Champions League

FC Chelsea: Warum das Achtelfinale gegen die Bayern zur Unzeit kommt

Die vielen Probleme der Blues und was trotzdem Hoffnung macht

Gerade ist's schlecht: Warum Bayern für Chelsea zur Unzeit kommt

Hat es sich schon ausgeflittert? Frank Lampard hat bei Chelsea mit einigen Problemen zu kämpfen.

Hat es sich schon ausgeflittert? Frank Lampard hat bei Chelsea mit einigen Problemen zu kämpfen. picture alliance

Am 13. Dezember machte Frank Lampard noch Witze. Unbedingt wolle er bei den anstehenden Wintertransfers mitreden, grinste der Chelsea-Trainer, "aber wenn ich dann sage, ich will Mbappé, Ronaldo und Messi für meine Sturmreihe, könnte man mir das womöglich ausschlagen".

Mbappé, Ronaldo und Messi kamen dann tatsächlich nicht, die eigentliche Pointe aber: sonst auch keiner. Der FC Chelsea, der mit vollem Einsatz eine Halbierung seiner Transfersperre erkämpft hatte, blieb wie schon im Sommer ohne Neuverpflichtung. Und Lampard klang schon bald ein wenig anders.

Nach dem "Deadline Day" sagte Lampard: "Jetzt sind wir wahrscheinlich die Underdogs"

Er wolle seinen Kader ja nicht kleinreden, meinte er, als das Transferfenster wieder geschlossen war, auf das er sich wie alle Chelsea-Fans so sehr gefreut hatte. "Aber jetzt sind wir wahrscheinlich die Underdogs." Er sprach über die Wintertransfers von Manchester United, von Tottenham, ja sogar von Sheffield United ("fantastische Verpflichtungen"), und auch wenn er das natürlich so nicht sagte: Natürlich war er neidisch. "Die Teams um uns herum haben sich verstärkt." Chelsea, das Hakim Ziyech (Ajax Amsterdam) erst zum 1. Juli bekommt, wartet darauf seit einem Jahr.

Erst mal war das ja geradezu ein Segen. Mit Rückkehrer Lampard als Trainer und einer jungen Elf um die erfrischenden Mason Mount (jetzt 21), Tammy Abraham (22) oder Fikayo Tomori (22) fanden die Blues gezwungenermaßen zu ihren Wurzeln zurück. Nur mischten sie die Premier League dann dummerweise so sehr auf, dass es jetzt richtig wehtun würde, verlören sie ihren vierten Platz, die Champions-League-Qualifikation, noch. Und der Trend war schon mal besser.

Bei den Heimniederlagen hat Chelsea bereits den Negativrekord eingestellt

Das mystische "Momentum" jedenfalls hat die Stamford Bridge schon vor Wochen verlassen; seit dem 7. Dezember hat Chelsea nur vier von zwölf Ligaspielen gewonnen, schon jetzt mit wettbewerbsübergreifend sieben Heimniederlagen (fünf davon in der Premier League) den eigenen Negativrekord von 1994/95 eingestellt. "Wir sollten glücklich darüber sein, dass wir noch Vierter sind", sagt Lampard.

Denn die Probleme sind plötzlich wirklich überall: im Tor, wo Kepa, der immer noch teuerste Keeper der Fußballgeschichte, unlängst seinen Platz an den 38-jährigen Willy Caballero verlor, der dann ebenfalls gleich patzte. In der Abwehr, die sich seit Antonio Rüdigers Genesung zumindest etwas stabilisierte, aber weiter anfällig bleibt (bereits 37 Gegentore in der Liga, neun in der Champions League) - ganz besonders nach Standardsituationen.

Vorne muss Toptorjäger Abraham die Last alleine tragen - nicht jeder versteht das

Im Mittelfeld, wo sich die Suche nach einem passenden Platz für den einstmals unüberwindbaren N'golo Kanté vorerst erledigt hat, weil der Weltmeister rund drei Wochen ausfällt. Und erst recht im Angriff: Abraham, dem jungen Toptorjäger (13 Ligatreffer), ist die fehlende Entlastung anzumerken - er traf in seinen jüngsten elf Ligaspielen nur zweimal und fehlte zuletzt angeschlagen. Doch Lampard scheint nur ihm zu vertrauen: Michy Batshuayi und Olivier Giroud galten im Winter nicht zufällig als Wechselkandidaten. Giroud stand oft nicht einmal im Kader, was nicht jeder versteht.

Dazu kommt, dass die Vorarbeiter Callum Hudson-Odoi (seit 1. Februar) und Christian Pulisic (seit 1. Januar) verletzt sind, und die chronisch schlechte Chancenverwertung: Nur bei Watford liegt der Wert der "expected goals" (zu erwartende Tore) - bemessen anhand der Qualität der erspielten Chancen - noch höher über dem der tatsächlich erzielten Tore.

Vor dem "Finale dahoam" sah die Lage nicht viel besser aus

Zusammengefasst: Hätten die Bayern Chelsea den kommenden Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) als Termin für das Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale vorgeschlagen, hätte die Antwort wohl gelautet: Nee, lasst mal, gerade ist's schlecht. "Bayern ist im Moment besser drauf als wir", sagt Rüdiger.

Aber hey: Vor dem "Finale dahoam" 2012 waren John Terry, Ramires, Raul Meireles und Branislav Ivanovic gesperrt, viele andere angeschlagen. Chelsea war nur Sechster geworden und hatte von den vorangegangenen sieben Spielen nur drei gewonnen. Der Favorit hieß Bayern. Wie das dann ausging, weiß jeder, zum Beispiel Lampard, der als Kapitän im Elfmeterschießen traf.

Bei der Generalprobe experimentiert Lampard erfolgreich mit einer Dreierkette

Und bei der Generalprobe für das Bayern-Hinspiel am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) feierte Chelsea am Samstag gegen Tottenham einen in jeder Hinsicht wichtigen 2:1-Sieg - für die Tabelle, das Gemüt und auch für Fanliebling Lampard, der seit einigen Wochen zunehmend kritisch gesehen wird. "Die Flitterwochen verblassen", hatte der "Guardian" vor der Partie beobachtet. Gegen die von noch mehr Verletzungen geplagten Spurs stellte der Trainer dann erfolgreich auf eine Fünferkette um und sagte hinterher: "Deswegen dürfen wir jetzt aber nicht in Euphorie verfallen."

Solche Sätze hatte an der Stamford Bridge schon länger niemand mehr gesagt.

Jörn Petersen

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