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Nach Gewaltausbruch: Team verweigert das Weiterspielen - und verliert

Zwei Jahre Sperre, aber Punkte am grünen Tisch

Nach Gewaltausbruch: Team verweigert das Weiterspielen - und verliert

Unschöne Szenen gab es in der Kreisklasse Coburg/Kronach 4. Doch: Abbrechen darf nur der Schiedsrichter.

Unschöne Szenen gab es in der Kreisklasse Coburg/Kronach 4. Doch: Abbrechen darf nur der Schiedsrichter. Imago (Symbolbild)

Was war geschehen? Die Partie zwischen dem TSV Windheim und der SG Nordhalben in der Kreisklasse Coburg/Kronach 4 war fast vorüber, da ging eines der späteren Opfer bei einer Hereingabe mit den Beinen voran in Richtung des Keepers, traf ihn bei dieser regelwidrigen Aktion aber nicht. Der Schiedsrichter pfiff Freistoß, doch anstatt diesen auszuführen, würgte der Torhüter seinen Gegenspieler hinterrücks. Bei der anschließenden Rudelbildung leistete sich der Keeper weitere erhebliche Tätlichkeiten: Er schlug einen Spieler mit der Faust nieder und trat ihm mehrmals mit dem Fuß in den Bauch. "Mit Ausholbewegungen, wie wenn man einen Ball wegschießen will", notierte der leitende Schiedsrichter in seinem Bericht. Die Mannschaft der beiden Opfer weigerte sich - auch aufgrund der teils erheblichen Verletzungen - weiterzuspielen und verließ das Feld.

Der Täter war Spielertrainer des TSV Windheim und trat in Folge von seinem Amt zurück. Auf ihn kamen zudem polizeiliche Ermittlungen und strafrechtliche Konsequenzen zu; und natürlich nahm sich auch das Sportgericht Coburg/Kronach/Lichtenfels der Sache an, verurteilte ihn zu einer Sperre von zwei Jahren sowie dem Besuch eines Anti-Gewalt-Seminars. Das Urteil wurde inzwischen wegen eines Formfehlers revidiert und muss neu verhandelt werden.

Die Punkte aber gingen an den TSV Windheim.

Abbrechen darf nur der Schiedsrichter

Denn: Generell steht das Recht, ein Spiel abzubrechen, ausschließlich dem Schiedsrichter zu. Ist laut Spielordnung des zuständigen Bayerischen Fußball-Verbands ein Abbruch bei einer Unterschreitung einer notwenigen Spieleranzahl zwingend, liegt er bei Attacken gegen den Schiedsrichter oder dessen Team, sowie entsprechenden Witterungs-, Helligkeits-, Platz- und sonstigen außerordentlichen Umständen im Ermessen des Unparteiischen. Auch Gewalttätigkeiten zwischen Spielern zählen dazu. In jedem Fall gilt: Eine Spielwertung oder mögliche Neuansetzung fällt das zuständige Sportgericht.

Nachgefragt beim Bayerischen Fußball-Verband, wo Reinhold Baier als Vizepräsident für die Sportgerichtsbarkeit und Rechtsfragen zuständig ist. Welches Maß an Gewalt muss eine Mannschaft gegen sich erdulden? Geben bestimmte Situationen einer Mannschaft das Recht, nicht weiterzuspielen oder macht sich eine Mannschaft damit immer des Verschuldens eines Spielabbruchs schuldig?

"Nein, dieses Recht gibt es nicht", stellt Baier klar, "es steht einzig und alleine dem Unparteiischen zu, der die Lage in seiner Funktion als zu Neutralität verpflichteter Spielleiter einschätzen und entsprechend entscheiden muss." Allen Beteiligten sei nicht erst seit den jüngsten Vorfällen bewusst, dass ein Verlassen des Platzes eine Spielwertung nach sich ziehe. In diesem konkreten Fall habe der Unparteiische klar festgestellt, dass die Sicherheit der Spieler nicht gefährdet sei "und hat dies auch beiden Mannschaften, die er selbst zur Ruhe gebracht hat, erläutert."

Kein Reformbedarf

Die Paragraphen sind klar: Tätlichkeiten haben einen Platzverweis zur Folge. Darüber hinaus haben die ausgesprochenen Strafen, wie eine Spielsperre, aber vor allem individuellen Charakter. Reformbedarf, etwa, dass bei solchen Vergehen schneller ein Spielabbruch droht, sieht Baier nicht. "Wenn wir, wie beim konkreten Fall, einen Spieler mit einer Sperre von zwei Jahren belegen, ist das eine drastische und der Verfehlung entsprechend angemessene Strafe," findet er. Solche Urteile besäßen abschreckende Wirkung, was ihm die aktuell vorliegenden Zahlen auch bestätigten: "Diese sind im Mehrjahresvergleich nicht gestiegen, es ist sogar ein leichter Rückgang zu vermerken." Bagatellisieren wolle man nichts, jeder Fall für sich sei einer zu viel, sagt der BFV-Vize, der aber auch anmerkt: "Aktuell erleben wir eine neue Art der medialen Aufarbeitung, was in der gefühlten Wahrnehmung dazu führt, es gebe eine Häufung solcher Vorfälle."

Auch für ein Szenario, das ein Team aufgrund einer durch eine Tätlichkeit erlittene Verletzung und eines erschöpften Wechselkontingents zwänge, mit einem Mann weniger weiterzuspielen, gäbe es eine klare Vorgabe: "Diese Entscheidung wird nicht mit dem Verlassen des Feldes durch eine Mannschaft gefällt, sondern obliegt vielmehr zunächst dem Schiedsrichter und im Nachgang dem Sportgericht, das den Fall detailliert aufarbeitet und zu einem Urteil gelangt."

4:4 stand es zum Zeitpunkt des Abbruchs zwischen dem TSV Windheim und der SG Nordhalben, noch nicht mal eine gelbe Karte musste der Schiedsrichter bis dato zücken, auch die knapp 75 Zuschauer am Spielfeldrand "verhielten sich auffallend fair", wie der Schiedsrichter feststellte. "Trotz schwerwiegender Verfehlung hätte das Spiel regulär beendet werden können", schreibt das Sportgericht in seinem Urteil. Nordhalben muss 100 Euro plus die Verfahrenskosten zahlen - und die Punkte wohl abschreiben. Dem Widerspruch der SG gegen die Wertung werden kaum Chancen eingeräumt.

Schiedsrichter-Angriff in Hessen

Unterdessen wurde Anfang Dezember in Baden ein Urteil gefällt, in dem ein Spieler wegen eines Angriffs gegen den Schiedsrichter ("Stoßen gegen die Brust") sowie wegen der Verursachung eines Spielabbruchs mit einer Sperre von fünf Monaten bestraft wurde. Tatort war die Partie TSG Rheinau 2 gegen SC Rot-Weiß Rheinau 2 in der Kreisklasse B.

jam