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Alexander Ring: "Reus war schon damals der Beste"

Ehemaliger Bundesliga-Profi im großen kicker-Interview

Alexander Ring: "Reus war schon damals der Beste"

Kaiserslautern, New York und Mönchengladbach: Alexander Ring.

Kaiserslautern, New York und Mönchengladbach: Alexander Ring. imago

Das Interview beginnt mit einem Knaller. "Servus", meldet sich ein Finne am anderen Ende der Leitung, "alles klar?" Alexander Ring ist gut drauf und nimmt sich nach dem Vormittagstraining lange Zeit, um ausführlich über seine Jahre in Deutschland und sein jetziges Leben in Manhattan zu reden.

Herr Ring, wie viel Deutschland steckt noch in dem Finnen, der als Dreijähriger nach Deutschland kam und in Bonn mit dem Fußballspielen begann?

So viel, dass ich immer noch gerne Bundesliga gucke, wenn ich nicht selbst spielen muss.

Wir starten mal, verrückterweise, am Anfang. Sie haben sich in Helsinki unter anderem mit Teemu Pukki ins Schaufenster gespielt, sind 2012 mit 20 Jahren nach Gladbach gewechselt.

Gladbach hat recht früh Kontakt aufgenommen und mich während der Europa-League-Play-off-Spiele gegen Schalke beobachtet. Ich bin noch vor dem Winter, in dem ich letztlich zur Borussia gewechselt bin, mal nach Gladbach gereist, um mich mit dem Trainer zu treffen. Das war alles sehr beeindruckend, deshalb war für mich, obwohl ich auch andere Möglichkeiten hatte, sofort klar, dass ich zu Favre wechseln möchte.

Was haben Sie von ihm gelernt?

Favre ist vielleicht der Trainer, der mir am meisten beigebracht hat. Die Detailversessenheit, Kleinigkeiten, auf die du selbst niemals kommen würdest, aber dich im Spiel enorm weiterbringen. Ich habe in Gladbach einen Riesenschritt gemacht. Man darf nicht vergessen, dass ich vorher in Finnland gespielt habe. (lacht) Unter Favre und mit diesen Mitspielern, das war eine überragende Zeit, an die ich mich immer gerne zurückerinnere.

Hätten Sie damals schon vorausgesagt, dass Ihr Mitspieler Marco Reus einer von Deutschlands besten Fußballern wird?

Marco Reus und Alexander Ring

Zusammen in Gladbach: Marco Reus und Alexander Ring. imago

Das war er für mich schon damals. Er hat diese lockere Art, die ich immer an ihm bewundert habe. Als er schon nach Dortmund gewechselt war und ich für Gladbach in der Champions-League-Quali das Tor (gegen Dynamo Kiew beim 1:3, Gladbach schaffte es später nicht, d. Red.) geschossen habe, war er der Erste, der mir eine SMS geschrieben und mir gratuliert hat. Das sagt viel über seinen Charakter aus. Ein super Typ und geiler Kicker.

Was hat Ihnen zum Durchbruch in der Bundesliga gefehlt?

Ich war oft verletzt, das ist gerade in dem Alter extrem ärgerlich. Als junger Spieler musst du spielen und deinen Rhythmus finden. Geduld lernt man erst in späteren Jahren. Hätte ich die damals schon gehabt, wer weiß. Ich habe trotzdem so viel gelernt, deshalb kann ich über Gladbach nichts Negatives sagen.

In dreieinhalb Jahren beim 1. FC Kaiserslautern haben Sie anschließend eine Menge erlebt, wären beinahe sogar in die Bundesliga zurückgekehrt.

Wir hätten es damals verdient gehabt, aufzusteigen. Besonders im zweiten Jahr (Saison 2014/15, d. Red.) hatten wir eine junge, hungrige Truppe, im Endspurt aber leider auch nicht die Erfahrung und die Kaltschnäuzigkeit.

