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Domenec Torrent im Interview über Guardiola, Bayern und Barcelona

Der einstige Assistent von Guardiola über die Jahre in München

Domenec Torrent im Interview: "Das ist ja das Geniale bei Pep..."

Drei Jahre in München: Domenec Torrent und Pep Guardiola.

Drei Jahre in München: Domenec Torrent und Pep Guardiola. imago images

Asien hätte er machen können, sagt Domenec Torrent. Wollte er aber nicht. Auch aus Brasilien, Chile, Mexiko habe er Anfragen gehabt, seit er im Oktober 2019 beim New York City FC aufgehört hat. Aus freien Stücken, wie er betont. In der Tat hätte ihn der Klub gerne gehalten. "Aber ich wollte zurück. Und im Sommer in Europa einen Zyklus beginnen." La Liga kenne er naturgemäß am besten. "Aber Premier League und Bundesliga kaum weniger. Ich analysiere Minimum zwei Spiele pro Tag. Früh aus Spanien oder England, nachmittags immer Bundesliga. Wegen der vielen Talente."

Vor dem ersten Gepräch hatte er eben Hertha gegen Bremen geguckt, ein andermal Schalkes Pokal-Aus gegen Bayern - und einmal machte er gerade Paella. "Ich koche gut." Als Nachtisch gab es dann Leipzig - Leverkusen. Danach ging das Telefonat weiter.

Warum verfolgen Sie so intensiv die Bundesliga, Herr Torrent?

Weil es Spaß macht. Etwa Leipzig gegen Leverkusen Anfang März, 1:1, tolle Werbung, vor allem die erste Halbzeit war technisch hochstehend, mir hat da Bayers Passspiel sehr gut gefallen, übrigens nicht nur in diesem Spiel. Ein gutes Beispiel.

Für was genau?

Für ein starkes spielerisches Niveau der Bundesliga. Die Physis ist in Deutschland noch immer stärker als in Spanien, doch die Bundesliga hat in Bezug auf Taktik und Technik sehr aufgeholt. Auch das ist Realität in der Bundesliga: Man sieht viele großartige Talente und interessante junge Trainer.

Wen haben Sie da im Blick?

Ganz viele. Gio Reyna war bei uns in New York in der Academy, Jadon Sancho kenne ich aus der Zeit bei Manchester City, Alphonso Davies aus der MLS, als er mit Vancouver gegen uns spielte. Große Zukunft. Timo Werner, Konaté, Upamecano, Palacios, Paulinho, Havertz natürlich.

Was schätzen Sie an Kai Havertz?

Jung, mit Tordrang und wunderbarer Technik, was bei seiner Größe nicht selbstverständlich ist. Zudem bewegt er sich mit einem natürlichen Gefühl auf dem Platz, dadurch ist er subtil dominant im Geschehen drin. Für einen Stil, wie ich ihn mir vorstelle, wäre Havertz ideal.

Kaum ein großer Verein, der sich nicht um ihn bemühen soll.

Zu Recht. Er kann mit seinen Qualitäten in jeder Mannschaft der Welt spielen, egal ob Barca oder Manchester City. Er ist ein Spieler für einen Top-top-Klub. Übrigens würde ich mir als Trainer auch Julian Weigl immer in meine Mannschaft wünschen. Auch er könnte mit seiner Technik und Passstärke bei Barca spielen.

Weigl wechselte aber von Dortmund zu Benfica, in eine Liga am Rand Europas.

Er kann Spiele bestimmen, er braucht nur das entsprechende Umfeld, das Vertrauen, die Perspektive. Aber er ist einer der Spieler, die mit ein, zwei Ballberührungen Tolles machen können.

Sie sprachen Nagelsmann an.

Ich habe sein Training nicht gesehen, aber ich sehe dessen Resultate, und die sind ein Ausweis von Klasse und zeigen einen sehr dynamischen Fußball, viele Tore, wenige Gegentore, sehr variabel, unterschiedliche Varianten, schnelles Umschalten, es ist sehenswerter Fußball. Ein Fußball, der den Zuschauern viel bietet, und das ist auch wichtig.

Warum?

Weil Fußball auch unterhalten und nicht nur spannend sein soll dahingehend, dass man einen Spielstand imstande ist zu halten, was natürlich taktisch dennoch ganz viel bieten kann.

