Football

Björn Werner im kicker-Interview vor dem Super Bowl: "Was ist das für ein Scheiß?"

Ex-NFL-Profi spricht mit dem kicker, Teil I

Björn Werner im Interview: "Ich habe immer nur verletzt gespielt"

Spielte für die Indianapolis Colts in der NFL: Björn Werner.

Spielte für die Indianapolis Colts in der NFL: Björn Werner. imago

Herr Werner, Sie haben den NFL-Traum - wenn auch nur kurz - gelebt. Wie waren die drei Jahre in der größten Sportliga der Welt?

Die durchschnittliche NFL-Karriere geht drei Jahre. Ich hatte drei Jahre und ein paar zerquetschte Monate - und es war mega cool. Deshalb habe ich damals als kleiner Junge meine Familie verlassen, um diesen Sprung zu schaffen. Es war einfach die geilste Zeit und ich war auch stolz drauf, Deutschland und meinen Familiennamen in der NFL als erster deutscher First-Round-Pick zu repräsentieren. Es gab noch viel talentiertere Spieler auf dem College, die es wegen Verletzungen nie geschafft haben, darum habe ich jede Minute genossen, das kann mir keiner nehmen. Ich weiß noch, als ich damals nach New York geflogen bin, am JFK aus dem Fenster geschaut habe und mir nur dachte: "Holy sh*t". Ich konnte kaum Englisch außer "hey, how are you?". Es war die Liebe zum Sport, die mich dorthin gebracht hat. Jetzt im Nachhinein realisiert man erst, wie großartig das war.

Nehmen Sie uns mal mit: Wie ist es überhaupt zum Sprung in die USA gekommen?

2006 war ich 16 Jahre alt, da gab es noch die NFL Europe, durch die die NFL wiederum junge talentierte Spieler sichten und auf Internate in den USA verteilen wollte, was allerdings sehr teuer war. Ich war ein Junge aus Berlin-Wedding und hatte nicht viel Geld. Glücklicherweise habe ich eine Art Stipendium bekommen und konnte so zwei Jahre an der High School in Connecticut spielen. Weil ich da ganz gut war, habe ich etliche Stipendien-Angebote von verschiedenen Universitäten bekommen, mich letztlich für die Florida State University entschieden und war dort dann einer der besten Spieler. Deshalb habe ich mich auch ein Jahr früher zum Draft angemeldet.

Der Draft, in dem Sie als erster deutscher Football-Profi in der ersten Runde ausgewählt wurden. Wie lief dieser Tag ab?

Die NFL hat mich eingeladen und auch Flüge für meine Familie bezahlt, die ich bis dahin zweieinhalb Jahre nicht mehr gesehen hatte. Meine Brüder reden immer noch darüber, das war der geilste Trip, den die jemals gemacht haben. Es sind viele Faktoren, die mit reinspielen, ob du ein First-Round-Pick wirst. Ich hatte schon am College mehrere Operationen an meinen Knien und versucht, das zu verstecken. Am Tag vor dem Draft kam mein Agent zu mir ins Hotel nach New York und meinte, Teams wie die Saints (New Orleans, d. Red.) und Jets (New York) wollten mich eigentlich mit dem neunten bzw. 15. Pick nehmen, nur haben die Teamärzte mich aufgrund meiner Knie mit einer roten Flagge versehen. Er meinte dann: 'Ich glaube, du wirst in die zweite Runde rutschen' und ich dachte nur 'hör doch auf'. (lacht) Ich hatte meine ganze Familie hergeflogen und sollte dann da sitzen und zusehen, wie alle mich überspringen? Ein bisschen peinlich wäre das schon gewesen.

Was ist denn das jetzt für ein Scheiß?

Werner über verwirrende Scherzanrufe beim Draft

Trotzdem wurden Sie dann in der ersten Runde an Position 24 von den Indianapolis Colts ausgewählt.

Am Tag des Drafts saßen wir dann Backstage im sogenannten "Green Room" und ich war mega nervös, ich hatte ja keine Ahnung, von wem ich gedraftet und wo ich die nächsten Jahre leben werde. Das muss man sich mal vorstellen. Witzige Geschichte: Jeder Tisch hat ein Telefon und die Teams haben zusätzlich deine Handynummer, damit sie dich erreichen können. Beim dritten Pick, die Miami Dolphins waren dran, klingelt plötzlich das Telefon an meinem Tisch. 'Miami? Wie geil!', dachte ich nur. Ich hatte schon drei Jahre in Florida gelebt und hätte es geliebt, dort zu bleiben. Ich lebe ja auch jetzt wieder mit meiner Frau und meinen zwei Kindern dort. Jedenfalls ging ich ans Telefon, schon kurz vor den Tränen und höre plötzlich nur Leute lachen am anderen Ende der Leitung. Der ganze Raum guckt mich an, mein Agent wartet und es passiert nichts. Nachdem ich aufgelegt hatte, klingelte das Telefon erneut, wieder war keiner dran, in der Zeit wurde schon ein anderer Defensive End ausgewählt und ich dachte mir 'was ist denn das jetzt für ein Scheiß?' (lacht) Wie sich später herausstellte, war ich nicht der einzige, dem das passiert ist. Normalerweise kann das gar nicht vorkommen, weil die Leitungen absolut sicher sind. Es haben sich viele, viele Leute aufgeregt.

Als die Colts mich dann (tatsächlich!) angerufen haben, war ich sehr erleichtert und so glücklich. Andrew Luck, ein Play-off-Team - mir kamen gleich die Tränen. Ich habe mich mega gefreut. Am nächsten Morgen wurde ich mit dem Privatjet abgeholt, völlig wahnsinnig.

Nach drei Jahren sind Sie von den Colts entlassen worden, haben also auch die Schattenseiten des Business erlebt. Warum ging es danach nicht weiter?

Du spürst, wenn Teams das Interesse verlieren, weil du nicht mehr auf dem höchsten Level spielen kannst. Die denken sich halt: 'Wenn du verletzt bist, bringst du uns nichts.' Ich war sogar recht glücklich, als ich bei den Colts entlassen wurde, weil ich mich woanders nochmal zeigen wollte. Ich war im vierten Jahr und mein Mindestgehalt dementsprechend höher, auch das hat Teams abgeschreckt. Bei den Jacksonville Jaguars konnte ich mich in der Preseason nochmal zeigen, wusste aber da schon, dass es mein letztes Jahr wird, wenn ich es nicht schaffen sollte. Ich habe immer nur verletzt gespielt und dafür musst du mental echt stark sein, da hatte ich keine Lust mehr drauf. Die Jags haben sich letztlich für ihren Draft-Pick und gegen mich entschieden.

Und dann plötzlich kein Football-Profi mehr...

Football war mein Leben. Ich kannte immer nur Schule/Fitnessstudio/Training, Schule/Fitnessstudio/Training, habe nie Party gemacht. Als es dann plötzlich vorbei war, bin ich schon in ein kleines Loch gefallen.

In Teil II des kicker-Interviews (Mittwoch) erklärt Björn Werner, warum die New England Patriots den Super Bowl gewinnen, wie er deutsche Talente dem NFL-Traum näherbringt und weshalb er dem kicker dankbar ist.

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