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Hintergrund: The Gods of Dota

Wenn ein Dota-Profi zum Gott wird

Hintergrund: The Gods of Dota

Der Gott-Titel in Dota. Viele tragen ihn - nur wenige verdienen ihn. 'Loda' ist einer davon!

Der Gott-Titel in Dota. Viele tragen ihn - nur wenige verdienen ihn. 'Loda' ist einer davon! Starladder

Das chinesische Volk ist seit jeher traditionell veranlagt, was sich zu einem Teil auch auf den eSport auswirkt. So war es die chinesische Community, die sich bereits zu Zeiten von Warcraft III und Defense of the Ancients (DotA) dazu verpflichtet sah, die besten Spieler ihrer Generation auf einen virtuellen Thron zu heben. Wer sich damals als besonders begabter eSportler präsentierte, war in den Augen der Chinesen ein Gott. Sei es auf einem bestimmten Helden oder in einer bestimmten Situation. Heute wird der Suffix "-God" kaum noch ernsthaft verteilt, auch weil er durch inflationäre Benutzung kaum mehr große Bedeutung hat. Aber es gibt sie noch, die alten Götter, die ihren Ursprung im Land des Lächelns haben.

Der beste Ganker der Welt

Ivan 'Vigoss' Shinkarev ist ein russischer Dota-Spieler, der seit fast zehn Jahren in der Szene unterwegs ist und sich vor allem durch sein brillantes Ganking auszeichnet. Er spielte zu Dota 1-Zeiten bereits bei Virtus.Pro, einem Team, das noch heute in der Weltspitze mitmischt. Unter der ikonischen Eisbär-Flagge gewann er drei aufeinanderfolgende MYM PriDe Events. Team-Kapitän Jolie sagte einst über 'Vigoss': "Er ist unser Helden-Killer. Seine Reaktionszeit ist atemberaubend und er hat außerordentliche Fähigkeiten im Bereich der Situations-Prognose." Shinkarev galt als einer der besten Spieler der Welt und kämpfte wenig später bei KS.int an der Seite von 'Puppey' und 'KuroKy'. Doch in den vergangenen Jahren wechselte er immer wieder die Teams und konnte nicht mehr an seine alten Leistungen anknüpfen. Dennoch gilt er noch heute als V-God, der die Dota-Welt auf den Kopf stellte.

Vigoss (2. v.li.) versuchte sein Glück zwar noch einmal in späteren Dota-Jahren, konnte aber nie mehr an seine früheren Leistungen anknüpfen.

Vigoss (2. v.li.) versuchte sein Glück zwar noch einmal in späteren Dota-Jahren, konnte aber nie mehr an seine früheren Leistungen anknüpfen. Valve

"Lord Of Dol Amroth"

Der Schwede Jonathan 'Loda' Berg kämpfte sich über ein Jahrzehnt lang an die Weltspitze und zählt 2016 noch zu den erfahrensten und besten Spielern der Szene. 'Lord Of Dol Amroth', oder wie er eher bekannt ist: 'Loda', wurde ebenfalls sehr früh als L-God tituliert. Zu seinen Zeiten bei SK Gaming zwischen 2007 und 2009 war das Team die dominanteste Mannschaft Europas. Obwohl er einen kurzen und durchaus erfolgreichen Zwischenstopp im Spiel Heroes of Newerth gemacht hatte, kehrte er 2011 in die Dota-Welt zurück und krönte seine Laufbahn 2013 mit dem sensationellen Gewinn der Weltmeisterschaft - zusammen mit der schwedischen Powerhouse Alliance. Seit frühesten Tagen spielt er mit seinem Schulfreund Joakim 'Akke' Akterhall, der nur selten von seiner Seite wich. Obwohl 'Loda' mit seinem Team nach dem WM-Erfolg eine lange Schwächephase hatte, raffte sich die Truppe wieder zusammen und kehrte zurück. Die aktuelle Direkt-Einladung zur ESL One Manila gibt Alliance und dem "Lord of Dol Amroth" Recht - er war und ist einer der besten Dota-Spieler der Welt.

Noch heute eine der chinesischen Legenden: 'BurNIng'.

