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Teresa Enke: "Keine Depressionswelle, aber zusätzliches Risiko"

Technische Möglichkeiten helfen in der aktuellen Situation

Teresa Enke: "Keine Depressionswelle, aber zusätzliches Risiko"

"Es tut gut, sich auf die Situation mental einzustellen": Teresa Enke.

"Es tut gut, sich auf die Situation mental einzustellen": Teresa Enke. imago images

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen für das öffentliche, aber auch private Leben werden in den kommenden Wochen zum ständigen Begleiter. "Bei den wenigsten von uns sind dabei psychische Erkrankungen zu befürchten, aber doch Befindlichkeitsstörungen", schreibt Teresa Enke. "Deshalb tut es gut, sich auf die Situation mental einzustellen." In einem Beitrag, den die Robert-Enke-Stiftung nun veröffentlichte, widmet sich die Vorstandsvorsitzende der Einrichtung der Frage, wie vor allem seelisch kranke und depressive Menschen den Umstand, einen Großteil ihrer Zeit isoliert in den eigenen vier Wänden verbringen zu müssen, bewältigen können.

Wichtig sei grundsätzlich vor allem eine Struktur, um sich in der ungewohnten Situation zurechtzufinden. "Das Wichtigste ist, den Tag zu strukturieren. Nicht ewig im Bett bleiben und dann im Schlafanzug herumlaufen, denn dann kehrt sich das anfängliche, falsche Feriengefühl schnell in Antriebslosigkeit und Verlorenheit um. Sich Dinge vornehmen, hilft, der neuen Situation Normalität zu geben. Sei es, dass man zu konkreten Stunden konsequent die Arbeit im Homeoffice verrichtet oder um eine bestimmte Uhrzeit das Mittagessen zubereitet", so die Witwe des 2009 verstorbenen früheren Nationaltorhüters.

Ein großer Vorteil, nicht wirklich von der Welt abgeschnitten zu sein, obwohl man alleine zu Hause ist, sei die Vielzahl der technischen Möglichkeiten, "seien es Messenger, Telefonkonferenzen oder Videoanrufe" mit denen man sich sonst nahestehende Personen virtuell zu sich holen könne. "Diese Optionen sollten wir unbedingt nutzen." Menschen hätten von Natur aus große Reserven, um Krisen zu meistern. "Deshalb werden die meisten von uns während dieses Ausnahmestandes vielleicht in einzelnen Momenten psychisch angespannt sein, aber wir müssen das gut trennen von wirklichen psychischen Krankheiten wie Depressionen. Depressionen sind etwas anderes, eine Stoffwechselkrankheit, bei der vorübergehend Gehirnfunktionen eingeschränkt sind", so Enke.

Somit sei allein aufgrund der Corona-Krise keine Depressionswelle zu erwarten. "Aber selbstverständlich ist der derzeitige Sonderzustand für Menschen mit wiederkehrenden Depressionen ein zusätzliches Risiko." Therapie von Betroffenen müsse folglich auch in Zeiten von reduziertem menschlichem Kontakt fortgesetzt werden. "Wenn es nicht anders geht, eben über Telefon oder bei Spaziergängen mit Mindestabstand." Dabei gelte laut Teresa Enke für psychische Erkrankte genau wie für Gesunde in dieser Ausnahmesituation dasselbe: "Man muss sich darauf vorbereiten."

Michael Richter