Nationalelf

Kommentar zum "Sommermärchen"-Prozess: Das Ende der Märchenstunden

Kommentar von kicker-Chefredakteur Rainer Franzke

Das Ende der Märchenstunden

Waren in der Schweiz angeklagt: Die früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger (l.) und Wolfgang Niersbach.

Waren in der Schweiz angeklagt: Die früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger (l.) und Wolfgang Niersbach. imago images

Der Abpfiff des Verfahrens gegen frühere DFB-Funktionäre vor dem Schweizer Bundesstrafgericht in Bellinzona ist nicht nur eine Blamage für die Schweizer Justiz, die nun eine eigene Affäre und mögliche prozessuale Auseinandersetzungen zu erwarten hat. Diese "Nullnummer" ist zugleich Wasser auf die Mühlen aller Kritiker der Spitzenfunktionäre in den großen Sportverbänden.

Das Ende der Märchenstunden nach der als "Sommermärchen" in die Fußballgeschichte eingegangenen Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war seit geraumer Zeit absehbar; die durch die Corona-Pandemie entstandenen Probleme spielten dabei nur eine untergeordnet Rolle.

Verwendung der Zahlung von 2002 wurde erfolgreich verschleiert

Die bis heute nicht geklärte Verwendung einer Zahlung im Jahr 2002 in Höhe von 6,7 Millionen Euro rund um die Vergabe der WM 2006 an Deutschland wurde erfolgreich verschleiert. Allen voran von dem damaligen OK-Chef Franz Beckenbauer, seinem Freund und Berater Fedor Radmann, der entscheidend im Vorfeld der dieser WM mitgewirkt hatte und vorübergehend dem OK angehört hat. Und natürlich auch von dem Unternehmer Mohamed Bin Hammam, einst Präsident des Fußballverbandes von Katar.

Dieses Trio hat geschwiegen seit der "Spiegel" im Oktober 2015 den Skandal aufgedeckt hatte. Die früheren DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach, von seinen früheren Mitstreitern wohl als "Bauernopfer" in dem Skandal ausgedeutet, und Theo Zwanziger sowie der frühere DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt wurden angeklagt. Das in den 6,7-Millionen-Geldfluss involvierte Trio Beckenbauer, Radmann, Bin Hammam blieb außen vor, nicht zuletzt über ärztliches Attest (Beckenbauer).

Den DFB kostete der Versuch einer Aufklärung Millionen

Den DFB hat der erfolglose Versuch einer Aufklärung durch externe Berater inzwischen Millionen gekostet. Der neue DFB-Präsident Fritz Keller will einen weiteren Anlauf starten, Licht in diesen Skandal zu bringen. Das ehrt ihn. Aber am Ende des Tages, so ist zu befürchten, dürften nur weitere Ausgaben stehen. Nicht zuletzt auf Kosten der Amateure.

Noch ist das Märchenbuch nicht ganz zugeklappt. Bringt die Frankfurter Staatsanwaltschaft den Fall erneut vor Gericht?

Rückwirkend hatte das Finanzamt Frankfurt dem DFB für das Jahr 2006 die Gemeinnützigkeit entzogen. 19,2 Millionen Euro plus Zinsen, insgesamt 22,579 Millionen Euro, hat der DFB 2017 an die Finanzbehörde überwiesen. Das Landgericht Frankfurt lehnte im Oktober 2018 die Eröffnung eines Verfahrens ab, sah in der 6,7-Millionenzahlung ein Honorar für Beckenbauer. Das habe der DFB mit Recht als Betriebsausgabe geltend gemacht. Das Oberlandesgericht ließ die Anklage jedoch zu und verwies das Verfahren wieder an das Landgericht. Dort wartete man zunächst den Ausgang des Verfahren in Bellinzona ab.

Kommt es zur Verfahrenseröffnung in Frankfurt?

Nach dem peinlichen Hornberger Schießen im Tessin ist die Frage nach einer Verfahrenseröffnung in Frankfurt noch nicht beantwortet. Sollte es nicht stattfinden, darf sich auch der DFB die Hände reiben. Denn dann muss das Finanzamt 22,579 Millionen Euro an den Verband zurück überweisen - nebst Zinsen. Das wäre dann in Zeiten von Null-Zins-Politik ein zusätzliches Geschäft aus dem "Sommermärchen 2006".