Noch heute eine der chinesischen Legenden: 'BurNIng'. ESL / Helena Kristiansson

"Vier beschützen einen"

Obwohl Xu 'BurNIng' Zhilei nicht solange dabei ist wie 'Loda' oder 'Vigoss', würde er in der Dota 2-Hall of Fame dennoch einen besonderen Platz einnehmen. Fällt sein Name, dann meistens im Zusammenspiel mit einem ganz besonderen Helden: Anti-Mage. Der Chinese ist ein wahrer Virtuose mit dem Carry und konnte mehrere Partien nahezu im Alleingang drehen. Ob in früheren Jahren bei Team DK oder heutzutage bei Vici Gaming. Sein Helden-Pool reicht dabei weit über den Anti-Magier hinaus - auch Morphling gilt als einer seiner besten Charaktere. Oftmals spielt sein Team eine ganz besondere Strategie, die vor allem in der chinesischen Szene weit verbreitet ist: "4-protect-1", also "Vier beschützen einen". Hierbei wird versucht, dem Spieler auf der ersten Position den meisten Farm zu verschaffen und ihn dabei mit den restlichen vier Helden zu beschützen.

Auf Anti-Mage klappt das besonders gut, da er einer der Helden ist, die in einem sehr langen Spiel noch weiter skalieren können und auch gegen ganze Horden an Gegner bestehenen. Das jüngste Beispiel für dieses Manöver konnte Vici Gaming beim International 5 gegen Team Secret abliefern. Secret hatte klar die Oberhand, verpasste aber das entscheidende Zeitfenster, um das Spiel zu beenden. Dies verschaffte Vici und insbesondere 'BurNIng' genügend Zeit. Dass sie dieses Match tatsächlich drehen konnten, glaubte damals niemand. Der Analyst Alan 'Nahaz' Bester twitterte während der Partie: "Teams die fünf Tower Rückstand haben, verlieren mit dem aktuellen Patch in zwei von 93 Fällen - aber diese Teams hatten keinen BurNIng auf Anti-Mage". Und es kam, wie es kommen musste: Der B-God zerpflückte Team Secret sprichwörtlich und lies keine Zweifel daran aufkommen, dass er einer der beste Dota 2-Carrys ist - vielleicht sogar der Beste.

Auch in Deutschland gibt es einen Gott

Auch ein Deutscher durfte bereits den Götter-Titel tragen. Trotz der Tatsache, dass Kuro 'KuroKy' Salehi Takhasomi heute als einer der besten Supporter gehandelt wird, bekam er seine Auszeichnung in frühen Dota-Jahren für seine Fähigkeiten auf der Carry-Position. Heute hat der K-God zusammen mit seinem Landsmann Adrian 'FATA-' Trinks sein eigenes Team.

USA und die zwei M-Götter

Urgesteine der Szene: 'Puppey' und 'KuroKy' (v.li., ca. 2008).

Urgesteine der Szene: 'Puppey' und 'KuroKy' (v.li., ca. 2008).

In Amerika hat der Titel ebenfalls Einzug gehalten. So ist es Clinton 'Fear' Loomis, der F-God genannt wird. Loomis ist mit seinen 28 Jahren einer der ältesten aktiven Spieler und gilt bis heute als absolute Ikone in den USA. Seine Karriere begann ebenfalls vor über zehn Jahren, seit 2011 ist er Bestandteil von Evil Geniuses. So nahm er an vier von fünf Weltmeisterschaften unter dem EG-Label teil. 2014 musste er zwar aufgrund einer Hand-Verletzung die aktive Spieler-Rolle an Mason Venne abgeben, coachte das Team aber zur Bronzemedaille.

Um die Bezeichnung M-God streiten sich zwei Spieler. Sowohl dem Dänen und ehemaligen Kapitän von EG, Jacob 'Maelk' Toft-Andersen, als auch dem US-Amerikaner Ben 'Merlini' Wu wird er zugesprochen. Interessant ist dabei, dass beide bereits in frühen Dota-Tagen zusammen bei Meet Your Makers (MYM) spielten. 'Maelk' galt als einer der besten Supporter und Kapitäne der Szene. Bis heute wird MYM als eines der Dota-Urgesteine und erfolgreichstes Team der alten WC3-Zeit gehandelt.

