kicker

Warum Liverpool in den letzten 30 Jahren nicht Meister wurde

Das Ende der Durststrecke ist nah

Warum Liverpool in den letzten 30 Jahren nicht Meister wurde

Das vorerst letzte Mal: Liverpools Spieler Ronnie Rosenthal, Barry Venison und Glenn Hysen (v. li.) mit der englischen Meistertrophäe 1990.

Das vorerst letzte Mal: Liverpools Spieler Ronnie Rosenthal, Barry Venison und Glenn Hysen (v. li.) mit der englischen Meistertrophäe 1990. imago images

Womöglich hatte der Anfang vom Ende der Liverpooler Dominanz genau sechs Buchstaben: Heysel. Das Landesmeister-Finale 1985, als alkoholisierte und gewaltbereite Liverpool-Anhänger 39 Unschuldigen das Leben nahmen - bevor ihre beschämte Mannschaft nach vier Europapokalsiegen in acht Jahren Juventus Turin unterlag.

Sechs Jahre ohne internationalen Fußball

Das Ende einer Liverpooler Ära war zu dieser Zeit stets der Beginn einer neuen. Aus Keegan, Toshack und Hughes waren Dalglish, Souness und Hansen geworden - und so weiter. Heysel hatte allerdings seinen Preis gefordert: Alle englischen Vereine wurden für fünf, Liverpool für sechs Jahre von allen europäischen Wettbewerben ausgeschlossen.

Dortmund, Heysel, Istanbul, Basel: Liverpools Finalnächte

1987 tätigten die Reds - nachdem zwei von drei Meisterschaften an Lokalrivale Everton gegangen waren - mehrere clevere Transfers, hauptsächlich die des neuen Offensiv-Trios John Barnes, Peter Beardsley und John Aldridge (ein Jahr später kam zudem Ian Rush aus Turin zurück).

Kaum Veränderungen am Mannschaftsgerüst

Anschließend holte wieder Liverpool zwei der nächsten drei Meisterschaften, die Mannschaften von 1988 und 1990 gelten für einige Fans und Experten sogar als fußballerisch beste der Vereinsgeschichte. Gerade wegen ihrer Eingespieltheit wurde in diesen Jahren kadertechnisch kaum etwas verändert. Das sollte sich bemerkbar machen, als das Grundgerüst des Teams älter und satter wurde - und sich einige Ersatzleute anderweitig orientiert hatten.

Liverpools vorerst letzter Meistertrainer: Reds-Ikone Kenny Dalglish (Mi.).

Liverpools vorerst letzter Meistertrainer: Reds-Ikone Kenny Dalglish (Mi.). Imago images

Zum einen hatte die Kadertiefe gelitten, zum anderen waren die besten britischen und internationalen Spitzenspieler nicht mehr unbedingt gewillt, an die Anfield Road zu wechseln - wo nach wie vor kein internationaler Fußball gespielt wurde. Beim LFC war man wohl etwas zu selbstsicher mit der Situation umgegangen, und als Erfolgstrainer Dalglish Anfang 1991 sein Amt aus freien Stücken niederlegte, trudelte der Rekordmeister endgültig in eine Abwärtsspirale.

Keine guten Trainer nach Dalglish - in Manchester aber schon

Interimslösung Ronnie Moran wie auch Ex-Spieler Graeme Souness konnten sich nicht als brauchbare Nachfolger erweisen, drei Jahre ohne Liverpooler Meisterschaft hatte es seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Man musste sich schließlich mit einem ernsthaften Umbruch befassen und auch damit, wieder mindestens so viele Mühen investieren zu müssen wie die Konkurrenz. Die - obwohl es in Liverpool unter Roy Evans ab 1994 wieder aufwärts ging - vor allem in Manchester ein wenig enteilt war.

Ich wollte Liverpool von seinem scheiß hohen Ross bekommen.

Sir Alex Ferguson

Mit jungen Spielern wie Robbie Fowler, Steve McManaman, Jason McAteer, Stan Collymore oder Jamie Redknapp zelebrierten die Reds zwar wohl wieder den unterhaltsamsten Fußball der Liga, die entscheidende Souveränität schien Liverpool im Vergleich zu seinen Mannschaften unter Bob Paisley oder Kenny Dalglish allerdings zu fehlen. Diese Rolle nahm nun das zum nationalen Dominator aufgestiegene Manchester United von Sir Alex Ferguson ein, der "Liverpool von seinem scheiß hohen Ross bekommen" wollte - und es auch schaffte.

