eSport

10 Jahre kicker eSport: "Boulevard ist ein absolutes No-Go"

Produktmanagerin im Jubiläums-Interview

10 Jahre kicker eSport: "Boulevard ist ein absolutes No-Go"

Produktmanagerin Nicole Lange spricht über 10 Jahre kicker eSport.

Produktmanagerin Nicole Lange spricht über 10 Jahre kicker eSport. Daniel Rüsseler

2014 ist kicker eSport an den Start gegangen. Welche Werte wurden euch damals für die eSport-Berichterstattung vom kicker an die Hand gegeben?

Die ersten Gespräche waren sehr spannend. Es gab unterschiedliche Ansätze, aber eines war immer klar: Allen Verantwortlichen war es wichtig, dass der eSport dieselbe Qualität und den journalistischen Anspruch widerspiegelt, wie man es auch aus den anderen kicker-Bereichen kennt. Boulevard ist ein absolutes No-Go. Die Werte des Verlags im Ganzen waren in jeder Runde immer präsent - und die damit verbundene Verantwortung.

Welche Verantwortung geht denn damit einher, das eSport-Ressort des kicker zu sein?

Eine sehr große. Denn egal, wo der Name kicker draufsteht, es ist mit einer hohen Erwartungshaltung verknüpft. Wir haben die Aufgabe zu informieren, aufzuklären und zu hinterfragen. Im eSport ist dies genauso wichtig wie in jeder anderen Sportart. Dieser Verpflichtung müssen wir nachkommen.

Wie haben sich Vorgaben, Herangehensweise und Berichterstattung in den letzten zehn Jahren bei kicker eSport verändert?

In unserem Bereich sind wir etwas freier geworden, was die Art der Berichterstattung angeht. Wir haben uns früher darüber unterhalten, ob wir überhaupt Spielenamen in den Headlines erwähnen dürfen. Das sind Entwicklungsprozesse gewesen. Anfangs haben wir viel über Spiele an sich berichtet, dann ging es in die Hintergrundrecherchen und an Berichte von Events, eSportlern und anderen Gegebenheiten. Wir haben für uns sehr klar die Zielgruppe definiert und diesen Themenansatz immer weiter ausgebaut. Der eFootball wurde nach einem Jahr ein fester und großer Bestandteil unserer Berichterstattung. Zu diesem Zeitpunkt haben wir den Trend sehr früh für uns erkannt und die Schwerpunkte frühzeitig und richtig gesetzt.

kicker eSport begleitete FIFA-19-Weltmeister Mohammed Harkous von Anfang an. kicker eSport

Welche Meilensteine sind dir in zehn Jahren kicker eSport besonders im Gedächtnis geblieben?

Als wir von der Chefredaktion zum ersten Mal für unsere Artikel gelobt wurden (lacht). Wir haben viele tolle Momente erlebt, es sind manchmal Meilensteine, die man erst danach als solche definieren kann. Das erste Jahr mit einer positiven Entwicklung der Leserzahlen geschafft zu haben, war ein großer Erfolg für uns. Denn keiner wusste, wie sich eSport überhaupt bei kicker behaupten würde. Der Moment, als Jürgen Klopp uns gelesen hat und das erwähnte, fällt mir noch ein. Als einziges deutsches Sportmedium einen eSportler mit unserem kicker eFootballer des Jahres Award auszuzeichnen, wäre auch so ein Meilenstein.

Es war ein Prozess, den wir ein Jahr lang vorbereitet haben - und dann konnten wir es umsetzen. Als Medium so relevant zu sein, dass du zu allen großen eSport-Events eingeladen wirst. Und natürlich unsere Redaktion zu etablieren. Zuletzt Twitch und der Einstieg in diesen Bereich - für ein Medium wie uns - sind ebenfalls als Meilensteine zu bezeichnen.

Wodurch unterscheidet sich die Berichterstattung von eSport gegenüber physischem Sport?

Die Frage bekomme ich öfter gestellt und ich bin der Meinung, wenn man es richtig macht, dann unterscheidet er sich nur bedingt. Wir haben es gezeigt: Wir berichten über eSportler, interviewen sie und schreiben über Turniere und Wettbewerbe. Fankultur und die Branche dahinter sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil. Was bei uns noch hinzukommt, ist die Berichterstattung über Spieletitel und hin und wieder Patches oder dergleichen. Denn ohne sie wäre der eSport nicht möglich. Das sind Inhalte, die man im physischen Sport nicht immer berücksichtigen muss.

