Football

Björn Werner im kicker-Interview, Teil II: "Die Patriots? Das darf nicht passieren"

Ex-NFL-Profi spricht im kicker, Teil II

Werner im Interview: "Patriots? Das darf nicht passieren"

Der erste deutsche First-Round-Pick im NFL-Draft: Björn Werner (mit Commissioner Roger Goodell).

Der erste deutsche First-Round-Pick im NFL-Draft: Björn Werner (mit Commissioner Roger Goodell). Getty Images

Im ersten Teil des kicker-Interviews hat Björn Werner ausführlich über seine Karriere in der NFL, Verletzungssorgen und Kuriositäten beim Draft gesprochen.

Herr Werner, seit Ihrem Karriereende helfen Sie aufstrebenden deutschen Football-Talenten mit Ihrer Firma "Giridon Imports", den Sprung in die USA zu schaffen. Wie läuft das ab?

Während meiner ganzen Karriere war es mir sehr, sehr wichtig, dass der Football in Deutschland wächst. Mit Sebastian Vollmer (zweimaliger Super-Bowl-Sieger mit den New England Patriots, d. Red.), Markus Kuhn (New York Giants) und mir war der Hype dann recht groß, spätestens als Sebastian seinen ersten Super Bowl gewonnen hat. Ich habe durchgehend Nachrichten von Leuten bekommen, die wissen wollten, wie sie es auch in die Staaten schaffen können. Dann habe ich mit meinem ehemaligen High-School-Coach versucht, ihnen die Möglichkeit zu bieten, hier Fuß zu fassen. Wir können niemandem die NFL versprechen, ich will keine Träume verkaufen! Letztlich hängt es an jedem Einzelnen, Gas zu geben.

Und wie viele haben es schon geschafft?

Zu Beginn, das war noch in meinem letzten Profi-Jahr, haben wir vier Jungs rübergebracht, alle vier spielen jetzt an Division-I-Colleges - richtig geil. Zweieinhalb Jahre später haben wir über 70 Europäer drüben, von denen die meisten Deutsche sind. Mal gucken in drei, vier, fünf Jahren: Vielleicht haben wir dann den ersten, der es durch unsere Hilfe in die NFL schafft. Ich bin Mentor und Berater, immer für die Jungs da. Das macht mir unglaublich viel Spaß.

Schauen wir mal auf den Super Bowl, das größte Einzel-Sportereignis der Welt, zwischen den New England Patriots und Los Angeles Rams. Wer gewinnt?

Ich nehme die Erfahrung - Tom Brady. Der wird nicht zwei Super Bowls hintereinander verlieren nach der Cinderella-Story mit den Philadelphia Eagles im letzten Jahr. Es ist unglaublich, zu sehen, dass die Patriots dieses Jahr der Underdog waren. Dieses "ihr schafft das nicht mehr, ihr seid zu alt" war genau das Feuer, das ihnen die zusätzliche Motivation gegeben hat. Es wird nicht gut ausgehen für die Rams.

Und trotzdem sind sie der FC Bayern der NFL.

Werner über die Patriots und das Draft-System

Brady und Head Coach Bill Belichick haben eine unerreichte Dynastie errichtet, greifen nun nach dem sechsten Titel. Was können andere Teams von den Patriots lernen?

Man kann nur Gutes über Tom Brady sagen. Selbst wenn er persönlich einen schlechten Tag hat, schafft er es, das Team so zu motivieren, dass es trotzdem Spiele gewinnt. Die NFL ist so aufgebaut, dass sowas wie die Patriots eigentlich gar nicht geht; mit Salary Cap und Draft. Das darf nicht passieren. Und trotzdem sind sie der FC Bayern der NFL. So eine Dynastie hat es noch nie gegeben, die letzten 20 Jahre war New England fast immer in den Play-offs dabei. Kein Wunder, dass so viele Deutsche Patriots-Fans sind. (lacht) Ich habe selber viermal gegen sie gespielt und dreimal hoch verloren, ich mag sie zwar nicht, respektiere Coach Belichick & Co. aber trotzdem, auch wenn es ein bisschen langweilig ist. Viele Teams versuchen den Stil zu kopieren, aber das funktioniert nicht. Das fängt oben bei Besitzer Robert Kraft an und geht bei Belichick und Brady weiter - so eine Kombination wird es vermutlich nie wieder geben.

