zweikämpfen zu sein gegen erfahrenere, ältere und kräftigere Spieler." Ähnlich sieht es Stützle: "Die Entscheidung in Mannheim zu bleiben, war die beste, die ich treffen konnte - ich hätte auch ins College gehen können. Aber bei Freunden und Familie zu sein hilft. Und Mannheim ist eine tolle Organisation, die mich auch wollte und mir Eiszeit gab. Ich hatte Glück, dass mich Pavel (Adler-Coach Gross; d. Red.) so unterstützt hat und mich mit 'Beni' (Center Ben Smith) und Tommi (Außenstürmer Huhtala) in eine Reihe gestellt hat. Gegen Männer zu spielen ist ein Vorteil, man kann auch von den nordamerikanischen Spielern einiges lernen - auch in den Zweikämpfen."

Lukas Reichel (o.li.), Tim Stützle (o.re.), Moritz Seider (u.li.) und Dominik Bokk im Video-Call. kicker

Seider, der vor zwei Jahren als hoch eingeschätztes Talent eine Art Vorreiter dabei war, es zunächst in der DEL zu versuchen und nicht direkt nach Nordamerika zu gehen, erklärt seine damalige Entscheidung so: "Der Unterschied zu früheren Jahren war, dass es in Mannheim einen Coach und Manager gab, die auf junge Spieler vertraut haben, in einer Zeit, in der viele noch über den CHL-Weg (die kanadische Juniorenliga; d. Red.) gegangen sind", sagt der Verteidiger über Adler-Coach Pavel Gross und Manager Jan-Axel Alavara, der - wie Bundestrainer Toni Söderholm - mit Finnland aus einer Nation stammt, die sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten dank exzellenter Jugendarbeit zu einer Topnation im Welteishockey mauserte.

NHL-Traum? Notfalls über den Umweg AHL

Der gebürtige Thüringer, der durch den Abbruch der Hauptrunde womöglich um sein NHL-Debüt gebracht wurde (Detroit nimmt als schwächstes Team der Hauptrunde nicht an den Play-offs teil), sieht sich selbst derzeit "im wahrscheinlich wichtigsten Sommer meiner Karriere". Denn er müsse nun den Grundstein dafür legen, "dass man irgendwann einem anderen Mitspieler den Job klauen kann. Man wird im ersten Saisonspiel sehen, ob ich den Sprung geschafft habe. Wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm. Dann muss man sich in der AHL eben wieder ran arbeiten."

Ähnlich sieht es Bokk, der seinen Umzug nach Übersee in die Organisation der Carolina Hurricanes plant: "Mein Ziel ist es schon, nächstes Jahr nach Nordamerika zu gehen. Am besten in die NHL, aber das weiß man ja nie. Falls nicht, würde ich auch in die AHL gehen", sagt der Rechtsaußen.

Seiders Ratschlag: "Alles aufsaugen"

Auf Stützle und Reichel wartet hingegen erst einmal der Draft, der durch die Corona-Pause nun aber von Ende Juni bis nach das Ende der geplanten Fortsetzung der Saison verschoben wurde. Eine Präferenz hat Stützle dabei nur bedingt: "Das Team ist mir relativ egal. Zu Detroit mit 'Moe' (Seider; d. Red.) würde ich aber auf keinen Fall nein sagen. Oder L.A. mit Marco Sturm als Co-Trainer."

Seider, den die Red Wings 2019 überraschend bereits an sechster Stelle in Runde eins ausgewählt hatten, rät seinen beiden Landsleuten, die kommenden Wochen und Monate mit einer Vielzahl an neuen Erfahrungen vor allen Dingen zu genießen. "Spaß haben und alles aufsaugen! So eine Chance bietet sich nur einmal im Leben, man muss das selbst erlebt haben. In diesem Jahr natürlich einmalig und mit anderen Rahmenbedingungen."

jom

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