Estlands Trainer Karel Voolaid schmiss nach dem 0:0 in Weißrussland, der erste Punktgewinn in laufenden EM-Qualifikation, die Rotationsmaschine an. Ganze sieben Neue standen heute von Beginn an auf dem Rasen. Einzig Spielführer Vassilijev, Torhüter Lepmets, Mets und Baranov blieben von der Wechselarie verschont.
Bundestrainer Joachim Löw wechselte im Vergleich zum 2:2 gegen Argentinien, das die DFB-Elf arg ersatzgeschwächt absolviert hatte, auf drei Positionen. Kapitän Neuer und Gündogan hatte der 59-Jährige ohnehin eine Startelfgarantie ausgesprochen, hinzu kam noch Reus. Ter Stegen und Koch nahmen auf der Bank Platz, Gnabry fiel aufgrund muskulärer Probleme kurzfristig aus.
Notbremse: Can fliegt früh
Vom Anpfiff weg legte die DFB-Elf, im 4-2-3-1 unterwegs, immer wieder kleine Fehler an den Tag. Gegen sehr defensiv agierende Esten, die ihr 4-1-4-1 bei Bedarf in ein 6-1-2-1 umformierten, fanden die Löw-Schützlinge bis auf eine Halbchance durch Can (4.) zunächst keine Lücken respektive Mittel. Die vom Bundestrainer geforderte Konzentration kam nicht wirklich auf. Im Gegenteil: Ein Süle-Zuspiel ließ Can durchlaufen und brachte Liivak als letzter Mann zu Fall - Referee Georgi Kabakov aus Bulgarien zückte die Rote Karte (14.). Ein zweifelhafter Rekord für den Juve-Akteur: Nie wurde ein deutscher Nationalspieler in einem Länderspiel früher des Feldes verwiesen.
Trotz Unterzahl hatte Deutschland weiter rund 70 Prozent Ballbesitz, wusste aber nichts damit anzufangen. Estland hingegen machte es gut: Hinten hielt der Weltranglisten-102. den Laden dicht, vorne setzte er vereinzelte und teils vielversprechende Nadelstiche (16. Kams, 17. Liivak, 18. Mets, 19./30. Vassilijev). Vom viermaligen Weltmeister, bei dem Reus und Kimmich nun jeweils eine Position nach hinten gerutscht waren, kam weiterhin nicht wirklich viel. Wenn überhaupt, dann wurde es nach Distanzschüssen (25. Waldschmidt, 28. Kimmich, 44. Brandt) oder ruhenden Bällen gefährlich. Hier allerdings so richtig: Bei einem Reus-Freistoß aus 22 Metern fehlte nicht viel - der BVB-Akteur scheiterte am Lattenkreuz (40.).
Gündogan mit dem doppelt glücklichen Füßchen
Nach dem Seitenwechsel gehörte die erste Aktion den Esten - Liivik hatte allerdings Pech im Abschluss (47.). Im Gegensatz dazu hatte Gündogan das Abschluss-Glück gepachtet: Ein eigentlich verunglücktes Havertz'-Zuspiel auf Waldschmidt landete beim 28-Jährigen. Dessen Abschluss fälschte Reus per Hacke unhaltbar für Schlussmann Lepmets ab - 1:0 (51.). Sechs Minuten später setzte Gündogan noch einen drauf, zog nach schöner Hacken-Ablage von Reus ab. Diesmal war es Mets, der die Flugbahn entscheidend veränderte - 2:0 (57.).
Estland war immer noch um dosiertes Offensivspiel bemüht, mit zunehmender Spielzeit bröckelte jedoch das defensive Bollwerk. Von Gündogan mit einem starken Diagonalball auf die Reise geschickt, machte Werner den Deckel drauf und vollstreckte fünf Minuten nach seiner Einwechslung zum 3:0 (71.). Anschließend merkte man der DFB-Elf den Druckabfall an, der Ball lief flüssiger - ein Tor sollte aber nicht mehr fallen: Brandt (73.) und Werner (80./85.) ließen auf deutscher Seite ebenso Präzision vermissen wie die Esten. Ainsalu (81.) und Käit (82.) ließen ihre Möglichkeit auf den verdienten Ehrentreffer frei vor Neuer liegen.
Estland gastiert am 10. Spieltag (Di, 19.11.19, 20.45 Uhr) in Niederlande. Für Deutschland geht es am 9. Spieltag der EM-Qualifikation (Sa, 16.11.19, 20.45 Uhr) gegen Weißrussland weiter.