Welche Aspekte sind dir und kicker eSport bei der Berichterstattung besonders wichtig?

Die, die man im Journalismus generell berücksichtigen sollte. Dass wir eine saubere Berichterstattung haben, die den Leuten all das bietet, was sie vom kicker gewohnt sind. Vielleicht eröffnen wir auch noch mal neue Sichtweisen oder begeistern die Menschen für das, was in der Branche passiert. Qualität und eine Weiterentwicklung sind mir wichtig. Wir dürfen uns nicht vor neuen Dingen verschließen und probieren vieles aus - wie mit Twitch zuletzt. In diesem Umfeld als deutsche Sportmedienmarke im eSport aufzutreten, hat uns einen weiteren Schritt nach vorne für die Entwicklung des Bereichs gebracht.

kicker eSport fand schon früh heraus, dass die 3. Liga in FIFA 18 lizenziert wird. DFB/EA SPORTS/kicker eSport

Welche Bedeutung würdest du kicker eSport innerhalb der medialen eSport-Landschaft in Deutschland zumessen?

Eine sehr hohe. Wir wollen immer über die relevanten Ereignisse berichten und in Deutschland haben wir das bereits sehr früh getan. Wir beleuchten die Szene seit mittlerweile zehn Jahren, es gibt in der Medienlandschaft kaum etwas Vergleichbares - und schon gar nicht auf Verlagsebene. Ich glaube, wir tragen einen großen Teil dazu bei, dass eSport in Deutschland ein Thema ist und damals bei manchen Leuten auch erst Beachtung fand.

Der deutschen eSport-Berichterstattung würde generell etwas mehr Ernsthaftigkeit dem Sport gegenüber vielleicht ganz guttun.

Nicole Lange, Produktmanagerin kicker eSport

Was sind die größten Unterschiede der heutigen eSport-Berichterstattung im Vergleich 2014? Wie hat sich die Szene gewandelt?

Das mal vorweg geschickt: Es wird mehr Entertainment und weniger Information transportiert. Man hat zum Teil versucht, sich mit Influencern zu messen, und dabei den journalistischen Auftrag etwas vergessen. Das war nie unser Anspruch. Wir sind aber auch in den letzten Jahren etwas stärker in die Überlegung gegangen, was wir als User-Service den Lesern anbieten können. Welche Inhalte lassen sich erweitern? Müssen wir wieder mehr Social Media machen, um unsere Zielgruppen zu erreichen? Das sind Fragen, die man sich immer wieder stellen muss. Aber der deutschen eSport-Berichterstattung würde generell etwas mehr Ernsthaftigkeit dem Sport gegenüber vielleicht ganz guttun.

Immer wieder ist vom eSport-Winter zu hören. Die Branche sei nach dem Hype während der Corona-Pandemie im Rückgang, es fehle an Geldern. Wie schätzt du die Entwicklung des eSports ein?

Den Begriff finde ich mittlerweile schon sehr abgenutzt, da er eigentlich keine echte Bedeutung mehr hat. Eine Branche stagniert, entwickelt sich oder geht zurück. In den letzten Jahren konnte man aufgrund schlechter Entscheidungen einen Rückschritt erkennen, das ging durch alle eSport-Bereiche durch. Auch die Pandemie war hier ein Faktor.

Jetzt habe ich das Gefühl, muss die Branche sich neu aufstellen, was in gewisser Weise ja auch wieder eine Entwicklung ist. Von daher glaube ich, dass sich 2025 auch mehr tun wird, wenn man nicht wieder dieselben Fehler macht.

In den Medien würde ich mir auch etwas mehr Bewegung wünschen, denn Akzeptanz geht nicht ohne die traditionellen Medien. Auch das wurde vor einigen Jahren vergessen. Und jetzt merken wir, dass sich in der Branche auch in diesen Punkten etwas tut. Ich bleibe vorsichtig optimistisch für 2025.

Interview: Niklas Aßfalg

kicker eSport feiert Geburtstag: 10 Jahre Enthüllungen, Meilensteine und Erfolge!

alle Videos in der Übersicht