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Das "schmutzigste" Olympia: Anti-Doping-Agentur verlangt Absage von Tokio 2020

US-Behörde spricht lautstarke Warnung aus

Das "schmutzigste" Olympia: Anti-Doping-Agentur verlangt Absage von Tokio 2020

Travis Tygart ist Chef der US-Anti-Doping-Agentur - und warnt vor der Austragung der Olympischen Sommerspiele 2020.

Travis Tygart ist Chef der US-Anti-Doping-Agentur - und warnt vor der Austragung der Olympischen Sommerspiele 2020. imago images

IOC-Präsident Thomas Bach hält weiterhin an einer Austragung der Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio (24. Juli bis 9. August) fest. "Die Absage würde den olympischen Traum von 11.000 Athleten aus 206 Nationalen Olympischen Komitees und dem IOC-Flüchtlingsteam zerstören", sagte der 66-jährige Tauberbischofsheimer im Interview des "Südwestdeutschen Rundfunks" am Samstag. "Eine solche Absage wäre die am wenigsten faire Lösung."

Das Stichwort Fairness bringt aktuell aber auch die Anti-Doping-Agentur aus den USA auf den Radar. Der Chef der Behörde, Travis Tygart, warnt gegenüber dem "ZDF" davor, die Spiele auch aus Doping-relavanten Gründen abzusagen. Es seien momentan kaum Kontrollen der teilnehmenden Athleten stemmbar - und so sagt der 49-Jährige: "Die Spiele müssen verschoben werden, [...] um sicher zu gehen, dass wir nicht die schmutzigsten Spiele überhaupt erleben werden."

Auch NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann sorgt sich angesichts der Coronavirus-Pandemie um das Kontrollsystem im internationalen Sport und fordert einen "Plan B" für die Olympischen Spiele. "Derzeit können wir kein normales Doping-Kontrollsystem durchführen. Das ist schon seit zehn Tagen so, dass wir mit dem Aufkommen der Corona-Problematik unser System des Dopingkontroll-Aufwandes zurückgefahren haben", sagte die 62-Jährige von der Nationalen Anti-Doping Agentur im "ZDF-Sportstudio". Gotzmann forderte, wie bei der Verschiebung der Fußball-EM, für Olympia über Alternativen nachzudenken: "Wir haben gesehen, dass die EM im Fußball um ein Jahr verschoben wurde und der zeitliche Versatz ist nicht so groß."

Tygart prescht vor

US-Dopingfahnder Tygart ist im Übrigen bekannt für markige Worte. 2018 antwortete er auf eine getroffene Aussage von IOC-Präsident Bach, der Kampf gegen Doping sei nicht zu gewinnen, mit folgendem Statement: "Der oberste Chef des Sports kann nicht einfach das Handtuch werfen."

Anfang 2019 forderte er die WADA dazu auf, sich von Russland nach den Doping-Enthüllungen und eingeforderten Meldepflichten nicht an der Nase herumführen zu lassen: "Niemand ist überrascht, dass die Frist ignoriert wurde." Das Endresultat in diesem Fall ist bekannt: Russland wurde Ende 2019 für vier Jahre gesperrt, muss sogar im Fußball bei der WM 2022 als neutrale Nation antreten.

Und auch im eigenen Land räumte Tygart im Oktober 2019 auf, als die Enthüllungen über das Nike Oregon Project ans Tageslicht gekommen waren. "Die Athleten des Nike Oregon Projects hatten wirklich keine Ahnung, was mit ihnen getrieben wurde", so Tygart damals gegenüber dem "ZDF". "Welche Dosierung, ob die Methoden verboten waren oder nicht, wussten sie gar nicht. Die Athleten wurden einfach zu dem Arzt geschickt - und ihnen wurde gesagt, sie müssen auf ihn hören, ihm vertrauen." Diese Ermittlungen, die am 1. Oktober 2019 zur vierjährigen Suspendierung des damaligen Cheftrainers Alberto Salazar geführt hatten, beziehen sich auf die Jahre 2010 bis 2014.

mag