Heute kämpft der FCK in Liga 3 um die Existenz.

Da sind Sachen geschehen, auf die ich keinen Einfluss habe, deshalb kann ich mich da auch nicht zu äußern. Lautern ist eine fußballverrückte Stadt mit vielen Fans, deshalb hoffe ich, dass der Verein schnell wieder aus der Situation rauskommt.

Wie kam es 2017 zum Schritt in die MLS zum New York City FC?

Patrick Vieira (damals Trainer beim NYCFC, d. Red.) hat sich sehr um mich bemüht, ich fand es sehr imponierend, wie oft er mich angerufen hat und wie gut er mich kannte. Mir war klar, dass mein nächster Schritt ein wichtiger werden würde. Ich wollte vor allem viel spielen, wurde in den Jahren davor auf vielen Positionen herumgeschoben. Vieira hat mich klar im zentralen Mittelfeld gesehen und gesagt: "Wenn du besser werden willst, kannst du von keinem Besseren lernen als von mir." (lacht) Ich war sowieso Arsenal-Fan, es hätte also kaum besser laufen können.

Sie sind aus der 2. Bundesliga in die MLS gewechselt - hat es sich auch wie ein Aufstieg angefühlt?

Ich war einfach froh, einen Neustart zu bekommen. Ich wollte nicht unbedingt in Deutschland bleiben und das Projekt, das mir in New York vorgestellt wurde, konnte ich letztlich nicht ablehnen. Ich bin sehr zufrieden mit dem Schritt, bisher hat sich alles ausgezahlt.

Es muss doch für jeden Fußballer ein Traum sein, in New York City zu leben, täglich mit David Villa, Andrea Pirlo und Frank Lampard von Patrick Vieira trainiert zu werden.

Dass David Villa mir nach meiner Unterschrift direkt eine Nachricht geschrieben hat, ich meine... Jeder junge Spieler sollte sich abgucken, wie Villa und Pirlo mit ihren 35, 36 Jahren immer noch trainiert haben, mit welcher Intensität. Davon kann man lernen, und für mich gab es nichts Besseres.

Vieira ist heute Trainer in Nizza, hat dort ausgerechnet BVB-Coach Favre abgelöst. Was zeichnet ihn aus?

Man sieht an seiner Persönlichkeit irgendwie, dass er Kapitän war; die Art und Weise, wie er Spieler führen kann. Er weiß genau, wie er jemanden anpacken muss, hat die perfekte Mischung zwischen Autorität und Gelassenheit und eine klare Spielphilosophie. Ich glaube, dass wir unter Vieira mit den besten Fußball in der MLS gespielt haben.

Ihr jetziger Trainer Domenec Torrent hat viele Jahre als rechte Hand von Pep Guardiola fungiert, unter anderem auch beim FC Bayern. Lebt er den Tiki-Taka-Stil genauso vor?

Domenec Torrent und Pep Guardiola

Einst zusammen beim FC Bayern, jetzt beide Cheftrainer innerhalb der CFG: Domenec Torrent und Pep Guardiola. imago

Attraktiver Fußball, aber voll auf Sieg ausgerichtet. Sein Fußball-Gehirn ist unglaublich. Taktische Finessen, selbst in der Halbzeitpause. Das ist höchstes Niveau.

Der NYCFC ist erst 2015 als eine Art Filiale der City Football Group (CFG), der Eigentümer-Gruppe von Manchester City, an den Start gegangen. Vieira zum Beispiel wurde 2016 als Jugendtrainer von ManCity plötzlich als Chefcoach nach New York geschickt, David Villa vor dem ersten MLS-Spiel des NYCFC noch für ein paar Monate zum Melbourne City FC ausgeliehen. Wie erleben Sie den weltweiten Austausch zwischen den Klubs in England, Japan oder Australien?