Jetzt haben die Rams mit Head Coach Sean McVay und Quarterback Jared Goff ja auch ein vielversprechendes Gespann.

Wenn jemand nochmal so eine Dynastie aufbauen kann, dann sind es aktuell wohl die Rams. Genauso hat es vor fast zwei Jahrzehnten bei den Patriots angefangen. McVay, der Offensivguru und junge Coach, und Goff, der das Talent hat, in die Idee eintaucht und auf seinen Coach hört - besser geht es nicht. Jetzt muss man sehen, ob sie es schaffen, in den wichtigen Spielen zu gewinnen. Und das wichtige Spiel ist jetzt der Super Bowl.

Brady & Belichick gegen McVay & Goff

Erfahrung gegen Newcomer: Brady & Belichick gegen McVay & Goff. Getty Images (2)

American Football erlebt einen unglaublichen Fan-Zuwachs in Deutschland. Woher kommt und wie weit geht das?

Es fängt immer mit euch (den Medien, d. Red.) an. Wenn ihr nicht darüber berichtet, kriegt keiner das mit. Dann kamen natürlich die coolen Storys mit Markus Kuhn, Sebastian Vollmer und mir. Im Schnitt gucken sonntags bei ProSieben Maxx fast eine Million Leute zu. Mich würde echt mal interessieren, wie viele Footballfans du generell hast. Damals hat mich in Berlin kein Mensch erkannt, heute trägt gefühlt jede zweite Person NFL-Merchandise und kennt mich. Du merkst einfach: Alle reden nur noch über Football und schauen am Sonntagabend zu. Das ist ja auch neu für mich. Wenn das von den Medien nicht gepusht wird, geht es nicht. Also danke! (lacht)

Wie wirkt sich das auf den Sport an sich in Deutschland aus? Gibt es aktuell einen Deutschen, der den Sprung in die NFL schaffen könnte?

Wir haben gerade - auch durch mein Programm - viele, viele deutsche Spieler, die an die Colleges gehen und das ist gut. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in drei, vier Jahren die nächste Rutsche an deutschen NFL-Spielern bekommen. Auch die deutschen Vereine haben immer mehr Spieler. Ich war neulich bei einem Team, die haben plötzlich eine A- und B-Jugend. Sowas hatten wir früher alles gar nicht. Je mehr Leute anfangen, desto größer ist der Talentpool.

Aus deutscher Sicht gilt ein besonderer Blick auf Mark Nzeocha, Equanimeous St. Brown, Kasim Edebali und Moritz Böhringer, die derzeit aktiv sind beziehungsweise um ihre Einsätze kämpfen. Wie sehen Sie deren Chancen?

Mark wird auf jeden Fall noch ein paar Jahre spielen, dafür ist er zu gut in den Special Teams und als Rollenspieler. Ich drücke ihm die Daumen, dass er vielleicht sogar Stammspieler wird. Kasim hat zwar zuletzt viele Vereine gehabt, ist aber auch schon in seinem fünften Jahr - das ist eine Erfolgsstory. Auch Moritz wird nochmal seine Chance bekommen, da kann alles passieren. Equanimeous wird ganz sicher sein Ding machen. Natürlich hoffen alle Deutschen irgendwie auf den nächsten Dirk Nowitzki. Aber in der NFL ist es einfach nochmal tausendmal schwieriger, da brauchst du den amerikanischen Weg.

Zu guter Letzt: Sie sind beim Super Bowl vor Ort in Atlanta. Wem drücken Sie Sonntagnacht die Daumen?

Ich wünsche mir, dass die Rams gewinnen. Aber ich glaube es nicht.

Interview: Mario Krischel

Das milliardenschwere Mercedes-Benz Stadium in Atlanta