"Wenn ich das jetzt auch noch runterschlucken muss, schlucke ich das auch noch runter", sagte Thomas Tuchel irgendwann während seines Interviews. Doch an der Stelle war längst klar: Am Runterschlucken hatte er eigentlich gar kein Interesse. Mit einem emotionalen Plädoyer in eigener Sache reagierte der Trainer des FC Bayern am Samstagnachmittag vielmehr auf Aussagen, die Uli Hoeneß am Tag zuvor getroffen hatte.
"Er meint nicht, dass er einen Davies, Pavlovic oder Musiala verbessern kann. Wenn es nicht klappt, sollte man einen anderen kaufen", hatte der Aufsichtsrat und Ehrenpräsident des FCB bei einem Podiumsgespräch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Tuchel gesagt. "Ich meine, man sollte hart an ihnen arbeiten und ihnen Selbstvertrauen geben." Er, Hoeneß, erwarte, dass ein Trainer "junge Spieler verbessert und sie auch mal in den Arm nimmt".
"Dadurch, dass es von unserem Boss ist, kriegt es eine andere Note"
Worte, die Tuchel nicht auf sich sitzen lassen wollte. "Das ist so meilenweit an der Realität vorbei, dass es schon gar kein ... ich weiß gar nicht, wie ich darauf antworten soll", rang er kurz vor dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt bei Sky zunächst nach Worten. "Ich bin in meiner Trainerehre verletzt. Wenn wir etwas in den letzten 15 Jahren im Trainerteam nachgewiesen haben: dass wir jungen Spielern, vor allem aus der Akademie, immer einen Platz im Training und auf dem Platz geben. Die drei Beispiele in diesen falschen Inhalt noch reinzuziehen, kann ich nicht nachvollziehen. Dafür habe ich sehr wenig Verständnis, das finde ich absolut haltlos."
Die Frage, ob er ein klärendes Gespräch mit Hoeneß suchen werde, wehrte Tuchel ab. "Ich hätte gar nicht darauf reagiert, wenn es nicht von Uli gekommen wäre. Dadurch, dass es von unserem Boss ist, dass es vier Tage vor unserem Spiel gegen Madrid ist, kriegt es eine andere Note. Es kratzt mein tiefstes Verständnis als Trainer an."
Auf allen seinen Stationen, ob in Mainz, Dortmund, Paris, bei Chelsea oder nun in München, habe er stets erfolgreich Talente entwickelt. Und erst "vor einer Woche haben wir Lovro Zvonarek eingewechselt, um ihn zu belohnen für seine Art und für seinen Aufwand, den er im Training betreibt", schloss Tuchel, nachdem er zahlreiche Beispiele von den "Bruchweg Boys" um André Schürrle bis Christopher Nkunku bei PSG aufgezählt hatte. Sein finales Wort zu Hoeneß' Aussagen lautete deshalb schlichtweg: "Strange."
Auf Davies, Pavlovic und Musiala verzichtete Tuchel gegen Frankfurt übrigens. Erstere beiden saßen zunächst auf der Bank, Musiala fehlte angeschlagen. Mit 30,52 Jahren begann die zweitälteste Startelf der Bayern-Historie - übertroffen nur von der 30,61-jährigen Formation beim 3:1-Auswärtssieg in Duisburg am 25. März 2006.