Meinen Medizincheck habe ich damals sogar in Manchester gemacht und da auch gleich Pep Guardiola kennengelernt. Alle Teams der CFG haben das gleiche Konzept, diese Professionalität sucht ihresgleichen. Man spürt auch immer wieder, wie wichtig unser Team in New York für das Unternehmen ist. Die Besitzer geben alles, damit wir Meister werden. Sie haben eine einmalige Vision, das finde ich alles super interessant. Und es gibt, glaube ich, keine geilere Stadt als New York, um einen Titelgewinn zu feiern.

Sie haben David Villa (jetzt Vissel Kobe) vor dieser Saison als Kapitän abgelöst, in den ersten drei Saisonspielen als zentraler Mittelfeldspieler auch schon zwei Tore beigesteuert. Empfehlen Sie sich nochmal für höhere Aufgaben?

Ich werde jetzt 28 und wenn aus Europa eine Anfrage kommt, die mich interessiert, dann setze ich mich damit auseinander - und dann wird es vielleicht schwer, mich hier zu halten. (lacht) Momentan spiele ich den besten Fußball meiner Karriere und das genieße ich. Was kommt, kommt, aber da mache ich mir keinen Stress.

Sie sind im "besten Fußballer-Alter", haben sich aber mit Ihrer Frau und zwei kleinen Kindern ein Leben in Manhattan aufgebaut. Wie ungern würde man so was für einen Wechsel nach Europa nochmal aufgeben?

David Villa und Alexander Ring

Zusammen in New York: David Villa und Alexander Ring. imago

Ich genieße meine Zeit wirklich sehr. Meine Töchter gehen hier in den Kindergarten, da muss man sich natürlich ein paar Gedanken mehr machen. Ich habe meiner Frau versprochen, dass wir nach meiner Karriere wieder nach Finnland gehen, weil sie ihre Interessen bisher immer mir zuliebe hintenangestellt hat. Aber man ist ja auch hier schon nur am Reisen, deshalb habe ich im letzten Jahr auch meine Nationalmannschafts-Karriere beendet, um mehr Zeit mit meiner Familie zu haben.

Auf der anderen Seite hat die Major League Soccer in den vergangenen Jahren aufgeholt - und das nicht nur mit den Ibrahimovics und Schweinsteigers. Wo würden Sie die Liga einordnen?

Sie entwickelt sich in die richtige Richtung, das zeigt das Beispiel Atlanta United sehr gut, da muss man schon Respekt zollen. Klubs wollen inzwischen Transfererlöse erzielen und dadurch teurer einkaufen, Spieler hier gleichzeitig den nächsten Schritt gehen - das wird die Liga voranbringen. Natürlich gibt es noch Qualitätsunterschiede, aber die vier, fünf Topvereine jeder Conference haben schon richtig gute Mannschaften.

Der NYCFC hat bisher noch kein Spiel verloren, aber auch noch keins gewonnen. In der Vorsaison war erst in den Play-offs Schluss. Ist die erste Meisterschaft in dieser Spielzeit möglich?

Dieses Jahr muss die Verantwortung auf mehrere Schultern übertragen werden, besonders auf meine. Unser Talisman war immer - völlig zu Recht - David Villa. Wir haben eine junge, gute Truppe, die noch viel lernen muss. Darin kann aber auch eine Chance liegen, wenn man sich erst mal in einen Lauf gespielt hat. Dann haben wir eine Chance.

Und zum Schluss, wenn Sie sich festlegen müssten: Wer war der beste Mitspieler, den sie jemals hatten? Marco Reus oder David Villa?

Boah. (lacht) Also wenn ihr Pirlo im Training gesehen hättet, da sind Sachen passiert... Aber ich sage mal Marco Reus, und zwar deswegen, weil ich ihn im besten Alter miterlebt habe. Wen ich auch noch auf diese Liste schreiben würde, wäre Dante. Er war für mich damals der beste Innenverteidiger der Bundesliga und hat dann ja mit Bayern alles gewonnen. Vielleicht nehmen wir die Top-3 mit Marco, David Villa und Dante.

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