Motorsport

Luftfahrt: Wasserstoff statt Kerosin?

CO2-neutral fliegen - Brennstoffzelle und Hybridkonzept

Luftfahrt: Wasserstoff statt Kerosin?

Airbus Zero e Turboprop Concept: Fliegen mit Wasserstoff. 

Airbus Zero e Turboprop Concept: Fliegen mit Wasserstoff.  Airbus

Wir erinnern uns: Bevor Corona zum alles beherrschenden Thema wurde, ist - Stichwort Klimawandel - die neue Flugscham Gegenstand heftiger Diskussionen gewesen. Auch wenn die Kritik am Fliegen von der Pandemie in den Hintergrund gedrängt wurde, auch wenn viele Flieger coronabedingt nach wie vor am Boden bleiben: Ausgestanden ist die Problematik damit nicht. Eine Studie unter Leitung der Manchester Metropolitan University, an der auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beteiligt war, hat festgestellt, dass die Luftfahrtbranche zwischen 1940 und 2018 rund 32,6 Milliarden Tonnen CO2 emittiert hat und zu etwa 3,5 Prozent am menschengemachten Klimawandel beteiligt ist.

Elektrisches Frachtflugzeug 

DHL Eviation Alice Sky 

Hebt batterieelektrisch ab: Vom E-Flieger "Alice" hat DHL zwölf Cargo-Versionen bestellt. DHL

Es besteht also Handlungsbedarf, nach Alternativen zum fossilen Treibstoff Kerosin wird längst gesucht. Batterieelektrischer Antrieb, wie er sich am Boden allmählich zu etablieren beginnt, könnte zwar auch für Flugzeuge infrage kommen. Ein Beispiel ist der elektrische Jet "Alice" des israelisch-amerikanischen Start-ups Eviation, von dem das Logistikunternehmen DHL aktuell zwölf Cargo-Versionen bestellt hat, erste Auslieferungen sollen im Jahr 2024 erfolgen. Die maximale Reichweite der E-Flieger liegt bei 815 Kilometern - das ist nicht wenig, von Langstreckenkompatibilität aber buchstäblich weit entfernt. Das gewichtige Problem schwer wiegender Akkus kennt man bereits von der Elektromobilität mit Bodenhaftung, batterieelektrische Interkontinentalflüge sind derzeit kaum vorstellbar.

Wasserstoff für die Langstrecke

Somit kommt auch in der Fliegerei Wasserstoff (H2) ins Spiel, ein Treibstoff, mit dem Langstrecken schon eher machbar wären. Forschungsansätze gehen in verschiedene Richtungen. So ist es möglich, konventionelle Triebwerke direkt mit Wasserstoff statt mit Kerosin zu betreiben. Ein Thema, das beispielsweise Airbus im Rahmen seines Konzepts "Zero e" beschäftigt - sowohl was Düsenjets, aber auch Turboprop-Flugzeuge und sogenannte Nurflügler betrifft, die wie ein Rochen aussehen und bei denen der Rumpf direkt in die Flügel übergeht.

Airbus ZER Oe Blended Wing Body Concept

"Nurflügler" Airbus Zero e Blended Wing Concept: Wasserstoff-Jets könnten andere Formen als die gewohnten annehmen. Airbus

Sinnvoller, da mit besserem Wirkungsgrad versehen, ist freilich die Lösung Brennstoffzelle. Hier reagiert der betankte Wasserstoff mit dem Sauerstoff aus der Luft, dabei entsteht Strom, der wiederum einen elektrischen Antriebsstrang versorgt. Forschungsarbeit leistet in dieser Beziehung unter anderem das DLR.

Brennstoffzelle plus Batterie

Dessen Wissenschaftler sind auch am Forschungsverbund EnaBle beteiligt, dem außerdem die Universität Ulm sowie Firmen wie Diehl Aerospace und MTU Aero Engines angehören. EnaBle lotet eine dritte Möglichkeit rund um das Thema Wasserstoff aus: Ein Hybridantriebssystem nämlich, das Brennstoffzelle und Batterie miteinander kombiniert. Wie das funktioniert, erklärt Dr. Caroline Willich vom Institut für Energiewandlung und -speicherung der Uni Ulm: "Die Brennstoffzelle produziert Strom aus Wasserstoff und stellt damit die energetische Grundlage des Propellerantriebes sicher. Lithium-Ionen-Batterien liefern während des Starts oder Steigfluges zusätzliche Leistung, die benötigt wird, um die Reiseflughöhe zu erreichen." Der britisch-amerikanische Entwickler ZeroAvia hat eine Piper M mit solcher Batterie-Brennstoffzellen-Technik bereits auf einen Jungfernflug geschickt, bis 2023 soll das Antriebssystem Serienreife erlangen.

Piper M Zero Avia

Kombiniert Brennstoffzelle und Batterie: Piper-M-Testflugzeug von Zero Avia. Zero Avia

Wasserstoff statt Kerosin also: Was so verlockend plausibel klingt, stellt allerdings auch eine große technische Herausforderung dar. Ein Fragezeichen steht beispielsweise hinter den Kondensstreifen, die im Falle eines Wasserstoff-Fliegers zwar nicht durch Ruß und Stickoxide verursacht werden, aber - zumindest in bestimmten Flughöhen -trotzdem auftreten. Aus viel Wasserdampf würden sie bestehen, der im ungünstigen Fall - Stichwort Wolkenbildung - auch zur Erwärmung der Atmosphäre beitragen kann und womöglich den Ozonhaushalt beeinflusst.

Noch bleiben Fragezeichen

Zu lösen gilt es außerdem das Problem, wie der volumenintensive Wasserstoff an Bord zu lagern ist. Große und schwere Tanks sind hier kontraproduktiv. Statt auf gasförmigen setzt Airbus deshalb auf flüssigen Wasserstoff, der allerdings bei extrem niedrigen Temperaturen und in entsprechend gut isolierten Tanks gespeichert werden muss. Auch das Gewicht der Brennstoffzellensysteme sowie deren Integration und Kühlung stelle eine Herausforderung dar, wie DLR-Wissenschaftler Björn Nagel sagt. Zudem müsse an den Flughäfen erst eine H2-Infrastruktur samt funktionierender Logistik aufgebaut werden. Und vor allem ist Fliegen mit Wasserstoff nur dann CO2-neutral, wenn er mithilfe regenerativer Energien produziert worden ist.

Künstliches Kerosin

Als weiterer Ersatz für konventionelles Kerosin könnten sich auch synthetische Treibstoffe - die sogenannten eFuels - etablieren. In diese Richtung denkt beispielsweise Boeing. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die bestehende Tank-Infrastruktur müsste nicht umgebaut werden, und auch eine Erneuerung der Flugzeugflotte wäre nicht erforderlich. Der Gold-Standard ist künstliches Kerosin nach derzeitigem Stand der Dinge aber dennoch nicht - Fachleute sprechen ihm eine schlechtere Energieeffizienz als Wasserstoff zu.

Testflug vor über 30 Jahren

Eine Tupolew Tu-155 hat übrigens schon vor über 30 Jahren als H2-Versuchsträger abgehoben. Bis ihr ein "grüner" Airbus folgt, wird es noch rund 15 Jahre dauern - 2035 soll es soweit sein.

Ulla Ellmer