ManCity und Liverpool: So lief das irre Titelrennen

Trotz internationalen 2001 und 2005: Für die Meisterschaft reichte es nie

1996 und 1997 verspielte der LFC, dessen junge Wilde als "Spice Boys" auch neben dem Rasen auf sich aufmerksam machten, seine aussichtsreichen Chancen auf den Titel jeweils auf äußerst vermeidbare Art und Weise. Trotz des aufstrebenden Michael Owen oder kostspieliger Transfers wie Paul Ince blieb der einstige Serienmeister Ende der 90er wegen unnötiger Patzer oder schwächerer Saisonphasen mehrmals hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Eine Trendwende schien nach der Jahrtausendwende Gerard Houllier einleiten zu können, der den Kader binnen zwei Jahren regelrecht ausgetauscht hatte. 2001 gewann Liverpool unter Houllier FA Cup, League Cup und UEFA-Cup in einer Saison, wurde in der Meisterschaft - falsche Prioritätensetzung? - aber abgeschlagen Dritter. Was immerhin genug war, um nach 16 Jahren wieder an der Champions League (zuvor Landesmeister-Cup) teilzunehmen.

Houlliers Herzprobleme und neue Konkurrenz

2002 wurde Liverpool Vizemeister, Herzprobleme und eine daraus resultierende Notoperation hatten Houllier mehrere Monate von der Seitenlinie verbannt - möglicherweise entscheidend. Neben Fergusons ManUnited machte aber auch Arsene Wengers Arsenal den stärkeren und abgeklärteren Eindruck, etwas später galt selbiges auch für Chelsea im Besitz des Oligarchen Roman Abramovich. Die Konkurrenz hatte Liverpool eingeholt - und überholt.

Den Reds gelang es in diesen Jahren nicht so gut wie seinen Rivalen, einen über Jahre einheitlichen Trainer oder Spielstil zu halten - zudem griffen sie auf dem Transfermarkt regelmäßig daneben, wo Arsenal, ManUnited oder Chelsea diverse Volltreffer landeten. Was auch Houllier zum Verhängnis wurde. So verschlechterte sich der Kader jährlich, hinzu kamen Owens Verletzungen und sein Abgang 2004.

Auf dem Heimweg konnte ich nicht aufhören zu weinen.

Steven Gerrard über seinen Ausrutscher 2014 gegen Chelsea

Als Steven Gerrard ausrutschte - nur ein Punkt

Trotz starker Spielzeiten in der Champions League - wie dem spektakulären Triumph 2005 - spielte Liverpool nach 1990 lange Zeit keine wirklich konstant gute Liga-Saison mehr. Immerhin überzeugender Vizemeister wurde der LFC 2009 wieder - wie auch 2014, als unter Brendan Rodgers lange Zeit vieles nach der erlösenden Meisterschaft aussah, Steven Gerrards Ausrutscher gegen Chelsea und das Verspielen einer 3:0-Führung bei Crystal Palace die Reds aber noch den Titel kosteten. "Auf dem Heimweg konnte ich nicht aufhören zu weinen", verriet die untröstliche Vereinsikone später.

Ein Pünktchen fehlte: 2019 spielte Liverpool eine potenzielle Meistersaison, doch Pep Guardiolas Manchester City war noch einen Tick besser.

Ein Pünktchen fehlte: 2019 spielte Liverpool eine potenzielle Meistersaison, doch Pep Guardiolas Manchester City war noch einen Tick besser. imago images

Fergusons große Ära - der neue Rekordmeister hieß Manchester United - war derweil zwar zu Ende gegangen, nach 2014 wechselten sich allerdings Chelsea und Manchester City am Platz an der Sonne ab. Der zähe Umbruch des 2015 installierten Hoffnungsträgers Jürgen Klopp trug erstmals 2019 Früchte, das aber noch nicht in der Liga. Ein Punkt fehlte auf das erneut triumphierende ManCity Pep Guardiolas, das 2019/20 endlich abgehängt wurde - und mit ihm die gesamte Liga.

Alle 20 Vereine wollen die Saison beenden

Die Konkurrenz lässt federn, man selbst hat lange genug auf den richtigen Trainer gesetzt, in den letzten Jahren die passenden Spieler gekauft und ist endlich konstant: Nach 30 Jahren Abstinenz ist der FC Liverpool Englands designierter Meister (nur zwei Siege fehlen), muss sich aufgrund der Corona-Pandemie allerdings noch etwas gedulden.

Alle 20 Premier-League-Klubs haben immerhin vereinbart, die Saison in jedem Fall beenden zu wollen. Wann, steht allerdings noch nicht fest. Auch nicht, ob es in Liverpool überhaupt die so heiß ersehnte Meister-Parade geben kann.

Niklas Baumgart