Kommen wir zu Ihrer Zusammenarbeit mit Pep Guardiola. Wie kam es dazu? Aus der Barca-Jugend kannten Sie sich ja nicht.

Als er 2007 bei Barca B Cheftrainer wurde, suchte er einen Assistenten, der in den unteren Klassen gearbeitet hatte, und ich war Trainer bei Girona gewesen und hatte diese Erfahrung. Wir waren keine Freunde, wir wurden dann aber Freunde. Doch bei der Arbeit blieb unser Verhältnis professionell, alles andere wäre auch ein Fehler.

Wie groß war denn Ihr Einfluss auf ihn?

Domenec Torrent und Pep Guardiola

Die Schale: Domenec Torrent und Pep Guardiola durften dreimal die Meisterschaft bejubeln. imago images

Meine Aufgabe war, da zu sein, wenn er einen Rat brauchte. Wie 2015 beim 0:3 bei Barca. Schnell reagieren - oft ging der Kontakt nur über Blicke. Mal hat er Rat angenommen, mal nicht. Als Cheftrainer hatte immer er die letzte Entscheidung. Für die Pause erstellte Analyst Carles Planchart kurze, nur sekundenlange Videos, ich analysierte sie mit ihm.

Haben Sie ihn auch von taktischen Varianten abgehalten?

Wir haben uns immer ausgetauscht, das ist ja der Sinn, so sahen wir es. Ich konnte argumentieren, er fragte, und dann meinte er: "Ja, passt" oder eben "Nein, so nicht."

Waren Sie durch Ihre ruhige Art ein Gegenpol zum während eines Spiels oft so aufgedrehten Chef?

Weil das so ist, entgeht ihm manchmal etwas. Ist ganz normal. Deshalb waren wir ja ein Team. Mein Platz war ein paar Meter hinter ihm, ich beobachtete daher umso ruhiger das Spiel. Selbst der beste Cheftrainer der Welt kann mal den Faden verlieren.

Laut dem Buch "Herr Guardiola" des katalanischen Autors Marti Perarnau waren Sie es, der 2013 im UEFA-Supercup gegen Chelsea Guardiola den Anstoß gab, es mit Philipp Lahm statt Toni Kroos auf der Sechs zu probieren. Richtig?

Kroos hatte gegen Chelsea Probleme gegen die schnellen Engländer. Ich schlug vor, ob wir es nicht mit Lahm auf der Sechs probieren wollten. Pep probierte es. Kroos ging auf die Acht. Aber wir wussten ja schon aus der Vorbereitung, dass auch Lahm das Pass- und Positionsspiel hervorragend beherrscht, zudem Überblick hat, auch defensive Stabilität.

Und Kroos?

Einer der besten Mittelfeldspieler der Welt, weiterhin. Wir hätten gerne länger als ein Jahr mit ihm zusammengearbeitet. Er war einer der essenziellen Spieler für Real Madrid bei den drei Titeln in der Champions League.

Überrascht Guardiola in großen Spielen manchmal die eigenen Spieler mit besonderen Taktiken? Nicht immer zum Vorteil?

Das würde ich nicht sagen. Warum? Pep verändert nicht, nur um zu verändern. Sondern immer, um etwas zu verbessern. Er ist ein permanenter Innovator. Genau deshalb benötigt er intelligente Spieler. Xavi, Iniesta, Messi verloren praktisch nie den Ball. Aber intelligente Spieler hatte er auch bei Bayern.

Im Februar im Achtelfinal-Hinspiel bei Real Madrid spielte er 4-4-2 gegen den Ball. Das entsprach nicht der üblichen Spielweise Citys.

Ich war im Bernabeu, ich habe mit Guardiola gesprochen. Mein Eindruck ist: Er überraschte mit dieser Taktik mehr den Gegner als die eigenen Spieler.

Kevin De Bruyne war eine von zwei Spitzen, Gabriel Jesus Linksaußen. Sergio Aguero saß auf der Bank. Real ging in Führung und besiegte sich am Ende mit Fehlern selbst. Brachte Guardiola nicht etwas Verunsicherung ins eigene Team?

Nein, es hat nur etwas gedauert. City hätte schon vorher treffen können, De Bruyne hat sich oft zurückfallen lassen und als falsche Neun agiert. Ich denke, Pep ist ein Genie, auch Genies machen Fehler. Ganz generell. Aber 95 Prozent oder gar mehr seiner Geistesblitze funktionieren.

