Champions League

Baumgartlinger: "Es ist schwierig, das Risiko auszubalancieren"

Leverkusen: Zwischen defensiver Kompaktheit und offensiver Harmlosigkeit

Baumgartlinger: "Es ist schwierig, das Risiko auszubalancieren"

Sah "viele gute Ansätze" gegen Atletico: Leverkusens Julian Baumgartlinger.

Sah "viele gute Ansätze" gegen Atletico: Leverkusens Julian Baumgartlinger. imago images

In den ersten 45 Minuten erspielten sich die Roten Bullen aus Leipzig fünf Großchancen nach fast demselben Muster: Ballgewinn im Mittelfeld, Bayer kam nicht in die Zweikämpfe für den zweiten Ball und dann folgte der lange Schlag hinter die an der Mittelfeldlinie stehende Verteidigung auf die pfeilschnellen Angreifer wie Timo Werner oder Matheus Cunha.

Bosz musste seine Abwehrkette zurückziehen, um nicht mehr so große Räume anzubieten. Mit Erfolg, Leipzig kam im zweiten Durchgang zu keiner Konterchance und insgesamt stand Bayer besser. Diese Umstellung erschien als "einzigartige" Notbremse, um in dem Spiel nicht leer auszugehen. Doch auch in der jüngsten Champions League-Niederlage bei Atletico Madrid (0:1) stellte der sonst so offensiv und attraktiv denkende Bosz sein Team ähnlich ein.

Mittelfeld-Asymmetrie bei der Werkself

Bayer stellte sich in Ballbesitz auf dem Papier in einer 4-2-3-1-ähnlichen Formation auf. Auf die Viererkette folgte eine echte Doppelsechs mit Kerem Demirbay und Julian Baumgartlinger. Im Dreier-Mittelfeld davor offenbarte sich eine Art "Asymmetrie". Karim Bellarabi hing als Rechtsaußen wie gewohnt auf dem Flügel, Kai Havertz agierte als Zehner, Nadiem Amiri war jedoch kein Pendant zu Bellarabi, kein echter Flügelspieler. Vielmehr bot sich der frischgebackene deutsche A-Nationalspieler immer wieder in der linken Halbspur an, war somit mehr ein zweiter Zehner denn ein Flügelspieler. Volland stürmte wie gewohnt allein in der Spitze.

So war es nicht wirklich überraschend, dass Bayer offensiv kaum Gefahr ausstrahlte. Alleine vom Personal bot Leverkusen im Angriff einen Spieler weniger als sonst auf (im Gegensatz zum 3-6-1 oder 4-3-3 fehlt ein Spieler an der linken Außenbahn), die Staffelung erschien statisch und ausrechenbar. Wenn Bayer mit Tempo kam, dann meist über die rechte Seite, wo Bellarabi zwar aktiv, oft aber unglücklich war. Die linke Seite war mehr oder weniger verwaist - Amiri hielt sich wie angesprochen meist im Zehnerraum auf, Lars Bender agierte defensiv mehr als solide, beließ es aber auch oft dabei.

Zäher Auftritt gegen Madrid

Dass das Spiel gegen Atletico durchaus als zäh beschrieben werden kann, hing jedoch nicht nur mit den Problemen in der Abstimmung des Bayer-Angriffs zusammen. Gegen den Ball machte Bayer seine Arbeit sehr gut, ließ dem Gegner wenig Chancen. Sven Bender verteidigte beispielsweise eng am Mann, hatte eine überragende Zweikampfquote. Doch auch in der Grundordnung gab es eine Änderung: Wie schon gegen Leipzig verteidigte Bayer bei gegnerischem Spielaufbau im 4-4-2, Havertz ging in die Doppelspitze neben Volland, Amiri deckte den linken Flügel ab. Dadurch konnten die Räume eng gemacht werden und durch das tiefere Stehen hatte Atletico wenig entgegenzusetzen. Einzig durch Flanken wurde der Favorit gefährlich: Nachdem Diego Costa erst noch knapp verpasst hatte, nutzte Alvaro Morata die Ballorientierung seines Gegenspielers Jonathan Tah dann zum Siegtreffer aus.

In der zweiten Halbzeit ist es uns besser gelungen, das Spiel und die Balleroberungen weiter nach vorne zu verlagern.

Julian Baumgartlinger

Doch Bayer mauerte nicht nur, sie blieben unangenehm im Gegenpressing und hatten folglich auch gute Ballgewinne. "In der zweiten Halbzeit ist es uns besser gelungen, das Spiel und die Balleroberungen weiter nach vorne zu verlagern. Aber dann hatten wir eben ein bis zwei Situationen, in denen wir in Überzahl in Richtung Tor gehen können, wo der Pass, der den Konter so richtig einleitet, dann schlecht war. Das hat verhindert, dass wir früher oder auch besser in Position gekommen sind", analysiert Baumgartlinger treffend.

Baumgartlingers taktische Analyse

Der österreichische Sechser, bekannt für sein taktisches Verständnis, fasst gut zusammen: "Es ist nach wie vor ein Prozess, solche kleine Veränderungen besser zu adaptieren und dann in Tore umzumünzen. Ich denke schon, dass trotzdem viele gute Ansätze da waren heute. Es war spürbar besser." Soll bedeuten: Bayer stand als oberstes Gebot defensiv sehr sicher, hat dem Gegner wenig Räume geboten. Aus einer kompakten Abwehr müssten dann noch Angriffe und Konter initiiert werden, wobei in den vergangenen Wochen bei der Werkself eigentlich immer das Gegenteil der Fall war. Deswegen weiß Baumgartlinger: "Auf diesem Niveau ist es schwierig, das Risiko auszubalancieren." Aber dafür sind Prozesse ja da.

Eliano Lußem