'Merlini' wird hingegen die Erfindung des Jungling zugesprochen. Obwohl es bereits früher schon üblich war, ein Teammitglied zwischen die Lanes zu schicken, soll es der US-Amerikaner gewesen sein, der dies bereits zum Matchstart erfolgreich ausspielen konnte. Besonders bemerkenswert waren seine Leistungen auf Zeus und Tinker. 'Maelk' und 'Merlini' sind mittlerweile auf anderen Positionen im eSport unterwegs. Toft-Andersen hat mit Elements sein eigenes Team gegründet und ist weiterhin Caster für Dota 2. Zusammen mit 'Merlini', der ebenfalls lange als Kommentator auftrat, und den Castern 'Blitz', 'Capitalist' und 'Purge' spielt er aber eher zwanglos unter dem Label Vegetables Esports Club bei einigen Turnieren mit.

Drei "Götter" auf einem Bild: 'Merlinie', 'Maelk' und 'Fear' (v.li., ESWC 2008).

Drei "Götter" auf einem Bild: 'Merlinie', 'Maelk' und 'Fear' (v.li., ESWC 2008). ESWC

Noch ein Gott - noch ein Streit

Ebenfalls ein altes und langes Streitthema ist der Y-God. Hier haben sich in früheren Jahren erneut zwei Spieler gestritten: Ng 'YamateH' Wie Poong aus Malaysia und Bu 'YaphetS' Yanjun, auch 'PIS' genannt, aus China. Sie galten beide als absolute Weltspitze auf dem Helden Shadow Fiend in DotA. Obwohl 'YaphetS' das berühmte 1on1-Showmatch beim World DotA Championship 2010 gewann, schrieben viel Fans den Titel weiterhin 'YamateH' zu. Er ist heute noch aktiv, konnte in den vergangenen Jahren aber kaum nennenswerte Erfolge aufweisen. Sein Rivale hingegen verschwand Ende 2015 von der Dota-Oberfläche. Ob es jemals einen richtigen Streit gegeben hat, ist ungeklärt. Aufgrund seines alternativen Nicknamen 'PIS' wurde er ohnehin öfters P-God genannt. Somit hätten beide den Ruhm, den sie verdienen.

FY, F-God!

In der heutigen Zeit gibt es die Götter-Titel kaum noch, und selbst aktive Spieler wie 'Fear' oder 'BurNIng' nutzen sie weder selbst, noch werden sie damit häufig konfrontiert. Aber in vielen Bereichen ist es üblich, die Leistungen einzelner Spieler in einer Partie oder einem Turnier mit einem solchen Ritterschlag zu würdigen. Der Chinese Xu 'fy' Linsen wurde beim International 2015 kurzerhand zum F-God. Seine Fähigkeiten auf dem Helden Rubrick sind zwar bekannt, was er allerdings in der Partie gegen Cloud9 ablieferte, war absolute Weltklasse. Mit mehreren guten Entscheidungen drehte er viele Teamkämpfe zu Gunsten seines Teams Vici Gaming. Nach dem der Caster 'Capatalist' ihn bereits als F-God bezeichnet hatte, ergänze sein Partner 'Blitz' wenig später: "Wenn es jemals die Diskussion gegeben hat, wer der beste Rubick-Spieler der Welt ist, hat sie 'fy' gerade komplett beendet".

Ein Titel ohne Wert

Welche Spieler heute wirklich einen Götter-Titel tragen, ist kaum zu klären und selbst über die "alten Götter" aus DotA-Zeiten wird gestritten. Es gibt kein offizielles Komitee und die meisten Ehrungen kamen aus großen und wichtigen chinesischen Foren. Heute wird der Titel inflationär und oftmals auch scherzhaft benutzt. Ob D-God für 'Dendi', A-God für 'Arteezy' oder P-God für 'Puppey' - verdient hätten ihn vermutlich viele, aber die Zeiten, in denen die chinesische Community eine solche Vorherrschaft in der Szene hatte und diese Titel vergeben konnte, ist lange vorbei und mit ihnen auch die Zeit der Dota-Götter.

Robin Schulz