Warum tun sie das?

Weil dahinter harte Arbeit steckt in Form von Analysen, aus denen er dann Matchpläne entwickelt.

Machen das nicht alle so?

Die Fußballwelt wird Guardiola vielleicht erst dann so richtig in seiner Dimension erfassen, wenn er nicht mehr arbeitet.

Eine der großen Ideen war das Einführen der falschen Neun 2009. Hat er dies mit Ihnen diskutiert?

Im Bernabeu. Er hatte mir gesagt, ich solle ihm Videos zum Abwehrverhalten Reals vorbereiten. Die zeigte er dann Messi und besprach seine Idee zunächst mit ihm. Unser Glück war, dass Messi der beste Spieler der Welt ist und die Rolle nicht nur verstand, sondern auch perfekt ausfüllen konnte in doppelter Form.

Inwiefern doppelt?

Messi war falsche Neun und Neun zugleich. Weil er so schnell war, gedanklich, technisch, körperlich, war er nach dem Durchstarten von der Position der falschen Neun in einer Sekunde im Strafraum. Ich hatte vorher Bedenken, aber das 6:2 gab Pep recht.

Welche Bedenken hatten Sie?

Wir traten im Bernabeu an, hätte Madrid gewonnen, wäre es mit der Meisterschaft noch mal knapp geworden. Aber das ist ja das Geniale bei Guardiola, er macht solche Dinge auch besonders in großen Spielen.

Wie ein paar Wochen später beim 2:0 im Champions-League-Finale gegen Manchester United. Die internationale Taufe.

Wir hatten in der Defensive viele Ausfälle, Touré musste in der Innenverteidigung ran. Anfangs hatten wir Probleme, aber dann traf Eto'o, kaum, dass wir umgestellt hatten. Er war der perfekte Soldat, wurde erneut praktisch geopfert und außen eingesetzt, aber dadurch funktionierte es. Und noch mal: wieder in einem entscheidenden Moment ein genialer Schachzug. Aber klar: Wäre es in die Hose gegangen, wäre die Häme riesig gewesen.

Kommen wir zu den drei großen Halbfinals Ihrer Zeit mit Bayern. War 2014 das 0:4 gegen Real die schmerzhafteste Niederlage?

Wir hatten im Bernabeu 0:1 verloren, das ließ Chancen für das Rückspiel. Auch wenn es gegen die damals beste Kontermannschaft der Welt ging. Deshalb wollten wir nicht auf Teufel komm raus aufholen. Wir wollten es durchdacht angehen.

Das hat augenscheinlich nicht geklappt. Im Buch von Marti Perarnau wird er zitiert: "Anstatt meiner Idee bin ich den Spielern gefolgt."

Aber er gibt sich selbst die Schuld, nicht den Spielern. Wir, die Trainer, haben den Fehler gemacht. Auf dem Platz gaben wir Madrid zu viel Platz für Konter. Peps Idee wäre die einer abwartenderen Taktik gewesen, aber wesentliche Spieler wollten drängender, stürmender agieren. Ich sage das nur, weil längst Spieler darüber sprachen. Aber es war generell eine besondere Situation.

Inwiefern?

Erstes Halbfinale für ihn mit Bayern, die ihm unbekannte Halbfinal-Atmosphäre in der Allianz-Arena. Auch dieses Neuland führte dazu, dass Pep dem harten Kern der Spieler folgte, die waren ja immerhin Titelverteidiger.

Er hat darüber zunächst nicht gesprochen. Erst ein Jahr später im Buch von Autor Perarnau.

Verloren haben immer wir, die Trainer, das war und ist sein Ansatz. Vielleicht hätten wir mit Peps Idee von mehr Kontrolle auch 0:4 verloren, vielleicht gar 0:5, vielleicht wären wir auch weitergekommen. Es ist müßig. Vergessen wir auch nicht die Kopfballtore von Ramos. Dadurch erhielt das Spiel ohnehin früh eine eigene Dynamik.

Domenec Torrent

Selbst der Chef: Domenec Torrent in New York City. imago images

Wie konnte Ramos zweimal so zum Kopfball kommen nach Standards?

