Torjägerkanone

Jeremy Wachter: "Wenn ich vorm Tor bin, wird's immer gefährlich"

Deutschlands beste Torjäger

Jeremy Wachter: "Wenn ich vorm Tor bin, wird's immer gefährlich"

Jeremy Mikel Wachter bereitet den Defensivreihen in der Hamburger Oberliga ordentlich Probleme. Und das schon seit Jahren.

Jeremy Mikel Wachter bereitet den Defensivreihen in der Hamburger Oberliga ordentlich Probleme. Und das schon seit Jahren. imago images

Was dem Franken sein "Servus!" ist dem Hamburger sein "Moin!" Jeremy Mikel Wachter klingt souverän am Telefon, mediales Interesse scheint ihm nicht völlig neu zu sein. Googelt man seinen Namen, merkt man schnell, dass man es hier nicht mit einem Grünschnabel zu tun hat, dem in seiner ersten Oberliga-Saison mal eben in den ersten 19 Partien 25 Treffer vom Schlappen gerutscht sind.

"Böses ErWACHTERn für Buchholz", "Wach, wacher - Wachter", "Bis 2022! Wahnsinns-Wachter bleibt", lauten Schlagzeilen über ihn, den "Bomber vom Blomkamp". Wachter ist in Hamburg einer der herausragenden Oberliga-Spieler und -Torjäger der letzten Jahre, netzte seit 2016/17 in 115 Partien 100 Mal ein. Letztes Jahr wurde er mit 23 Treffern Torschützenkönig, vorletztes Jahr verpasste er das knapp - trotz 35 erzielter Buden.

Ohne Teamkollegen geht nichts: Wie andere Stürmer lebt auch Jeremy Wachter von deren Vorlagen. imago

Es scheint also ein ziemlich gewöhnliches Jahr zu sein für den kürzlich 27 Jahre alt gewordenen Wachter, der aktuell deutschlandweit in allen 14 Ligen der Ligenstufe 5 der beste Torschütze ist. Gerade in den letzten Wochen lief es fast unheimlich gut: 14 Treffer aus fünf Partien katapultierten den großgewachsenen Angreifer in den Listen nach oben. "Momentan geht es bergauf - ich hoffe, dass das auch so weitergeht", bleibt Wachter aber bescheiden.

Ein Sechserpack im November

Hamburg-Osdorf, zwischen Bahrenfeld und Blankenese: Ein paar hundert Meter Luftlinie nördlich erhebt sich wie ein Felsmassiv die Plattenbausiedlung Osdorfer Born, blickt man die gleiche Strecke Richtung Süden, protzen die Villen am Hochkamp. Wachters sportliches Zuhause ist eine saubere, gepflegte Anlage, ein kleiner Kunstrasenplatz umgeben von hohen Laubbäumen, zwischen denen Hausfassaden blitzen. Hier hat er am 15. Spieltag gegen das Kellerkind Buchholz 08 einen Sechserpack geschnürt, bevor ihn sein Coach eine Viertelstunde vor Ende der Partie vom Feld nahm. "Unser Trainer hat gesagt, dass wir vorne drauf pressen und sie zu Fehlern zwingen sollen. Aber sie haben sogar Fehler gemacht, als wir nicht gepresst haben", erinnert er sich. Seine Treffer waren wichtig an diesem Tag, kassierte Osdorf doch selbst fünf Gegentreffer - Endstand 9:5.

Gefragt nach seinen Qualitäten, zeichnet der wuchtige Angreifer ein norddeutsch-klares Bild: "Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin jetzt nicht der überragende Techniker, aber ich bin eben gefährlich vor dem Tor. Das ist schon das, was mich so auszeichnet, dafür kennt man mich in Hamburg auch. Sie wissen: Wenn ich vorm Tor bin, wird's immer gefährlich."

Höher? Nicht um jeden Preis!

Natürlich schleicht sich bei Spielern seines Typs auch immer die Vermutung ein, dass sie auch in höheren Ligen ihre Aufgaben erfüllen würden. Und natürlich war das auch schon für den gebürtigen Hamburger ein Thema: "Ich habe ein paar Anfragen gehabt, sollte auch mal bei der 2. Mannschaft von St. Pauli vorspielen." Aber es war ein schlechter Zeitpunkt: In St. Pauli hatten sie damals schon mehr als die Hälfte der Vorbereitung hinter sich, Wachter selbst stand mit Osdorf ganz am Anfang selbiger, dazu kränkelte er leicht. So schloss sich diese Tür für ihn wieder.

Auch bei Schalke 04 war er mal "um ein paar Ecken" im Gespräch, wie er verrät, er hätte sonntags hinfahren sollen, um montags vorspielen zu dürfen, aber auch dagegen entschied er sich letztlich. "Es ist alles nicht so einfach, ich habe ja auch zwei kleine Kinder zuhause." Es wird aus seinen Worten offensichtlich: Hier muss es einer nicht um jeden Preis wissen.

Schließlich gefällt es ihm ja auch in Osdorf, dort, "wo die Leute spielen, mit denen ich aufgewachsen bin." Fünf Minuten hat er es von seiner Wohnung zum Sportplatz. Sein Heimatverein ist der TuS aber nicht. Im Alter von vier Jahren startete er beim SV Osdorfer Born, seinen ersten Einsatz im Herrenbereich absolvierte er für Blau-Weiß 96 Schenefeld. Dann aber wurde Wachter Vater und Fußball in der Prioritäten-Liste durchgereicht, er hörte gar für zweieinhalb Jahre ganz damit auf. Ein alter Trainer lotste ihn zum SV Rugenbergen, wo er in der Bezirksliga gleich Torschützenkönig wurde und merkte, dass er nichts verlernt hatte in der fußballfreien Zeit. "Greif‘ nochmal oben an!", hat er sich dann gedacht, gab dem Osdorfer Werben nach und stieg gleich in die höchste Hamburger Liga auf. Dort wird wohl Endstation sein für den TuS. "Mit dem Budget, das wir haben, können wir uns höhere Ziele gar nicht setzen. Wir sind ein kleiner Traditionsverein, versuchen, Jahr für Jahr die Klasse zu halten und die Großen oben zu ärgern."

Das Duell mit Marcell Jansen fiel flach

Hamburg, das ist ja auch immer die Frage HSV oder St. Pauli. Wachter selbst ist HSVer, spielt gegen die dritte Mannschaft der Rothosen in der Liga - unter anderem klingt dort auch die aktive Karriere eines gewissen Marcell Jansen aus, ehemaliger Nationalspieler und mit gerade erst 34 Jahren aktueller HSV-Präsident. Gerade im Hinrundenspiel gegen den HSV III fehlte Wachter aber - rotgesperrt. "Da gab es ein paar Missverständnisse mit dem Schiedsrichter im Spiel davor", lacht er.

Schnell, durchsetzungsfähig, abschlussstark: Jeremy Wachter bringt wichtige Qualitäten für einen Oberliga-Angreifer mit. "Ich bin jetzt nicht der überragende Techniker", sagt er. imago

Seine Ziele haben sich trotz aktueller Top-Quote nicht verändert: "Das sage ich jedem, der mich fragt: Ich nehme mir vor jeder Saison vor, 15 bis 20 Tore zu schaffen. Das hört sich zwar niedrig an für mich, aber ich finde, das ist eine vernünftige Quote für einen Stürmer. Momentan ist es aber natürlich brutal, weil es ständig doppelt so hoch ausgeht."

Und wer weiß, in welche Höhen es Wachter in dieser Saison noch katapultiert - mit der Aussicht auf eine kicker-Torjägerkanone für das Wandregal.

Jan Mauer