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Ödegaard - doch noch ein guter Fang?

Real Madrids formstarke Leihgabe im Porträt

Ödegaard - doch noch ein guter Fang?

Trumpft bei Real Sociedad groß auf: Martin Ödegaard.

Trumpft bei Real Sociedad groß auf: Martin Ödegaard. imago images

Ein Fisch? Martin Ödegaard dürfte nicht schlecht gestaunt haben über sein Präsent, das er als Real Sociedads "Spieler des Monats" erhielt. Eine riesige Forelle wurde dem 20-Jährigen stilecht in einem Supermarkt, der den Klub sponsert, übergeben. Aber klar, man hatte sich schon etwas dabei gedacht bei den Basken: Der Prachtfang kam schließlich aus seiner Heimat Norwegen. Behauptete man jedenfalls.

Auch wenn Ödegaard sicherlich schon weniger glitschig-schuppige Auszeichnungen erhalten hat, dürfte ihm diese durchaus Genugtuung verschafft haben. Denn sie symbolisiert vor allem eines: dass es in seiner zwischenzeitlich stockenden Karriere wieder aufwärts geht.

Doch warum ging es eigentlich abwärts? Es hatte doch alles so vielversprechend begonnen für den hochtalentierten Mittelfeldspieler. Jüngster eingesetzter Spieler in der norwegischen Liga? Ödegaard, mit 15 Jahren und 151 Tagen am 13. April 2014. Jüngster Torschütze der norwegischen Liga? Ödegaard, man schrieb den 16. Mai 2014. Jüngster eingesetzter Spieler bei Real Madrid in La Liga? Ödegaard, mit 16 Jahren, fünf Monaten und sechs Tagen am 23. Mai 2015. Jüngster norwegischer Nationalspieler? Natürlich Ödegaard. Am 24. August 2014 gab er sein Debüt.

Auch die Bayern wollen Teenager Ödegaard

Vor seinem Wechsel im Sommer 2015 vom Stromsgodset IF zu den Königlichen wollten etliche große Klubs den Linksfuß verpflichten - auch der FC Bayern. Im Dezember 2014 absolviert er ein Probetraining an der Säbener Straße und wusste auch zu überzeugen. "Er ist ein absolutes Ausnahme-Talent und ein guter Typ, sehr weit für sein Alter", sagte Klubboss Karl-Heinz Rummenigge der Bild seinerzeit. "Wir bemühen uns sehr um ihn. Ich glaube, dass wir eine gute Chance haben."

Doch Bayern erhielt einen Korb, genauso wie Manchester United. Real Madrid bekam letztlich den Zuschlag, besser geht's nicht - oder? Lionel Messi sei auch so jung gewesen, wehrte sich der junge Ödegaard gegen die Kritiker, die den Schritt als übereilt einschätzten. "Und der ist jetzt der beste Fußballer der Welt."

"PR-Gag" Ödegaard? Ancelottis Worte lassen tief blicken

Doch im Gegensatz zu Messi wurde der Teenager aus Drammen überwiegend in der zweiten Mannschaft eingesetzt, im Starensemble um Cristiano Ronaldo war kein Platz für einen Azubi. Ödegaard, doch nur ein "PR-Gag" von Präsident Florentino Perez? Carlo Ancelotti, 2013 bis 2015 Trainer der Königlichen, plauderte nach seinem Engagement aus dem Nähkästchen. Er selbst sei an Ödegaards Verpflichtung nicht interessiert gewesen, schrieb der Italiener in seinem Buch. "Aber wenn der Präsident entscheidet, dass er aus PR-Gründen einen norwegischen Jungen drei Mal in der ersten Mannschaft auflaufen sehen will, dann muss ich einen Weg finden, das umzusetzen."

Azubi ohne Auftrag: Ödegaard bei Real Madrid.

Azubi ohne Auftrag: Ödegaard bei Real Madrid im Jahr 2014. imago images

Im Januar 2017 waren die königlichen Lehrjahre beendet, der 1,78-Meter-Blondschopf wurde für anderthalb Jahre an den SC Heerenveen in die Niederlande ausgeliehen. Er stagnierte, brach sich zu allem Überfluss im Saisonfinale den Mittelfuß und kehrte im Sommer 2018 frustriert zu Real zurück. Der Tiefpunkt, er war erreicht für Ödegaard. Real gab ihn aber nicht ab, entschied sich vielmehr für eine erneute Ausliehe, diesmal zu Vitesse Arnhem. Und dort platzte der Knoten! Elf Tore und zwölf Vorlagen gelangen Ödegaard, Arnhem verpasste die Europa League nur haarscharf. Doch Real war immer noch nicht überzeugt, und der Spieler offenbar auch nicht so recht. "Am Ende der vergangenen Saison dachte ich, dass es nicht gut für mich wäre, nach Madrid zurückzukehren", sagte er dem norwegischen Sender 'TV2'. "Für junge Spieler wie mich ist es sehr wichtig, Spielzeit zu bekommen. In Madrid wäre das sehr schwierig geworden."

In San Sebastian zeigt Ödegaard seine Stärken

Interessenten fanden sich im vergangenen Sommer rasch, und wieder rückte ein Bundesligist in den Fokus. Bayer Leverkusen bemühte sich genauso wie Ajax Amsterdam um eine Ausleihe, doch das Rennen machte diesmal Real-Ligakonkurrent Real Sociedad. Im Baskenland hat er an die Leistungen der Vorsaison nahtlos angeknüpft. Beim 1:0 auf Mallorca am 2. Spieltag leitete er den Siegtreffer nicht nur ein, er erzielte ihn auch selbst. Ein Tor, das viele von Ödegaards Stärken offenlegt: Der Norweger antizipiert Situationen, ist schnell und hat ein atemberaubendes Gefühl im linken Fuß. Beim 2:0-Sieg gegen Atletico Madrid am 4. Spieltag traf er zur Führung, war auch am zweiten Tor mit einer Freistoßflanke beteiligt. Denn Ödegaard kann auch Standards treten.

Trainingsweltmeister und "Skandalpässe"

Eine weitere Stärke ist sein körperlicher Zustand, in seinen Teenagerjahren logischerweise noch eine Schwäche des Skandinaviers. Bislang hat er noch keine Ligaminute verpasst, spanischen Medien zufolge soll er ähnlich verbissen an seiner Fitness arbeiten wie Trainingsweltmeister Cristiano Ronaldo. In der Vorbereitung hatte kein Mannschaftskollege bessere Werte als er, keiner lief mehr als der Norweger. Vor seinem Sprint über den halben Platz beim Tor in Mallorca hatte er schon über 12 Kilometer zurückgelegt. Und dann diese Technik: Am Sonntag gewann Real Sociedad bei Espanyol mit 3:1. Ödegaards einleitenden Außenristpass vor dem Führungstreffer bezeichnete die "AS" als einen "Skandal" - im positiven Sinne.

In Madrid sehen die Funktionäre um Perez Ödegaards Auferstehung genüsslich vom Sofa aus. Denn seine Leihe ist nur auf ein Jahr befristet, Real könnte vom vermeintlichen PR-Gag doch noch mächtig profitieren. Sein Vertrag läuft noch bis 2023, Ödegaard wird kaum auf einen Verbleib in San Sebastian drängen. "Mein Ziel ist es immer noch, für Real Madrid zu spielen. Deswegen habe ich dort unterschrieben", sagte er vor wenigen Tagen.

Gut möglich also, dass den Madrilenen mit dem Norweger doch noch ein dicker Fisch ins Netz gegangen ist.

Christoph Laskowski