Pep hat immer bevorzugt, im Raum zu verteidigen. Ich war als Co-Trainer für das Standard-Training zuständig. Wir haben mit Manuel Neuer gesprochen, im Raum zu verteidigen. Tenor: Wenn er nicht möchte, muss das nicht sein. Wir haben es dann gemacht. Bei den Gegentoren sind Fehler im Abwehrverhalten aufgetreten, aber solche Fehler gibt es nun mal.

Warum zweimal binnen Minuten?

Schauen Sie das Finale 2014 Real gegen Atletico. Manndeckung. Und dennoch trifft Sergio Ramos in der Nachspielzeit und entreißt Atletico den Pokal. Oder im Finale 2012 von Bayern gegen Chelsea, dennoch trifft Drogba bei der letzten Ecke. Im Raum zu verteidigen hat, anders als Mann gegen Mann, den Vorteil, dass theoretisch alle Räume abgedeckt sind. Vom Gegenteil wird man mich nicht überzeugen. Aber natürlich passieren Fehler, Abläufe sind nie roboterhaft.

2015 das 0:3 bei Barca. Die größte Enttäuschung, weil es gegen den alten Klub ging?

Das war im Vorfeld nicht unser Thema, sondern das der Medien. Wir beschäftigten uns mit der Taktik. Wir hatten hinten auf eine Dreierreihe gesetzt, um im Mittelfeld Überzahl zu haben. Damit wollten wir verhindern, dass Barca seine Stürmer einsetzt.

Es ging nicht auf, es wirkte wie eine Einladung für Barcelona.

Barca hatte mit Messi, Neymar und Luis Suarez den besten Sturm der Welt. Aber unser Plan hat vor allem deshalb nicht geklappt, weil Barca unüblich reagierte, denn Barca spielte lange Bälle auf die Stürmer, sogar schon ausgehend von Torwart ter Stegen. Er war sogar der Erste, der dies tat.

Was eher unüblich war.

Marc ist der ideale Torwart für Barcelona, weil er wirklich spielen kann. Er kann perfekt passen, hier aber hat er es lang gelöst. Dagegen kamen wir mit einer Dreierreihe hinten nicht an, also stellten wir nach 15 Minuten um. Dieses Spiel bot sehr viel Taktik, wir boten Barca danach ein Duell auf Augenhöhe. Im Camp Nou.

Dennoch kam Bayern kaum zu einer Chance, am Ende stand ein 0:3.

Durch die Gegentore in der Endphase. Weil wir nach dem 0:1 dagegenhielten. Die Spieler drängten nach dem Rückstand auf ein Auswärtstor, statt zu versuchen, das Resultat zu halten, das uns noch Möglichkeiten gegeben hätte. Gegen das beste Barca seit 2011. Das muss man nicht nur negativ sehen.

Wie interpretieren Sie es?

Das zeugt von einem Gewinner-Gen. Das Spiel war geprägt von Selbstbewusstsein auf beiden Seiten, es war sehr außergewöhnlich. Motto: Wir haben die Partie nach taktischer Umstellung lange offengehalten. Nun wollen wir zeigen, dass wir zurückkommen können. Das hat sich in dieser Situation verselbstständigt. Aber es zeugt zugleich von Selbstvertrauen. Und generell gilt: Uns fehlten Arjen Robben und Franck Ribery. Stellen Sie sich Barca ohne Messi und Neymar vor.

War das Aus 2016 gegen Atletico das Unnötigste der drei Duelle?

Neun von zehnmal kommt Bayern weiter, aber das 2:1 reichte nicht, Oblak hielt mehr als denkbar war, darunter einen Elfmeter von Thomas Müller, aber so was passiert. Es war das beste Halbfinal-Rückspiel von uns bei Bayern. Das erkannte auch Diego Simeone an: "Niemals kam einer so über uns wie Bayern damals."

Wie stark ärgert es Guardiola, dass er mit Bayern und City bislang nicht die Champions League gewann?

Das nimmt er sportlich, weil er Sportler ist und weiß, das ist nicht planbar. Bei Bayerns Finale 2012 profitierte Chelsea schon im Halbfinale von Barcas vergebenen Chancen, Messi vergab einen Elfmeter. Andererseits hatten wir 2009 im Halbfinale gegen Chelsea riesiges Glück, das Traumtor von Andres Iniesta rettete uns Sekunden vor Schluss. Sonst hätten wir das Finale gar nicht erreicht, und der Triumph von Rom wäre ein Traum geblieben.

Es ärgert ihn also nicht, dass er seit 2011 schon neun Jahre auf einen erneuten Triumph hinarbeitet?

Was Pep wirklich ärgert ist, dass von vielen getan wird, als könne man diesen Titel planen.

Wäre ein erneuter Triumph noch größer als mit Barca, weil er nun eben nicht Messi-Xavi-Iniesta hat?

Die Befriedigung wäre nicht mehr, nicht weniger. Schon aus Respekt dem aktuellen Verein und den Spielern gegenüber, denen er ja nicht weniger vertraut. Aber allein schon aus Respekt vor der jahrelangen erfolgreichen Arbeit von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge bei Bayern München hätte er ihnen gerne diesen Titel gewonnen.

Inwieweit gilt trotz aller Niederlagen: Das Wesentliche ist der Spielstil, sind nicht die Titel?

Beides ist wichtig. Ohne Titel bist du raus, eher früher als später, großer Name hin oder her. Aber wenn du gut spielst, dann ist die Chance eben viel größer, zu gewinnen. Das ist Peps Ansatz.

Domenec Torrent und Pep Guardiola

Kurz gemeinsam in Manchester: Domenec Torrent und Pep Guardiola. imago images

Es gibt eine kuriose Situation bei Bayern München: Pep Guardiola redet am Spielfeldrand auf Joshua Kimmich ein, gestikuliert aber in gegensätzliche Richtungen. Verwirrt er mit so vielen Details nicht?

Den Ball mit ein, zwei Berührungen weiterzuleiten ist schwierig. Einfach zu spielen ist schwierig. Darin liegt die Kunst. Wir hatten es schon: Pep braucht für sein Spiel intelligente Spieler. Bei Bayern hätten wir am Ende 20-mal im Spiel die Taktik ändern können, die Jungs hätten es verstanden. Kimmich ist so einer. Er hört nicht nur, er versteht auch und kann es umsetzen. Auf verschiedenen Positionen. Andere auch.

Können Sie Namen nennen?

Lahm natürlich. Er war für Pep bei Bayern ein Xavi, Lahm hätte auch mit uns in Barcas großer Phase spielen können dank seiner Spielintelligenz. Auch Gündogan hätte in Peps Barca gepasst oder Kroos. Noch mal: einer der besten Mittelfeldspieler seiner Zeit. Aber auch Gündogan beeindruckt bei City. Er kann als Sechser, Achter oder Zehner agieren, er erobert Bälle, baut auf, kann abschließen. Für uns war er ein perfekter Spieler. Oder auch ein Thiago.

"Thiago oder nix", hatte Guardiola 2013 gefordert.

Für mich heißt das: Er will technisch erstklassige Spieler, die sein Pass- und Positionsspiel verstehen und vor allem umsetzen können. Die unter Druck nicht die Kontrolle über den Ball und damit die Dominanz verlieren. Die Passfolge bricht mit ihnen nicht ab. Stellvertretend ein Thiago.

Fehlt ihm nicht hie und da die Sachlichkeit auf dem Platz?

Er ist ein außergewöhnlicher Spieler, deshalb nannte ihn Pep. Aber ich schätzte auch Schweinsteiger sehr.

Was genau?

Basti war ein hervorragender Mannschaftsspieler, zugleich ein großer Arbeiter und ein Anführer, auch mit Zug zum Tor. Darüber hinaus ist er ein wunderbarer Kerl, geradlinig, ehrlich.

Noch mal zu Perarnaus Buch "Herr Guardiola": Darin wird Guardiola so zitiert: "Ich hasse Tiki-Taka." Wenn es ohne Verstand gespielt werde.

Ziel ist, in der ersten Sekunde zu treffen. Wenn man den Stürmer schicken konnte, bitte. Aber wenn der zugestellt war, dann brauchte es einen Lahm, Kroos, Thiago, um ihn über Pass- und Positionsspiel zum Einschuss zu bringen.

Perarnau zitierte Guardiola auch mit: "Die Defensive ist das Wichtigste." Überrascht zunächst.

Absolut. Pep denkt offensiv, aber er vergisst nie die Defensive. Seine Teams sind nicht selten auch die mit den wenigsten Gegentoren.

Weil er die personell am stärksten besetzten Mannschaften hat?

Nicht nur. Natürlich hatten wir mit Manuel Neuer den besten Torhüter der Welt. Aber hoch anzulaufen und bei Ballverlust sofort, wirklich sofort ins Gegenpressing zu gehen mit geschlossenen Linien ist Peps Art der Vereidigung.

Im Film "Take the ball, pass the ball" sagt Guardiola "Trainer sind wie die Caddys im Golf. Wir legen den Ball zurecht, aber die Spieler müssen ihn reinmachen."

Sein Credo ist: Der Trainer ist verantwortlich für den Bereich Box-to-Box. Im Strafraum aber entscheidet individuelles Talent. Die Spieler manchen die Tore, und je talentierter ein Spieler ist, desto weniger kannst du ihn verteidigen. Wie gesagt: Wenn wir verloren haben, sagte er zu mir: "Wir haben verloren."

Er dominierte mit City zwei Jahre in England. Was bedeutet ihm das?

Für Pep geht es nicht gegen einen anderen. Das war auch nicht sein Antrieb bei Barca, als Mourinho Real Madrid trainierte. Pep geht es um sein Ziel des perfekten Spiels. 100 Punkte 2018, 2019 Titel verteidigt vor einem superstarken Liverpool von Jürgen Klopp. Das ist ihm als Konstante wichtig.

Hatten Sie Zweifel, ob er sein Pass- und Positionsspiel in England durchbringen würde?

Die Liga ist international. Da überrascht es nicht, dass sich Guardiola durchsetzt. Durchdachter Fußball mit guten Spielern setzt sich immer durch. Wie Bayern brachte er City auf ein neues Niveau, spornte die Konkurrenz an und hob so das gesamte Niveau in der Liga. Nicht nur er, aber auch er.

Siehe Barca, Bayern und nun City: Ist die Abnutzung bei Guardiola im dritten, vierten Jahr ob dessen Detailversessenheit besonders groß?

Wäre das überraschend? Wäre das nicht auch bei langer Leine so? Was zur Routine wird, ermüdet, auch mental. Und Pep fordert permanent in allerhöchstem Maße.

Auch das Zwischenmenschliche zu den Spielern soll gelitten haben.

Bei dieser Intensität gibt es mit der Zeit Reibungsverluste. Und selbst wenn diese gering sind, bedeuten sie angesichts der Dichte in der Spitze, dass man dann eben nicht mehr ganz oben steht.

Woher kommt eigentlich Guardiolas Detailversessenheit?

Weil er dominieren will. Das kommt schon aus der Zeit als strategischer Spieler.

Auch untereinander? Oder warum gingen Sie 2018 nach New York?

Wir hatten seit 2007 zusammengearbeitet, Pep sagte mir über die Jahre oft: "Du bist vom Wesen her ein Cheftrainer." Es gab immer wieder Angebote, auch aus Spanien. Die gemeinsame Arbeit war wunderbar, Aber dann ergab sich New York, und da griff ich zu.

Es gibt Gerüchte, dass Sie als Co-Trainer zurückkehren könnten.

Mein Ziel ist es, als Cheftrainer zu arbeiten, deshalb schaue ich täglich zwei, drei Spiele aus den großen Ligen. Aber ich schließe nichts aus für die Zukunft.

Wie bewerten Sie die Bundesliga jenseits der erwähnten Talente?

Die Mentalität, das Spiel zu leben, die Atmosphäre, die modernen Stadien, vieles davon fehlt in Spanien und oft auch in England.

In deutschen Stadien gibt es aber auch Pyrotechnik und Rassismus.

Ultras meinen, sie seien bessere Fans. Aber Teile der Ultras schaden nur, sie stehen für Gewalt, repräsentieren nicht den Klub. Das tun normale Fans, die kommen und ja auch Stimmung machen. Diese Mentalität fehlt oft in Spanien.

Haben Sie ein Beispiel?

Als wir die Pokalendspiele in Berlin gegen Dortmund hatten, liefen die Fans gemeinsam zum Olympiastadion. Das zeugt von wunderbarer Fankultur. Das wäre zwischen Fans von Barca und Real undenkbar bei so einem Anlass.

Nun startet die Bundesliga wieder. Werden Sie gucken?

Klar. Erst schauen, dann analysieren. Ich freue mich darauf, auch ohne Zuschauer. Die Bundesliga hat jetzt eine Vorreiterrolle inne. Sie wird das gut machen.

Klingt wie Werbung ...

Ich bin eben Fan der Bundesliga.

Interview: Jörg Wolfrum